Faktor X

Ich bin ein komplizierter Mensch und habe so einige Kanten, an denen sich Andere gerne hin und wieder stoßen. Eine der größten und gefährlichsten Kanten ist die, dass ich schnell, wirklich sehr schnell dazu tendiere mich aufzuregen wenn ich das Gefühl habe dass ich; oder schlimmer meine Lieben „ungerecht behandelt werden“ Man könnte nun meinen, dass das keine wirkliche „Kante“ ist, ich aber denke: Doch! Denn ich neige dazu, in so einem Moment große Wut zu empfinden, mein Herz rast und ich spüre es in meinem Hals schlagen. Ich habe rauschen in den Ohren,so laut dass ich Kopfschmerzen bekomme. Mein Bauch grummelt und mein Hirn setzt hin und wieder aus. Manches Mal trübt mich mein Gefühl und ich reagiere schneller, als ich es sollte.

Auch machen mich Halbwahrheiten nervös. Halbwahrheiten gleichen hin und wieder einer Verschwörung und können Angst an einer Stelle verursachen, wo sie besser nicht hin gehört.IMG-20170325-WA0005

Vor wenigen Tagen habe ich einige Meinungen zu der Stammzellspende gelesen. Wie ich an einer anderen Stelle bereits einmal geschrieben habe, akzeptiere ich Menschen, die sich bewusst gegen eine Stammzellspende entscheiden. Überlegungen, dass jeder gesunder Mensch in einer Spenderdatei registriert werden soll unterstütze ich nicht! (das war eine Idee, einiger Leute in gewissen Foren, Stammzelldatenbanken, wie z.B die DKMS unterstützen diese Meinung selbstverständlich auch nicht)

Dann gibt es Kommentare wie „Spender haben wochenlangen Arbeitsausfall, starke Schmerzen und müssen in die Isolation“ Auch davon möchte ich mich distanzieren.

Eine Stammzellspende ist kein Spaziergang. Ich habe mich mit 18 registrieren lassen und mich vorher gut informiert, so denke ich zumindest. Würde ich als Stammzellspender in Frage kommen, so bekäme ich für etwa 5 Tage den Wachstumsfaktor G-CSF verabreicht bekommen. Dadurch würde mein Körper mehr Stammzellen als gewöhnlich produzieren. Dieser Faktor kommt auch natürlich in meinem Körper vor, wir aber von außen quasi „aufgestockt“. G-CSF kann Grippeähnliche Symptome hervorrufen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und allgemeine Abgeschlagenheit. Empfindliche Menschen (ich wäre vermutlich einer von Ihnen) könnten durch die Kopfschmerzen Übelkeit empfinden.

Allerdings war meine „Kosten-Nutzen-Rechnung“ damals schnell klar… Ich würde die Kopfschmerzen, Übelkeit, Meinetwegen auch Erbrechen oder sonst was in Kauf nehmen, wenn ich dadurch ein Leben retten kann.

Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung kannte ich unseren Helden noch nicht, ich war auch noch nicht mit Blutkrebs und deren Begleiterscheinungen konfrontiert. Ich fühlte mich damals weder als Held oder besonders großartig. Für mich war das Selbstverständlich und nichts außergewöhnliches.

Im übrigen; ich hatte in den letzten Wochen auch Kontakt zu Einigen Stammzellspendern. Sie waren meist nach wenigen Tagen wieder fit und in die Isolation musste auch Niemand.

Jetzt aber zu den Dingen, die mich wirklich an die Grenzen bringen…

Ihr Lieben, wenn ihr Euch bei der DKMS oder einer anderen Datenbank registrieren lasst, dann seid Euch bitte bewusst, dass ihr irgendwann als mögliche Spender in Frage kommen könntet. Hin und wieder werden potentielle Spender kontaktiert, die dann nicht zu einer Spende bereit sind und ablehnen… Das ist ein Punkt wo es bei mir aussetzt. Wieso lässt man sich dann erst registrieren, wenn man doch nicht spenden möchte. Wie kann man Nachts noch gut schlafen, wenn doch die Gewissheit im Kopf verankert ist, dass durch die eigene Ablehnung  der Spende Jemand anderem vielleicht nicht geholfen werden kann? Was ist wenn der Patient sterben muss, weil sich der Registrierte einer Spende verweigert?

Ich weiß, es ist nicht nett und verständnisvoll von mir, aber…so What? Warum denkt man erst nach der Registrierung über die möglichen Schritte nach, warum ist die Angst vor Kopfschmerzen in diesem Moment größer als der Wille ein Menschenleben zu retten?

Daher…Ich bitte Euch, wenn ihr Euch bewusst gegen eine Stammzellspende entscheidet ist das okay, aber dann lasst euch auch nicht registrieren. Seid ihr registriert und wollt nicht spenden, dann lasst Euch aus der Datenbank löschen, bevor ihr angefragt werdet…

Nummer Zwei meiner Aufreger der Woche…

Wie ich bereits gesagt habe, bekommt ihr für eine Überproduktion der eigenen Stammzellen den Wachstumsfaktor G-CSF verabreicht, damit ihr Stammzellen spenden könnt.

Dazu habe ich einige Kommentare gelesen. Ein Stammzellspender ist einige Zeit nach der Spende selbst an Knochenkrebs erkrankt. Der Partner/die Partnerin geht nun fest davon aus dass dies dem Wachstumsfaktor und somit der stammzellspende zuzuschreiben ist. Es gibt viele Kommentare dieser Art von der betreffenden Person. Das Schicksal ist in diesem Fall ein richtig mieser Verräter. Auch verstehe ich, dass man Gründe für unbeschreiblich Grausames haben will. Aber das geht eindeutig zu weit. Diese Person erzählt richtige Verschwörungstheorien, diese Person berichtet vom NegativVerhalten der Stammzelldatenbanken, von Fehlern und der Tatsache dass sich jeder GENAU überlegen sollte, ob er sich dieses Medikament verabreichen lässt.

Diese Person schürrt große Angst, es gibt ein ganzes Profil voller „Antireden“ gegenüber der Datenbanken, der Pharmaindustrie, dass alles ein „Spiel“ ist. Ein ärztliches Gutachten widerlegte den Verdacht, Ein Urteil, welches nicht zu Gunsten der Person gefällt wurde…das alles hindert nicht daran weiter zu machen.

Nicht nur ich habe diese Zeilen gelesen, auch viele Andere. Mich erreichten angstvoll gefüllte Mails, in denen ich nach dieser Person gefragt wurde. Menschen, die sich registrieren wollten, schrecken nun zurück. Nicht aus Angst vor der Spende an sich, sondern aufgrund der Angst, nach der Gabe des Wachstumsfaktors G-CSF selbst an Krebs zu erkranken.IMG_20170416_115500

Diese Familie hat wirklich Pech gehabt, es tut mir in der Seele weh, dass die Karmapunkte in diesem Fall nicht ausgereicht haben. Ich fühle mit ihnen, aber gleichzeitig machen Sie mich wütend.

Auch wir hätten gern eine Erklärung warum Krabbe Kunibert; das multiple Myelom bei uns eingezogen ist.

Aber dieser Weg, das geht zu weit.

Ich habe zwei Kinder geboren, beide via Kaiserschnitt. Dazu bedarf es einer Spinalanästhesie, da diese Rückenmarksnahe ist unterschrieb ich im Aufklärungsbogen auch das Risiko einer Querschnittslähmung… Jeder von uns nimmt ab und zu Paracetamol, im Beipackzettel stehen gewisse Risiken, die nicht zu  verachten sind und trotzdem hindert uns das nicht dieses Medikament zu nehmen.

So hat auch der der Wachstumsfaktor so seine Risiken, aber genau darum werden potentielle Spender vor einer möglichen Spende mehr als gründlich untersucht.

Ich habe mich nicht mit dieser Person in Verbindung gesetzt. Ich kenne mich, ich wäre nicht nett geblieben. Meine Kanten, ihr wisst schon.IMG-20170423-WA0029

Stattdessen habe ich im Internet recherchiert und auch zur DKMS Kontakt aufgenommen. Deren Meinung wäre diese hier

„Es gibt keine Hinweise dafür, dass die Gabe von G-CSF, das im Rahmen einer Stammzellspende verwendet wird, zu einer Krebserkrankung führt. Dies wird auch von verschiedenen Seiten konstant überwacht. Hintergrund dieser Fragestellung ist, dass nach einer bereits durchgemachten oder unbekannt bestehenden Krebserkrankung durch anschließende Gabe von G-CSF ein Wachstumsschub bereits vorhandener Krebszellen nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. U.a. auch aus diesem Grund führen alle Krebserkrankungen, bei denen diese Möglichkeit potenziell besteht, automatisch zum Ausschluss von der Spende. Wichtig ist uns, dass wir nichts verharmlosen möchten, denn ein Stammzellentnahme ist kein Spaziergang. Aus diesem Grund versuchen wir so gut es geht aufzuklären, mit Spenderberichten (uws.)“

Das deckt sich mit dem, was ich selbst woanders gelesen  und auch durch Gespräche mit Ärzten entnommen habe.

Wiegesagt, ich verstehe diese Person…irgendwie. Das Schicksal ist ein A**hole, aber das geht dann doch zu weit.

Ich spüre meinen Herzschlag im Hals, meine Hände kribbeln und ich habe Kopfschmerzen.

Ich esse jetzt Schokolade, versuche mich nicht weiter aufzuregen und studiere die Packungsbeilage von Aspirin.

 

2 Gedanken zu „Faktor X

  1. Und ich drück dich dolle aus der Ferne!Ich hab eine Bekannte die permanent so Blödsinn von sich gibt,gefunden auf schlecht recherchierten Internetseiten.Die regt mich so auf das ich mich permanent von Schoki ernähren müsste.Ich hab beschlossen ihre bzw. solche Meldungen zu ignorieren.Ich informiere mich selbst und hinterfrage prinzipiell.Ich finde das das eine ganz normale „Kante“ ist.Zumindest bei intelligenten Menschen!

  2. Mich hat Dein Bericht noch lange in Gedanken begleitet und bewegt. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie man sich als Krebsbetroffener fühlt, wenn einem erst die frohe Kunde übermittelt wird: Wir haben einen Spender gefunden! – dann aber erfährt, dass derjenige abgesprungen ist.

    Aber erstens könnte es ja mal gesundheitliche Gründe geben, weshalb es nicht geht – ich habe mich zum Beispiel, als ich mich habe registrieren lassen, gefragt, was passiert, wenn man mich fragt und ich gerade schwanger bin oder stille. Und dann würde mich noch interessieren, ob es -ähnlich wie bei einer blutspende – auch ein Feld gibt, an dem man heimlich ankreuzen kann, dass man doch lieber möchte, dass die spende verworfen wird. Natürlich kann man sagen: Warum spendet man Blut (oder lässt sich registrieren), wenn man doch nicht spenden will. Die Antwort kann in manchen Fällen Gruppendruck sein – wenn zum Beispiel ein Unternehmen oder eine Clique sagt, hey, komm, wir gehen zur Blutspende/lassen uns registrieren, aber einer aus der Gruppe will eigentlich gar nicht, macht nur mit, um nicht blöd dazustehen. Da wäre es natürlich schöner, wenn die DKMS bzw. die Stefan-Morsch-Stiftung das wüssten, damit sie sich das Geld für die Analyse sparen können. Meines Wissens nach gibt es dieses „Lieber doch nicht“-Feld bei der Blutspende, damit jemand ankreuzen kann, dass er z.B. HIV-Positiv ist oder ungeschützten GV hatte, um den möglichen Empfänger zu schützen – ohne, dass der Spender bloß gestellt wird.

    Ist aber auch nur so eine Idee. Alles Gute!

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