Irgendwo zwischen Chemotherapie und Familienwahnsinn

Dieses Wochenende war anders als die letzten. Vor einer Woche feierten wir noch unseren 8. „Hochzeitstag“ nach, waren im Kino und etwas Essen. Schon zu diesem Zeitpunkt wussten wir, dass etwas nicht stimmt. Aber wenn es dann plötzlich ganz klar ist, der Arzt die Realität zurückholt, ist es doch jedes Mal gruselig.

Am Donnerstag startete unser Held mit dem ersten Zyklus der neuen Chemotherapie, am Freitag erneut.IMG-20180308-WA0032 Bisher sind außer Müdigkeit und größerem Appetit (dank Kortison) keine großen Nebenwirkungen zu verzeichnen. Die Schmerzen sind, wie vom Arzt besprochen aber deutlich weniger geworden. Unser Held merkt die Stellen, an denen er Wucherungen hat, aber sie schmerzen nicht mehr so arg.IMG_20180309_072447_338

Eigentlich wollten wir dieses Wochenende mit den Heldenkindern reden, wir wollten ihnen erzählen, dass das Blut vom Papa wieder krank ist, da wir es bis Heute nicht geschafft haben Jemanden zu finden dessen Blut zu Papas passt. Wir wollten ihnen erklären, dass auch diese Medizin wieder müde machen kann, dass es sein kann dass unser Held hin und wieder Bauchweh davon bekommt und er irgendwann auch nochmal ins Krankenhaus muss. Es blieb beim eigentlich.

Die Stimmung dieses Wochenende war angespannt, die Nerven lagen Blank. Der Held und ich stritten wegen Kleinigkeiten. Kompensieren ist bis Heute nicht unsere Stärke, besonders nicht meine. Ich bin so sauer, auf Kunibert, auf die Forschung und auch darauf dass irgendwo in der Welt Jemand herumläuft, der der passende Stammzellspender hätte sein können. Ich bin sauer, weil unser Leben so ganz anders geplant war, wir vermutlich unseren echten 8. Hochzeitstag nicht feiern können und ich nicht mal weiß ob wir heute in einem Jahr noch alle zusammen sein werden.

Daher musste etwas Soulfood her. Die Einhornbändigerin, die es letzte Woche auch mit der Influenza niedergestreckt hatte, fühlte sich etwas besser und wollte Oreokuchen backen. Sie liebt diese Kekse. Gesagt getan.P1110925

Dazu veranstaltete der kleine Batman eine Teeparty und hat uns alle eingeladen.20180309_175722

Heute, am Sonntag strahlte die Sonne. Das Wetter meinte es wirklich gut mit uns. Nachdem ich nach einer gefühlten Ewigkeit fertig damit gewesen bin, zu klein gewordene Klamotten der Heldenkinder auszusortieren, verbrachten wir viel Zeit draußen. Die Sonne und die warme Luft tat so gut, die Stimmung in unserem Haus besserte sich.

Vor allem aber konnten die Heldenkinder endlich ihre super-duper Heldenjacken anziehen, sind die nicht großartig?P1110942

P1110929_LI.jpgSeit dem wir diese Jacken haben, wollten die zwei Heldenkinder sie ständig anziehen, allerdings passte das Wetter bisher nie Dafür nochmal ein Dickes Danke an die Good Gang ! 

(Ihr Lieben, das ist KEINE bezahlte Werbung, ich schreibe das hier freiwillig, weil ich diese Jacken gerade jetzt so passend finde!)

Kurzentschlossen sind die, immer noch etwas unfitte Einhornbändigerin und ich zu einer größeren Gassirunde aufs Feld aufgebrochen. P1110988Die Jungs wollten zu Hause bleiben. P1110966Zuerst schloss sich auch eine Freundin der Heldentochter uns an, allerdings mussten wir sie frühzeitig zurückbringen, nachdem sie mit ihren Gummistiefeln in einer Schlammpfütze steckenblieb und dann auf Socken und allen Vieren zurück ans „Festland“ gekommen war.

Die Einhornbändigerin und ich sind dann erneut los. Das große Kind übte mit ihrem Bogen,P1110997 Apple Jack, die Mischlingsdame tobte sich aus und ich genoss die Ruhe, die Luft und das Atmen.P1110984 Irgendwann dämmerte es, doch die Einhornbändigerin wollte nicht zurück. Trotz Erschöpfung und wirklich anstregendem Husten. Auch ihr gefiel das friedlich da draußen, mitten im Nirgendwo.P1120013

Sie sagte mir, was ich alles noch fotografieren solle,P1120021 und klärte mich derweil darüber auf, welche Posen, welcher Winkel denn am Coolsten sind.P1120033 Inzwischen hat sie da ihre ganz eigenen Vorstellungen. Unglaublich, dass das große Mädchen, welches doch gerade erst viel zu früh und viel, viel zu klein auf die Welt gekommen ist, schon nächsten Monat 10 Jahre alt wird.

Ich frage mich manchmal welchen Einfluss Kunibert auf die Entwicklung der Heldenkinder hat. Nach dem Befinden des Helden wird oft gefragt, nach dem Befinden der Kinder eher weniger. Warum ist das eigentlich so. Gerade ihre Seelen sind von allem besonders betroffen, sie tragen Dinge, von denen sie nicht mal wissen dürften, dass es sie gibt. Aber sie tragen Kunibert mit, sie leben mit ihm. P1110941

Und trotzdem lachen sie und nehmen jeden Tag, wie er kommt.Wir versuchen das auch, mal gelingt es, mal eher weniger.20180309_175759

3 Gedanken zu „Irgendwo zwischen Chemotherapie und Familienwahnsinn

  1. Liebe Ines,
    Du bist eine Fremde, eine Person und doch empfinde ich, bestimmt auch manch anderer Nähe, die ungewöhnlich ist. Es ist die Nähe zu diesem unendlichem Leid, dem Du ausgesetzt bist. Du musst etwas tragen, was nicht Deins ist. Du trägst etwas welches die Last einer anderen Person ist.
    Es ist die Liebe die trägt.
    Du schreibst von Dir, von Deinen Gefühlen, Deinem Zwiespalt. Du kannst nicht von Deinem Helden schreiben wie er sich fühlt, wie er weint, wie er hasst. wie er leidet, wie er hofft.
    Er ist still, in sich versunken und baut auf Dich. Du lebst für ihn sein Leben.
    Du bist den Kinder nah und wirst es sein wenn er nicht ist. Er weiß um die Dinge, da bin ich mir sicher.
    Deine Kinder, eure Kinder brauchen keine größere Aufmerksamkeit, als sie ohnehin schon haben. Schiebe sie nicht vor Dir her, sie sind nicht Dein Schutzschild, sondern sie brauchen einen geschützten Raum um altersgerecht zu leben.
    Warum müssen sie diesen Schmerz erneut ertragen, sie spüren doch die Veränderung und sie werden Fragen stellen. Erst dann, wenn sie bereit sind, innerlich bereit sind, werden Antworten ihrer Seele nicht schaden.
    Was erwartest Du von anderen, was Du selbst nicht geben kannst, willst. Ich denke schon, das jeder der Deine Seite liest, auch Deine Kinder mit einbezieht in seinen Gedanken.

    Auch wenn es sehr abwegig klingt, so lange es Dir gut geht, Du bei Deinen Vorhaben, Grundsätzen, Strukturen bleibst. Bei allem bleibst, was Du Dir in den letzten Monaten aufgebaut hast, werden es fröhliche Kinder bleiben.
    Du schaffst es.

    Kontrolliere Deine Gedanken. Lenke Deine Wut in kreatives Schaffen um, versuche es.
    Du bist eine wunderbare Frau und Mutter
    LG. Hilde

  2. Schon länger habe ich nicht mehr hier reingeschaut und jetzt das… Du gibst mir Einblick in eine Zukunft, die auch uns bevorsteht – nicht heute, irgendwann, hoffentlich sehr, sehr spät. Das lässt mich schaudern. Fühl dich gedrückt. Mach einen Schritt nach dem anderen. Zu den Kindern: Sie schaffen das. So heftig das klingt: sie werdn daran wachsen. Sie sind nicht die einzigen kleinen Wesen, die solche Erfahrungen machen müssen. Der Schlüssel wirst Du sein. Vielleicht habt Ihr Glück und noch andere Erwachsene stehen ihnen zur Seite. Und das ist ein Aufruf an alle, die sich gerade fragen, wie kann ich helfen: Schaut euch in eurer Nachbarschaft, im Freundeskreis um. Schaut auf die Kinder. Seid offen und traut euch, den Eltern eure Hilfe anzubieten. Ich bin immer wieder sauer auf die „Freunde“ die in keinem Moment darauf gekommen sind, in der harten Zeit mal einfach nur für die Kinder da zu sein. Jaja, das eigene Leben, die eigenen Kinder, ales geht vor, zu wenig Zeit… Bullshit! Es würde gehen, wenn man wolte!… Oder vielleicht ist es eure Schockstarre?? Geht mit den Kindern Schlittschuhfahren, ins Kino, zum Fussballspielen. Holt sie einfach mal raus, wenn die Eltern komplett leer sind vor lauter Sorgen (und das muss nicht immer Krebs sein).

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