„Seelig ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist“

Es ist inzwischen schon fast zu einer weiterverbreiteten Seuche geworden; die tatsache, dass viele Menschen im Konjunktiv leben. Hätte, Würde, sollte… Das sind Wörter, die ich in vielen Gesprächen höre.

Passend dazu, hat mich der liebe Dario zu seiner Blogparade „Schlechte Situation mit gutem Ausgang“ eingeladen.

Die Einladung liegt schon eine weile in meinem E-Mailpostfach, da ich mir unsicher gewesen bin, wie ich dazu einen Text schreiben kann. Ich versuche es, denke aber, dass er etwas am Thema vorbei läuft und doch irgendwie passend ist.

Zu Allererst, möchte ich das Wort „schlechte Situation“ in „ungünstige Situation“ umtauschen. Ich kann kein Beispiel liefern, welches Euch erzählt, dass ich die U-Bahn verpasst habe, zu spät zu meinem Termin gekommen bin, dafür aber die Liebe meines Lebens kennengelernt habe.

Ich bin 32 Jahre alt und habe bereits einige verschiedene Episoden in meinem Leben durchlebt. Eine der schwierigsten war im Jahr 2011. Etwa 1,5 Jahre vor der Geburt unseres Heldensohnes habe ich ein weiteres Heldenkind in der 10. Schwangerschaftswoche verloren. In dieser Zeit hat mich das Erlebte mehr mitgenommen, als ich mir eingestanden habe. Der Held war für 6 Monate in einer großen Stadt, weit weg, arbeiten. An den Wochenenden, an denen die Einhornbändigerin bei Papa 1 gewesen ist, bin ich hin und wieder zum Tanzen in verschiedene Clubs gegangen. Ich trinke selten bis nie Alkohol, trotzdem kann ich mich an diesen abend kaum erinnern. aufgewacht bin ich irgendwann in einem Krankenhaus und hatte keine Ahnung warum.doctor-563428_1280

Die Blutanalyse hat verraten, dass ich in dieser Nacht Bekannschaft mit Liquid Extasy, K.O-Tropfen gemacht habe. Da ich das Zeug nicht wissentlich genommen habe, muss es  in mein Getränk gekommen sein. Nach einer eingehenden Untersuchung und diversen Abstrichen, war klar warum mir das Jemand gegeben haben muss. Erinnern kann ich mich an Nichts.

Das Kopfkino lief in einer Dauerschleife. Ich sagte mir eine lange Zeit lang „Hätte ich diesen Abend wo Anders verbracht, wäre das nicht geschehen“ oder auch „Nächstes mal würde ich besser auf mein Getränk aufpassen“

Das Ereignis mit den tropfen, gepaart mit der Fehlgeburt zuvor, offenbarten mir ein Riesenloch im Boden. Ich dachte, dass ich nie, wirklich nie darüber hinwegsehen kann. Meine Gedanken kreisten immerzu nur um diese zwei Dinge.

Dann kam der Punkt, an dem mir klar geworden ist, dass das Konjunktivdenken mir eben so wenig bringt, wie das im Selbstmitleid versinken. Helfen konnte ich mir in diesem Moment nur selbst. Eine Anzeige gegen den Menschen mit den K.O-Tropfen lief bereits seit dem Aufenthalt in der Klinik. aber ich bin weitere Schritte gegangen.img444

Von dem ungeborenem Heldenkind habe ich mich verabschiedet. In einem kleinem Wald, der Hauptstadt steht seit dieser Zeit ein Baum, eine Kastanie. Es war viel mehr ein Bäumchen. Mit Erlaubnis des Grundstückinhabers, habe ich ihm dort ein neues Zuhause gegeben. Kastanien werden große, mächtige und sehr impusante Bäume. Im Sommer spenden sie Schatte, Im Winter glitzert der Schnee auf ihren Ästen. Meine Kastanie heißt Max-Lotta. Manchmal besuche ich ihn und spüre die zaubergafte Aura an diesem Platz.

Ich kann ich euch also kein greifbares Happy End liefern. Aber den guten Ausgang gibt es trotz Allem, auch wenn er nicht zum Anfassen bereitsteht.

Ich bin damals mehr an meine Grenzen gekommen als jezuvor. Mir ging es nicht gut und ich hatte keine Ahnung wie das je wieder besser werden sollte. In mir kreisten Gedanken, was ich hätte anders machen können.

Ich konnte diese Gedankenwelt verlassen, mir ist es möglich geworden Abschied zu nehmen und zu aktzeptieren, dass es Dinge im Leben gibt, auf die Ich keinen Einfluß habe. Ich bin nicht seelig, denn vergessen kann ich nicht. Aber ich kann  aktzeptieren und mir Mühe geben nicht im Konjunktiv zu Leben. Ich habe mir selbst beweisen können, dass es möglich ist eine Strickleiter zu bauen, die mich aus dem Loch im Boden herraus führen kann. Ich habe Erfahrungen über mich sammeln können, die mir Niemand mehr nehmen kann. Anstatt weirer in der starre zu verweilen, bin ich tätig geworden.20150907_081903

Und genau diese Erfahrungen, die Fähigkeit eine Strickleiter bauen zu können helfen mir jetzt erneut. Ich bin nach wie vor ein eher unsicherer Mensch, ich bin Jemand dem Sicherheit sehr wichtig ist. Bei Problemen würde ich lieber wegrennen, als mich Ihnen zu stellen. Aber ich habe mir bereits einmal bewiesen, dass ich auch anders kann. Nur muss ich mich hin und wieder daran erinnern. Auch jetzt ist diese Strickleiter bares Gold wert. Ich frage mich kaum noch wie das Leben ohne Krabbe Kunibert gewesen wäre. Ich wurde vor nicht all zu langer zeit gefragt, ob ich mir einmal vorgestellt hätte wie es wäre, den Helden nicht kennengelernt zu haben. Denn dann würde ich auch Krabbe Kunibert nicht kennen und würde vermutlich ein anderes Leben führen.

Ich habe vor dieser Frage nie darüber nachgedacht, ehrlich. Dann tat ich es. Würde ich den Helden nicht kennen, würde ich Kunibert auch nicht kennen. Das kann ich gar nicht wissen, wer weiß welche Überraschungen das Leben sonst für mich bereitgestellt hätte. IOch weiß nicht, was dann gewesen wäre. Und ehrlich gesagt, will ich darüber gar nicht nachdenken, da ich den Ist-Zustand damit nicht besser mache.

Wir leben anders als Andere, wir haben weniger Zeit und planen nun alles Zeitnah. sobald der Held fit genug ist, wollen wir in den Urlaub. Würden wir bis nächstes Jahr Sommer warten, hätte sich unsere finanzielle Situation vielleicht entspannt. Der Konjunktiv vergisst aber, dass wir nicht wissen was im nächsten Sommer sein wird. Daher passiert alles jetzt. wir bereiten uns nicht erst auf unser Leben vor, wir wollen es leben.IMG579

Der gute Ausgang ist in meinem Fall eine andere Sicht der Dinge. Es klappt nicht immer, aber ich weiß wozu ich in der Lage bin. Ich weiß, was ich aushalten kann und ich weiß auch, dass es immer wieder ein „danach“ geben wird. Ich weiß nicht wie es sich anfühlen wird, wenn die Krabbe Kunibert irgendwann gewinnen wird. Ich weiß nur dass es passieren wird und hoffe noch auf jede Menge Zeit bis es so weit ist.

Ich hoffe, dass ich auch nach dieser Situation meine Erinnerung an die Strickleiter abrufen kann.

Lernt Strickleitern zu bauen, mit richtig dicken Knoten. Sie helfen euch beim klettern. Sie trägt Euch nicht allein nach oben, dass müsst ihr allein schaffen. Wie lange das dauert ist unwichtig, klettert einfach los und legt Pausen ein, wenn euch die Puste ausgeht.

2 Gedanken zu „„Seelig ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist“

  1. Ich danke Dir für Deinen Mut, Dein Schicksalsschlag und Deinen Umgang mit ihm zu teilen. Ich habe selbst so einen sehr schweren Schicksalsschlag im Leben erlitten, der so weitreichende Folgen auf mein Leben hatte und ehrlich gesagt noch immer hat, da ich ihm noch den Raum dafür gebe. Aber Dein Beitrag hier, läßt mich innehalten. Es wird bleiben, was geschehen ist und dennoch werden sich die Gefühle, die Bilder und mein Umgang damit ändern. Das sind meine Erfahrungen aus meinem Weg. Noch bin ich nicht so mutig wie Du und kann meine Geschichte erzählen und doch möchte ich sie eines Tages erzählen können. Zur Zeit suche ich nach einem Sinn – einem Sinn der daraus wächst! Vielleicht werden Deine Zeilen mich hier inspirieren oder wie Du es sagen würdest eine Sprosse der Strickleiter sein. Ich weiß es noch nicht. Aber ich will weiter gehen und mich wie Du daran erinnern, was ich kann, wenn ich will. Aber nicht Schönredend – davon halte ich nichts- es bleibt was es ist und wird/hat sich dennoch verändert.

    Erschrocken hat mich die Wahl Deiner Bilder. Als ich anfing, mich diesem Teil meines Lebens zu widmen, wählte ich als Profilbild auf meinem Handy eine Pusteblume die größer als mein Hand war und ich bin ein Waldkind gewesen und dennoch bin ich es. Seltsam?! Hab vielen Dank für Deine Hoffnung und Deinen Mut.

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