Mein lieber Held,
heute ist unser 16. Hochzeitstag, zumindest in unserer Zeitrechnung. Wir wollten Silberhochzeit feiern, darum beschlossen wir, unseren Hochzeitstag einfach monatlich zu zelebrieren. Bis zur 25 haben wir es dennoch nicht zusammen geschafft. Knapp zwei Wochen nach unserem 12. Jubiläumstag, unserem ersten richtigen Hochzeitstag, bis Du in den Himmel geflogen.
Es wird Herbst mein Held. Eine Jahreszeit, die Du immer ganz schön gefunden hast. Die Hitze des Sommers war nie Deins, Du mochtest es, wenn die Temperaturen wieder kühler wurden. Ich habe inzwischen meine Winterjacke aus dem Schrank geholt, denn ich friere. Deine Jacke hängt noch dort, als würde sie darauf warten, von Dir angezogen zu werden. Du aber wirst sie nicht mehr brauchen.
Seitdem die Tage kürzer und die Temperaturen kälter werden, vermisse ich Dich noch ein wenig mehr. Ich kann das gar nicht beschreiben. Wenn ich draußen unterwegs bin und meine Hände schon jetzt zu Eis gefrieren, vermisse ich Deine warmen Jackentaschen, in die ich sie dann immer gesteckt habe. Ich habe auch das Gefühl, dass die Abende immer länger werden. Dieses Gefühl der Leere ist da und es will einfach nicht ziehen. Kannst Du mir sagen, wann das besser wird? Manchmal gibt es Tage, die eigentlich ganz gut starten und plötzlich scheint es mich zu überrollen.
Über unserem Sofa hängt unser Familienfoto, das ganz große auf der Leinwand. Es gibt eine ganze Fotoreihe davon. Eines der Bilder zierte den DKMS-Flyer, als wir einen Stammzellspender für Dich gesucht haben, erinnerst Du Dich? Im Moment kann ich es kaum ansehen, weil es an eine Zeit erinnert, in der die Hoffnung für uns umsonst gewesen ist. Aber ein Familienbild soll da trotzdem bleiben. Familie sind wir; zu viert. Daran hat sich nichts geändert. Ich lass mir da was einfallen, Ein neues Bild muss her, Du aber darfst darauf nicht fehlen.
Am Wochenende haben die Kinder und ich den Keller weiter gestrichen. Etwas von dem Pastell Lila ist übrig geblieben. Letzte Nacht konnte ich nicht schlafen und hatte das Bedürfnis etwas zu tun. Die Ecke über unserem Esstisch hatte noch immer die Farbe vom Vormieter. Und es sind einige Bohrlöcher dazu gekommen, denn das Regal ist vor einigen Wochen von der Wand „gefallen“. Die Löcher habe ich verschlossen und letzte Nacht mit der Farbe darüber gestrichen. Auf dem Farbdeckel steht Malve, Du würdest vermutlich „Rosa“ dazu sagen. Wir finden, dass es ganz toll aussieht. Deine Pflanzen leben auch noch, sie scheinen sehr widerstandsfähig zu sein.
Heute Abend werde ich Dir einen Luftballon schicken. Heute Abend werde nur ich das tun, wenn die Kinder bereits im Bett sind. Es ist also eine Date zwischen uns mein Held. Ein bisschen wie früher. Leider nur ein bisschen. Ich fühl mich manchmal ganz schön allein so ohne Dich. Aber andere Menschen, außer weniger Ausnahmen, möchte ich auch nicht um mich herum. Ich bin kompliziert, das weißt Du ja. Das war ich schon immer. Mir graut es vor dem Dezember, wie soll das nur gehen? Wenn Du das kannst, bitte schick mir doch etwas Kraft zu, damit dieser Monat schnell vorbei geht. Emma und ich werden Dir an Deinem Geburtstag Kuchen backen, den mit Mohn und Kirschen. Den mochtest Du doch so. Dann kommen wir Dich im Friedwald besuchen und essen ihn mit Dir zusammen, naja zumindest neben Dir. Wir vermissen Dich mein Held.
Am Wochenende waren wir auch bei Dir. Wir versuchen es mindestens einmal im Monat bei Dir zu sein und das erscheint uns manchmal schon zu wenig. Bisher hatten wir auch immer Glück mit dem Wetter. Am Sonntag strahlte die Sonne richtig, besonders auf Deinen Baum. Unsere Kinder spielten im Wald, schmückten Dich und zeigten Dir, wie gut sie im Bogenschießen geworden sind. Jedes Mal zeigen sie mir, wie gut die Entscheidung gewesen war, dass Du in einem Friedwald „leben“ darfst und nicht auf einem Friedhof. Die zwei Minihelden gehen eher unbefangen mit der Situation um, dass sie auf dem Boden Fangen spielen, in der Deine Erinnerungskapsel vergraben ist. Ich habe mich eine Zeitlang auf den Herbstboden gesetzt, an die Stelle rechts neben Deinem Baum. Dort liegt sie vergraben, etwa 1 Meter tief. Deine Erinnerungskapsel. Der kleine Batman hat mich gefragt, was alles in Deiner Erinnerungskapsel versteckt ist. Die Wahrheit sagte ich ihm nicht. Ich erzählte ihm, dass dort die wichtigsten Dinge von Dir drin sind. „Aha, also Papas Brille. Seine Sehkraft war doch nicht so gut“ Ich stimmte ihm zu.
Mein geliebter Held, wenn Du doch nur sehen könntest wie groß unsere Heldenkinder geworden sind, wie mutig, tapfer und lebensfroh sie lachen können. Du würdest vor Stolz platzen, ich bin mir ganz sicher.
Gestern hat es die ganze Zeit geregnet, es war kalt und stürmisch. Ich stand am Abend trotzdem auf unserer Terrasse, nur um die kalte Luft im Gesicht zu spüren. Weißt Du mein Schatz, ich denke, dass wir zurecht kommen. Aber am Abend und hin und wieder auch zwischendurch da kann ich kaum atmen. Es ist nun schon fast vier Monate her, dass Du Kunibert besiegt und Deinen Frieden gefunden hast. Und noch immer gibt es diese Momente.
Es geschehen aber auch Dinge, die ich mich hätte nie zu träumen gewagt. Schon bald kann ich Dir mehr dazu erzählen. Einer Deiner letzten Wünsche mein Held, ich kann ihn Dir erfüllen. Auch wenn Du es nicht mehr mit mir zusammen erleben kannst. Du bist doch immer da. Die Lampe über unserem Esstisch flackert immer noch, Vorhin meinte Emma „Papa, hör auf damit, das ist doch nervig“, die Lampe hörte auf zu flackern. Jetzt leuchtet sie einfach. Danke an dieser Stelle mein Held.
Geliebter Simon, irgendwann wird es soweit sein. Irgendwann kann ich mir unser Hochzeitsalbum ansehen und mich einfach darüber freuen, eine so grandiose Hochzeit gefeiert zu haben. Irgendwann kann ich einfach nur dankbar dafür sein, Dich geheiratet zu haben. Die 25 Monate haben wir nicht geschafft, dabei glaubten wir ganz fest an unsere „Silberhochzeit“. Feiern werden wir sie trotzdem, versprochen ist versprochen mein Held. Heute ist unser „16. Hochzeitstag“, 16 Monate sind wir auch vor dem Gesetz ein „Wir“. In Echtzeit sind es am 14.12. schon 10 Jahre. Wahnsinn, oder? Wir gingen 9,5 Jahren zusammen durch unser Leben und irgendwie tun wir das doch immer noch. Nur eben anders. Unser Date ist nun ein Luftballon, den ich Dir in den Himmel schicke, ich sehe ihm hinterher, trinke einen Schluck Kaffee aus Deiner Tasse und denk ganz doll an Dich.
Du bleibst mein Held.
Lieber Simon, auch wenn ich gerade zur Theatralik neige, mach Dir keine Sorgen. Du kennst uns doch. Und vor allem mich. Manchmal bemitleide ich mich einfach etwas zu viel selbst, nur um mir am Ende zu beweisen, dass ich es doch kann. Ich vermisse Dich so sehr, etwas dergleichen musste ich noch nie fühlen. Und trotzdem mein Held, ich pack das, ganz sicher. Hulk bin ich leider nicht, ein kleines Mäuschen aber auch nicht.
Ich lieb Dich mein Held, ganz viel. Alles Liebe zum 16. kleinen Hochzeitstag. Rock den Himmel mein Held.
#Luftballonsfürsimon
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