Heute vor vier Jahren waren wir froh, dass Halloween endlich hinter uns lag. Der kleine Heldensohn war zwei Jahre alt und hatte panische Angst. Die Nächte danach waren geprägt von Alpträumen.
Heute vor 4 Jahren stellten wir fest, dass wir wahnsinnig alt geworden waren. Wir hatten Falten bekommen. Es gab Fettpölsterchen, wo es zuvor noch keine gegeben hatte. Wir gingen nicht mehr so häufig ins Kino. Und von Feiern rede ich erst gar nicht. Der Babysitter war einfach zu teuer und außerdem waren wir viel zu müde.
Heute vor vier Jahren glaubten wir daran, Kunibert zum Teufel gejagt zu haben. Er verhielt sich ruhig und wir waren der festen Überzeugung, dass es noch eine ganze Weile so bleiben wird.
Heute vor vier Jahren habe ich neben Dir gesessen. Wir haben gestritten; darüber, dass die Kinder geimpft werden müssen und wer bei ihnen zu Hause bleibt, wenn das Fieber kommt. Wir stritten und wir einigten uns. Irgendwann. Mitten in der Nacht.
Heute ist der 5.11.2018. Es ist 21.18 Uhr. Heute vor vier Monaten habe ich auch neben Dir gesessen. Wir stritten nicht, stattdessen schwieg ich. Heute vor vier Monaten starrte ich den dicken Schlauch in Deinem Mund an, der mit einer Maschine verbunden war, die für Dich geatmet hat. Heute vor vier Monaten, dachte ich an viele Momente in den letzten Jahren. Ich dachte an unsere Streitereien, wie unnötig sie gewesen sind. Ich erinnerte mich an Umarmungen und an Deine Hand, wenn sie meine hielt. Heute vor 4 Monaten habe ich Dir die schönsten Flügel gewünscht. Ich hoffte auf wenig Wolken, damit Du den Weg in den Himmel einfacher finden kannst. Heute vor 4 Monaten warst Du dabei, Dich auf den Weg zu machen. Auf den Weg in Deinen Frieden, in eine Zeit ohne Zeit. In eine Zeit ohne Schmerzen. Heute vor vier Monaten machte ich mich auf den Weg in ein Leben ohne Dich. Etwas vor dem ich immer Angst hatte. Etwas von dem ich glaubte, das nicht überleben zu können. Ein Weg, der mir so entsetzlich steinig vorkam, dass ich mir nicht vorstellen konnte, ihn auch gehen zu können.
Heute vor vier Monaten saß ich neben Deinem Bett. Dein Brustkorb hob und senkte sich immer seltener. Dein Heldenherz war schwach, Deine Lunge hatte bereits aufgegeben. Heute vor vier Monaten hast Du den schwersten Kampf Deines Lebens geführt. Und ich bin so stolz auf Dich, dass Du ihn gewonnen hast. Du konntest loslassen und ich weiß ganz genau, wie schwer es Dir gefallen ist.
Heute sitze ich hier, allein. Hinter mir hängt unser Familienbild. Der Weg ist so steinig, wie ich es mir vorgestellt habe. Meine Ohren hören ähnliche Dinge, wie vor vier Monaten. „Tue dies“, „Denk daran“, „sei Stark“, „vergesse nicht dass“, „warst Du schon…“, „Du musst“, „versuche mal das“.
Ich mach das. Alles. Zumindest versuche ich es, genauso wie vor vier Monaten, wie vor 6 Monaten oder auch vor 8 Monaten. Damals war ich eine Krake mit vielen Armen, die vieles stemmen und zeitgleich machen konnten. Ich war wie eine Spinne, mit vielen Beinen, die mich überall hingebracht haben. Heute, vier Monate später sind die Arme abgebrochen und die Beine kraftlos. Aber ich mache es trotzdem. Alles. Denn „ich muss“.
Die nächste Impfung beim kleinen Batman steht an. Immerhin müssen wir nicht streiten, wer danach mit ihm zu Hause bleibt.
Heute vor vier Jahren hatte ich Angst. Heute vor vier Monaten hatte ich Gewissheit. Heute habe ich Beides. Heute kann ich Dir aber auch sagen, dass ich noch lebe, dass ich Deinen Frieden überlebe, auch wenn meine Brust manchmal so zugeschnürt ist, wie Deine es am Ende war.
Heute vor vier Monaten wusste ich nicht wie. Heute weiß ich das immer noch nicht, aber ich lerne zu improvisieren.
Heute vor vier Jahren habe ich unsere Streitigkeiten gehasst. Heute vor vier Monaten habe ich mir gewünscht, weiterhin mit Dir streiten zu können. Heute vermisse ich sie.
Heute vor vier Jahren war ich die, die immer reden wollte, die die immer alles ausdiskutieren musste. Heute vor vier Monaten schwieg ich. Andere Lieblingsmenschen um Dich herum haben mit Dir geredet, Dich berührt, sich verabschiedet. Ich schwieg. Ich saß an Deinem Fußende, starrte diesen Schlauch an, dann die Monitore, um dann wieder zum Schlauch zurück zu kommen. Ich berührte Dich erst 5 Minuten bevor Du in den Himmel geflogen bist. Geredet habe ich mit Dir, als Du bereits weg warst, Dein Brustkorb sich nicht mehr hob und der Monitor mit dem furchtbaren Piepen aufgehört hat. Ich weiß nicht, ob Du mich wahrgenommen hast. Bitte endschuldige, dass ich in diesem Moment nicht näher bei Dir war. Abschiede waren noch nie meine Stärke.
Heute vor vier Monaten warst Du mutig. Heute vor vier Monaten warst Du unheimlich stark. Heute vor vier Monaten bist Du einen Weg gegangen, vor dem auch Du immer Angst hattest. Heute versuche ich, unseren Weg zu ebnen, den Weg für die Kinder und mich. Heute gehe ich ihn ohne Dich.
Heute vermisse ich Dich.
Heute vor vier Jahren hab ich Dich geliebt. Heute vor vier Monaten hab ich Dich geliebt. Heute liebe ich Dich auch. Heute vor vier Jahren konnte ich Dir das sagen. Heute vor vier Monaten fehlte meine Stimme dazu. Heute schicke ich Dir einen Luftballon in den Himmel.
Mach es Dir schön dort oben. Grüß die Wolken von uns, und sag ihnen, dass sie immer etwas Platz lassen sollen, damit Du runter sehen kannst.
Rock den Himmel mein Held
Du schreibst so wundervoll ❤❤❤
So traurig…so ehrlich…so liebevoll…so stark… 🎈🎈🎈
Ich freue mich so sehr auf dein Buch ❤❤❤
Höre nie auf mit dem Schreiben ☀️☀️☀️
Rock den Tag und such dir die schönste und größte Lücke die du finden kannst ❤🎈❤🎈❤
Ich hab einen dicken Kloß im Hals und Tränen im Auge…
Ich weiß jetzt schon, dass dein Buch einen besonderen Platz in meinem Regal bekommt.
Liebe Ines,
Es war wieder ein sehr emotionaler Einblick in dein Leben und deine Gefühlswelt. Danke dafür. Ich würde dir jetzt gerne irgendwas schreiben, aber mir fehlen wiedermal die Worte.Die üblichen Floskeln möchte ich nicht benutzen. Deswegen schicke ich dir eine Umarmung und ein dickes Danke für deinen Blog. LG Kerstin 🌟🎈🌟🎈🌟🎈🌟🎈🌟
Ich lese deinen Beitrag grad zum zweiten Mal und mir fällt noch was ein.
Vielleicht hast du in dem Moment seines Sieges nicht mit ihm geredet sondern danach…Aber vergiss nicht….Simon hat DICH anrufen lassen als er Angst hatte weil er nicht wusste was auf ihn zukommt…..DU hast ihm die Angst genommen,ihm gesagt das alles gut wird und das du ihn liebst ❤ Das ist ein Geschenk und alles was zählt ❤
Ihr ward alle da und Simon war nicht allein als er Flügel bekam 👍🎈🎈🎈🎈🎈🎈