Lieber Mensch

Ich kenne Dich vermutlich nicht, aber vielleicht ändert sich das irgendwann, vielleicht aber auch nicht.

Lieber Mensch, vielleicht hast Du Angst uns kennen zu lernen. Und weißt du was, ich verstehe das. Vielleicht bist du den ersten Schritt in Richtung gemeinsames Kennenlernen schon getan. Möglicherweise liegen genau in diesem Moment zwei Wattestäbchen vor dir. Hast du Angst vor dem nächsten Schritt? Ich möchte Dir sagen, dass das völlig in Ordnung und nachvollziehbar ist. entscheidest du dich dafür, einen Wangenabstrich zu machen und diesen zum Beispiel an die DKMS zurück zu schicken, zeigst du sehr viel Mut. Stäbchen Rein, Spender sein, hört sich einfach an, ist es auch. Wirst du gebraucht, wirst du zum Stammzellen-Superhelden berufen, ist es nicht mehr ganz so einfach.lucky-ladybug-1949337_1920

Du wirst einige Untersuchungen durchlaufen und musst dafür vielleicht auch eine Reise in ein Transplantationszentrum antreten. Passt immer noch alles, so bekommst du für einige Tage ein Mittel verabreicht, welches die Bildung deiner  Heldenzellen anregen soll. Möglicher weise bekommst du davon Kopfschmerzen, fühlst dich müde und erschöpft.

Am Tag X nimmst du wieder eine Reise aud dich und gehst ins Transplantationszentrum. Dort wirst du an ein seltsam anmütiges Gerät angeschlossen, in jedem Arm ein Zugang. In diesem Kreislauf werden sich immer nur 20 ml Blut befinden, einige Deiner Heldenzellen werden hinausgefiltert. Es wird langweilig sein, weil du vielleicht vergessen hast dein Tablet mit deiner Lieblingsserie zu bestücken. Aber halte Durch.

Denn nur kurze Zeit später lernen deine Heldenzellen vieleicht schon unseren Helden, oder auch einen der vielen anderen Helden kennen. Während deine Stammzellen es sich in einem neuen Körper gemütlich machen, kannst du nach Hause fahren. Dein Empfänger befindet sich in dieser Zeit in einem Isolationszimmer, angeschlossen an viele Maschienen. Es wird deinem Empfänger nicht gut gehen in dieser Zeit, vermutlich ist seine Mundschleinmhaut schwer entzündet, vieleicht ist ihm übel, er hat Schmerzen und braucht Unterstützung beim Atmen. Aber du lieber Stammzellenspenderheld, gibst deinem Empfänger eine Chance auf eine bessere Zeit. Nur durch Dich wird er dieses Zimmer in der Isolation wieder verlassen können. Durch dich bekommt einer der Helden da draußen sein Immunsystem zurück und damit auch ein Stückchen Normalität. Du ermöglichst es ,dass Angehörige hoffen können. Ich danke Dir unglaublich. Ich danke dir für den Schritt, dich typisieren lassen zu wollen. Ich danke dir für die Bereitschaft einer Stammzellenspende. Ich danke dir für die Hoffnung, die du mit deinem Wangenabstrich schenkst. Bist du unser Stammzellen-Spenderheld, so wirst du durch die DKMS einen anonymisierten Brief von uns bekommen. Wir würden dir am liebsten die Welt zu Füßen legen. Zwei Jahre später dürfen wir uns kennenlernen. Lieber Mensch, lieber Stammzellen-Spenderheld, ich freue mich schon sehr darauf.P1030463.JPG

Lieber Mensch, entscheidest du dich gegen einen Wangenabstrich erntest  du den gleichen Respekt von mir. Hast Du Angst und Zweifel auf Grund einer Typisierung kann ich das verstehen. Ich möchte Dich nicht überreden oder nötigen. Eine Stammzellenentnahme ist kein Spaziergang. Aber ich bitte Dich darüber nach zu denken was geschehen würde wenn Du oder einer deiner Lieben einen Spender benötigt. Würdest du nicht auch hoffen, dass es euren Stammzellenhelden gibt? Es erfordert Mut eine Typisierung abzulehnen, aber nur dann wenn du dich vorher weitreichend informiert hast. Oft Überlegt ein Mensch leider erst dann, wenn es ihn selbst betrifft. Und oftmals kann das schon zu spät sein.

Bevor du dich aber Typisieren lässt, denke genau darüber nach ob du wirklich zu einer Spende bereit wärst. Denn wenn du registriert bist, aber im Falle eines Falles die Spende ablehnst, finde ich es nicht richtig den Weg eines Wangenabstriches zu gehen.

Es gibt viel zu viele Fälle, in denen sich Menschen typisieren lassen, gebraucht werden und dann ablehnen. Informiere dich, gehe in Dich und sei dir deiner Entscheidung bewusst.

Lieber Mensch, möchtest du dich nicht registrieren lassen, scheue dich nicht dies auszusprechen. Ich habe Hochachtung vor Menschen, die zu ihren Ängsten stehen. Ich werde nicht von dir erwarten, dass du deine Angst überwindest, Niemand sollte das. Du kennst dich am Besten, nur Du kannst für Dich entscheiden. Ich würde mich freuen, Dich als unseren Stammzellen-Superhelden kennen lernen zu dürfen. Aber ich möchte auch, dass du diesen Weg absolut freiwillig, bewusst und selbstbestimmt wählst.batman-1120677_1280

Ich sehe dich nicht als schlechten Menschen an. Auch ich habe Angst vor bestimmten Dingen und kann diese nicht einfach ablegen nur weil es mein Umfeld erwartet. Du bist stark, genauso wie du bist.

Ich bitte dich einfach nur darum, dir Gedanken zu dem Thema zu machen. Denn Du kannst Dich nur gegen etwas entscheiden, wenn du  ausreichend darüber nachgedacht hast. Zumindest geht es mir so. Bitte denke nicht, „mich betrifft das nicht“. Ich muss dir leider sagen, dass sich das schon morgen ändern kann. Auch wir haben nie mit dieser Diagnose gerechnet. Und Plötzlich war sie da, ohne Vorwarnung, ohne das wir darauf Einfluß hatten und ohne dass es Zeit gegeben hat das alles erst einmal „sacken“ zu lassen.11081196_800126566748709_2988928572405266799_n

Viele Patienten warten auf Dich. Auch sie haben nie solch eine Diasgnose erwartet. Du bist in der Lage ein Leben zu retten oder, wie in unserem Fall, Zeit zu schenken.

Sei mutig.Sei stark.entscheide Dich. Egal wie diese Entscheidung sein wird, allein den Gedanken einer möglichen Stammzellenspende zulassen zu können erfordert großes in Dir.

Weißt du lieber Mensch, ich verrate dir etwas. Ich bin typisiert seitdem ich 18 Jahre alt  bin. Ich trage immer einen Organspendeausweis bei mir. Ich bin bereit für Beides. Aber ich habe wahnsinnige Angst. Bisher bin ich noch nicht als Spender in Frage gekommen. Ich hoffe, dass ich irgendwann helfen kann und gleichzeitig macht dieser Gedanke meine Knie weich. Denn auch ich habe Respekt vor diesem Schritt. Sehr, sehr Großen sogar. Aber ich habe mich bewusst dafür entschieden. Wenn ich einmal sterbe, brauche ich meine Organe nicht mehr. Meine Seele steckt weder in meinem Herz, noch in anderen Organen oder gar in den Stammzellen. Ich hoffe das wir unseren Stammzellenhelden finden, ich hoffe dass meine Kinder nie auf eine Organ- oder Stammzellenspende angewiesen sind. Aber wissen tu ich es nicht. Ich möchte nichts von Anderen erwarten, das ich selbst nicht gewillt wäre zu geben.

#ohnePapaGehtEsNicht

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4 Gedanken zu „Lieber Mensch

  1. 😏😑 schöner und bewegender kann man über die Typisierung nicht schreiben. Ich habe das schon vor Jahren gemacht – aber wie wunderbar du in dieser verzweifelten Situation noch Empathie für jede Entscheidung zum Ausdruck bringen kannst.
    Ich hätte nicht gedacht, dass es Menschen gibt, die sich melden und dann nicht bereit sind. Es gibt eine schmerzhafte und eine ganz unschmerzliche Methode die Zellen zu entnehmen. Das sollte man schon wissen und auch lesen. Von der Arbeit muss man freigestellt werden. Ich verurteile auch niemanden, der das nicht machen will – aber ich finde jeder sollte sich Gedanken dazu machen!
    Und ich wünsche dir und euch von Herzen, dass es mit eurem Papa weiter geht!!!

  2. …. ich habe mich vor Jahren bereits typisieren lassen. Für mich war das eine sehr traurige Tatsache, dass ich jetzt, da ich selbst einmal einen Tumor hatte, raus bin…… ich wünsche euch von <3 – en alles Gute.

  3. Ich habe meinen Wangenabstrich tatsächlich auch erst vor ein paar Tagen weggeschickt. Klar, wäre ich nervös, wenn ich jetzt erfahren würde, dass ich in Frage käme. Aber ich würde mich andererseits auch wahnsinnig freuen …… Ich stelle es mir nicht als einen Spaziergang vor; trotzdem war es keine Angst, die mich abgehalten hat. Es war erstens Bequemlichkeit und zweitens Unwissenheit. Ich war mir lange nicht darüber im Klaren, dass ich hierfür einfach nur einen Wangenabstrich machen muss.
    Liebe Grüße und ich wünsche euch alles Glück der Welt!
    Isabell

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