Ich würde so gern…; Heldenupdate

Die letzten Tage waren zäh und auch irgendwie sehr seltsam. Die Schmerzen des Helden bleiben weiterhin eher niedrig; 90mg Morphin, Kortison und Lyrika sei Dank. Mittlerweile ist sein Pegel  konstant, dass er nicht so wegdämmert wie es die Dosis vermuten lässt. Das Eis am Kiosk holt er sich selbst und schmecken tut es auch wieder.

Die letzten Blutwerte haben gezeigt dass der Lambda Leichtkettenwert (in diesem Fall der „Krebsmaker“) wieder gestiegen ist und das auch ziemlich deutlich. Der Wert ist nun höher als vor dem ersten CHemozyklus. Trotzdem hat unser Held heute mit Zyklus zwei begonnen, ich gehe aber davon aus, dass dies nächste Woche noch umgestellt wird.30411707_1646056438822380_8505236252079947776_o

Gestern hat der kleine Batman bei seinem liebsten Freund schlafen dürfen, so dass ich tagsüber mehr Zeit in der Klinik hatte und Abends quasi sturmfrei. Während ich gestern beim Helden gewesen bin musste ich viel warten, da er zur Biopsie gebracht worden ist. Igor, ein dicker, großer Freund von Kunibert wurde während dieser Untersuchung angepiekst um zu sehen ob er zu Kuniberts Familie gehört oder gar ein ganz eigenen Stamm hat. Näheres dazu erzähle ich Euch, wenn wir mehr wissen.

Während ich auf unseren Helden wartete war es ruhig. Ich saß in seinem Zimmer und starrte den Boden an. Die Zeit schien endlos.30127743_1646057425488948_9030737127222018048_o

Alles ging gut, der Held kam erleichter, es hinter sich zu haben zurück. Ich stand den ganzen Tag neben mir. So langsam kommt das an, was man auch Realität nennt.  Und die ist so richtig, richtig scheiße.

Als ich das Krankenhaus verlassen habe und zu Hause angekommen bin war es ruhig. So richtig, selbst die Hunde haben geschlafen. Kein Held, keine Kinder und dann kam er…der emotionale Einbruch. Meine Müdigkeit Bach über mich hinein, der Frust und vor allem die Sorge darüber wie das alles weitergehen soll. Ich fühlte mich wie in einem Sog nach unten. Mir ist völlig unklar wie ich das alles aushalten soll. Mir ist unklar wie ich die Zukunft ertrage. Und wenn es mir schon so geht, wie geht es dann dem Helden? Und den Heldenkindern?30127163_1646058245488866_4514066801973264384_o

Ich lese nach wie vor häufig in Euern Kommentaren, wie stark ich doch sei. Und immer wieder kann ich Euch sagen, OH NEIN, ich würde gerne sagen, dass ich es bin. Aber leider ist dem nicht so. Es ist eher eine Art „abstumpfen“, zumindest dann wenn Augen auf mich gerichtet sind. Sobald mich Niemand mehr sieht, ist auch das „abgestumpfte“ vorbei.

Nachdem ich also gestern meinen Jammer-ich bemitleide mich selbst- Abend hatte, war es heute Morgen wieder besser. Bis ich zum Arzt gegangen bin. (ich hab tatsächlich eine krankschrift bekommen, danke für die vielen Tipps, ich hab Jemand ganz tollen gefunden). Der Arzt wusste schon Bescheid, ich musste nicht viel sagen. Er sah mich an und meinte nur dass ich müde aussehe. Dann wars vorbei. Ich hätte ihm gerne einfach zugestimmt, gesagt das alles sehr schwierig ist und ich nicht arbeitsfähig. Ich hätte ihm aber auch gern gesagt, dass ich sonst gut zurecht komme und es irgendwie alles geht. Aber ich hab nichts gesagt, rein gar nichts. Ich saß da und heulte. Ich würde Euch gern sagen warum, kann ich aber nicht. Keine Ahnung wie lange ich da gesessen habe. Es war mir so unangenehm, aber ich konnte nicht aufhören.

Irgendwann wars vorbei, ich bin gegangen. Auf dem zu Helden habe ich mich gesammelt, aber immer wieder kam dieser Klos im Hals zurück. Als ich vor der Klinik stand, den Eingang schon gesehen habe, habe ich mich umgedreht und bin gegangen. Nicht weit, aber ich bin es. Ich würde gerne sagen, dass ich einfach nur mutig durch diese Schiebetür gelaufen bin, vorbei am Automaten mit dem fürchterlichsten Kaffee der Welt bis zum Fahrstuhl. Kann ich aber nicht.30222061_1646058865488804_8645839277894139904_o

Ich hab das Gelände verlassen, hab mir einen besseren Mutkaffee besorgt und startete meinen zweiten Anlauf. Der glückte dann auch.

Der Klos im Hals kam trotzdem immer wieder.

Morgen bekommt unser Held erneut seine Chemoinfusion vom 2.Zyklus. Danach, vermutlich am späten Nachmittag oder Abend darf er bis Sonntagabend nach Hause. Am Wochenende passiert sowieso nix. Den Kindern habe ich noch nichts gesagt, sicher ist sicher. Wenn alles gut klappt werden wir ein Eis essen, ein riesengroßes Mit vielen bunten Streuseln und Schokosoße.

Am Sonntagabend geht unser Held zurück in die Klinik. Dort warten nächste Woche noch einige Untersuchungen und neue Behandlungen auf ihn. Wir hoffen auch, dass der Befund der Biopsie bald da sein wird. Und auch wenn es unwarscheinlich ist, hoffen wir darauf das Igor nur mit Kunibert verwand ist und keinen eigenen Stamm hat…

In zwei Wochen hat die Einhornbändigerin Geburtstag. Solangsam kriecht das Gefühl hoch, dass es ähnlich sein wird wie letztes Jahr; ohne Papaheld. Aber wer weiß, irgendwann wird uns das Glück doch auch mal wieder finden, oder?20170808_131545

Nun sitze ich hier, der kleine Batman schläft und ist ganz stolz dass noch mehr Urzeitkrebse in seinem Becken geschlüpft sind. Vielleicht nenne ich einfach einen Igor und einen Kunibert. Urzeitkrebse leben nämlich nur 6-12 Wochen.

10 Gedanken zu „Ich würde so gern…; Heldenupdate

  1. Hallo liebe Überheldin….
    Ja du bist meine Super-Duper-Überheldin!!!
    Wie viele hier kennen auch wir uns nicht persönlich.
    Ich verfolge eure Geschichte nun etwas länger und ich muss dir nun doch mal etwas schreiben.
    Jeden Abend erwarte ich fiebernd deinen Bericht.
    Die letzte Zeit mit immer zunehmender Sorge. Das gebe ich zu.
    Manchmal mit regelrechter Furcht, den neuen Post zu öffnrn,aus Angst das schlimmste könnte eingetreten sein.
    Dann lese ich deinen Text, den du mit soviel Herz, Ehrlichkeit und Mühe schreibst.
    Und das pünktlich und Zuverlässig.
    Das bewundere ich sehr.
    Und leider entwickelt sich weiterhin alles in die völlig falsche Richtung.
    Ich kann nur erahnen was du bzw ihr durchlebt.
    Man hat im leben viele verschiedene Arten von Schmerz erfahren…das bringt das leben leider mit sich.
    Diesen Schmerz den Du jedoch so lange erleidest, die Hilflosigkeit, die Verzweiflung und nun auch noch die Resignation…können nur wenige Nachvollziehen.
    Ich persönlich kann es nicht, da ich dieses so nicht erleben musste.
    Das gebe ich zu. Daher denke ich reichen keine Zusprüche wie halte durch oder bleibe stark.Nein!
    ICH habe derzeit den Eindruck, als würde jeden Tag ein kleiner Teil von Dir sterben.
    Es macht mich wahnsinnig traurig das man nichts tun kann.
    Und ja….du leidest….und es wäre falsch das nicht zuzugeben.
    Es ist menschlich….du bist ein Mensch mit Gefühlen, Ängsten und Hoffnungen.
    Steh dazu und lass es raus.
    Es ist nicht verwerflich das du zwei Anläufe brauchst um eine Tür zu betreten….und wenn es 10 sind….du kämpfst trotzdem weiter.
    Ich würde dich gerne einfach fest drücken….halten….denn Worte können nicht das ausdrücken was ich dir sagen wollen würde.
    Verlier dich nicht liebe Überheldin…versuche auch auf dich acht zu geben.
    Liebe Grüße MO

    1. Du sind so schöne Worte. Du sprichst mir aus der Seele.
      Ich musste mit meinen Gefühlen kämpfen beim lesen…

  2. Die Stärke zeigt sich nicht darin, dass man alles schultert und nie Schwächephasen hat, sondern, dass man kämpft. Und einen zweiten (oder auch dritten, vierten oder fünften…) Anlauf nimmt, um durch die Tür zu gehen.

    Ich denke an Euch

  3. Liebe Ines,

    seitdem ich den Namen Kunibert im Zusammenhang mit eurem Schiksal lese, habe ich ein unbestimmt ambivalentes Verhältnis zu diesem Namen.

    Nach über einem Jahr ist mir schlussendlich bewusst geworden wieso:
    Vor nun mehr 30 Jahren musste ich als kleiner Steppke wegen meines Asthmas zum wiederholten Male in eine Kur der DDR. Und dort gab es in Comics, Geschichten usw. das Gesundheitsmännchen Kunibert, dass uns erklärte was wir tun müssen um gesund zu bleiben, wie wir richtig Zähne putzen und was wir essen sollten und was nicht. Kunibert war ein wohlgesonnener Begleiter meiner Kindheitserinnerungen. Ich glaube irgendwo habe ich auch noch Bilder von Kunibert.

    Ich nehme an euer Kunibert ist sein böser Zwilling 🙁 Hoffentlich bekommt er noch mal Besuch von seinem Bruder!

    Wir sind hier in Gedanken bei euch,
    aller liebste Grüße von Mirko und Alena!

  4. Du bist für mich ne Heldin! Und auch Helden dürfen traurig, verzweifelt, wütend sein. Das ist keine „Schwäche“, das ist menschlich. Es muss raus, sonst gehst du kaputt. Ich bewundere dich für deine Stärke, deinen Mut, mit der du euer Schicksal meisterst. Auch wenn dir das im Moment nicht wirklich hilft, aber vergiss bitte nicht, was du/ ihr alles gemeistert habt!
    Ich lese deinen Blog, verfolge ihn. Und das was du schreibst, und wie du es schreibst, gibt mit Sicherheit ganz vielen Menschen da draußen Kraft und Stärke mit der eigenen Situation umzugehen.
    Fühl dich fest umarmt und gedrückt!!

  5. Liebe Heldenfamilie,
    Ich wünsche Euch Kraft und ein Wunder, denn das wäre fair. Dein Blog gab mir Kraft wieder aufzustehen.
    Das Monster, das in meinem Mann wohnt, heisst Koronare Herzkrankheit und hat uns letzten Monat den zweiten Herzinfarkt beschert. Mit Kunibert und Co kenne ich mich auch aus, meine Mama ist vor 9 Monaten an Darmkrebs gestorben und mein Vater kämpft grade gegen seinen Lungenkrebs.
    Auch wenn es bestimmt komisch klingt, aber das Du durchhälst, hat mir auch wieder Mut gemacht. Mut ist übrigens nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Überwindung von Angst. Dass Du durch diese Krankenhaustür gegangen bist, beweist wie mutig Du bist.
    Dein Mann und Deine Kinder können stolz sein, eine so starke Mutter zu haben. Du bist stark, auch wenn Du weinen musst. Das Zugeben von Schwäche erfordert nämlich Stärke, in dieser Zeit, in der wir alle perfekt funktionieren müssen.
    Ich wünsche Euch für dieses Wochenende ganz viel Qualitätszeit, die sich so lang anfühlt, wie das endlose Warten auf Ärzte, im Wartezimmer, auf Ergebnisse etc.
    Die Kinder und ich werden das Wochenende auch ähnlich verbringen, meinen Mann hole ich auch heute von der Reha nach Hause.
    Alles Liebe für Euch und so viel gemeinsame Zeit wie möglich!

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