Wie ist das eigentlich mit der Bürokratie, wenn der Partner stirbt

Es sind ja einige Eltern unter Euch, oder? Dann kennt Ihr die Ratschläge, sämtliche Formulare, die nach der Geburt wichtig sind, bereits im Vorfeld auszufüllen: Elterngeld, Kindergeld, evtl. Vaterschaftsanerkennung und die Erklärung der elterlichen Sorge. Damit nach der Geburt nicht alles auf einmal kommt. Schließlich braucht Ihr Zeit, um zueinander zu finden, um Euch zu erholen und ähnliches.

Im Falle eines Todesfalls ähneln sich viele dieser Dinge. Wenn ein Baby geboren wird, ist oft die erste Frage „Ist es wirklich ein Junge/Mädchen?“, oder „Sind alle 5 Finger an einer Hand?“ oder „Wie heißt er/ sie denn?“.

Am 6.7.2018 kam der wirklich nette Arzt der Intensivstation das letzte mal in das Heldenzimmer. Er sagte nicht „Herzlichen Glückwunsch“ sondern „Es tut mir sehr leid, Herr G. ist verstorben“. Der Arzt stellte den Tod fest. Noch im gleichen Atemzug fuhr er fort: „Es tut mir leid, ich muss das jetzt fragen, wünschen sie eine Obduktion?“. Ich antwortete mit einem Kopfschütteln. Danach fragte er mich, ob ich mich schon um ein Bestattungsunternehmen gekümmert hätte, sonst würden sie eins informieren.37969512_1782505831844106_3732343833107628032_n

Natürlich hatte ich das nicht. Natürlich hatte ich gar nichts. Auch wenn der Tod von Simon seit einiger Zeit abzusehen war, rechnete ich nicht damit, dass unser Held die Klinik nicht mehr verlassen würde.

Naiv könnte man meinen. Und im Grunde war es das auch, wie so viele Dinge, die wir taten oder eben nicht taten. Es hätte Sinn gemacht, sich mit dieser Frage bereits im Vorfeld zu beschäftigen.

Ich kümmerte mich im Vorfeld nicht um einen Bestatter. Ich hatte keine Ahnung davon. Ich hatte gruselige Vorstellungen von Menschen, die diesen Job ausüben. Menschen in schwarz, die langsam vor sich hin schleichen, noch langsamer sprechen. Sie wären sicher kreideweiß im Gesicht, absolut abgeklärt und den Satz „Mein Beileid“ könnten sie in allen Sprachen dieser Welt auswendig. Ein Hoch auf meine Vorurteile.32584789_1684062658355091_2713660706703540224_n

Das Schicksal aber meinte es gut mit mir. Denn die Bestatter fanden uns. Sie lesen diesen Blog und eine gute Freundin hatte bereits im Vorfeld Kontakt aufgebaut. Damit hatte ich nicht nur eine riesige Sorge weniger, sondern konnte auch meine Vorurteile abbauen. Liebe Silvana, lieber Tobi, habt soviel Dank für alles! Simon verstarb am Freitagmorgen um 0.02Uhr. Am Freitagvormittag telefonierte die besagte Freundin bereits mit Silvana, der Bestatterin. Am Samstag telefonierte erst der Heldenbruder mit ihr, später ich selbst.

Dann traf es mich wie ein Schlag. Das ganze was jetzt kommen wird, muss auch irgendwie bezahlt werden. Angefangen bei der Kühlung in der Klinik, über die Kosten für das Krematorium, den Sarg dafür, später die Urne, das Bestattungshaus selbst, den Friedwald und weiß Gott was noch alles. Sterben ist teuer. Und wenn man so wenig vorbereitet ist, wie wir es waren, erst recht. Ich sagte bereits: Naivität war einer unserer besten Freunde. Silvana, ein Goldstück im übrigen, erzählte mir von verschiedenen Möglichkeiten der Finanzierung. Wir verabredeten uns für Montag. Bis dahin sollte ich Unterlage x, Versicherung y, Schreiben z und einige andere Sachen raussuchen.37102574_1759548174139872_9047449197158072320_n

Plötzlich soll das Hirn funktionieren, obwohl doch eigentlich gar nichts geht. Am Samstag halfen mir zwei Herzensmenschen beim durchwühlen der Aktenberge, so dass ich Montag alles beisammen hatte.

Das Bestattungsinstitut übernimmt einige Dinge, wie die Abmeldung beim Einwohnermeldeamt, bei der Krankenkasse und diversen weiteren Stellen. Sie informieren auch den Träger der Lebensversicherung, insofern es eine gibt und klären über Hinterbliebenenrente auf.

Die To Do Liste schien endlos. Viele Verträge müssen gekündigt werden, Handys, Abos usw. Der Arbeitgeber hatte einige Fragen und bei der Krankenkasse wollte ich auch noch einige Dinge geltend machen. Nebenbei läuft die Vorbereitung auf die Beisetzung. In unserem Fall hieß das, Kontakt zum Friedwald aufnehmen, Baum aussuchen und weitere Modalitäten klären. 38018518_1782495328511823_387680983840718848_n

Ich erzählte Euch bereits, dass ich zwar diverse Vollmachten von Simon hatte, aber eine Bankvollmacht war nicht dabei (Wir hatten drei Konten, ein gemeinsames und jeder seins). Das war recht ungünstig, weil ich dadurch absolut handlungsunfähig war. Ich konnte das Konto weder sperren, einfrieren noch Daueraufträge oder Einzugsermächtigungen stoppen. Nix.

Um dies tun zu können brauchte ich einen Erbschein. Für die Beantragung eines Erbscheins brauchte ich zunächst die Sterbeurkunde. Diese wird durch den Totenschein und den Bestatter beantragt. Ich hielt ihn nach ca. 6 Wochen in meinen Händen. Ohne Sterbeurkunde geht nix. Ich konnte keine Verträge kündigen. Einige Vertragspartner wollten gar den Erbschein sehen. Jackpot. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit für den Erbschein liegt in Berlin bei etwa 6-9 Monaten. Falls Ihr einmal in diese schwierige Situation kommen solltet, hier ein kleiner Hinweis bzw. Tipp: Beantragt den Erbschein nicht selbst beim Amtsgericht. Geht stattdessen zu einem Notar. Die Kosten für diesen Menschen sind abhängig von dem, was ihr habt bzw. was der Erblasser zu verzeichnen hat. Der Notar beantragt dann den Erbschein beim Amtsgericht und kann, wenn es tatsächlich länger dauert, „nachhaken“. In meinem Fall dauerte das Prozedere durch diese Hilfe nur knapp drei Wochen. Durch diesen Schein konnte ich Simons Konten lösen und sämtliche Daueraufträge und Co. endlich stoppen. Der Erbschein kostet selbstverständlich auch Geld…nicht wenig. Vom Restgeld auf Simons Konto habe ich noch nichts gesehen.30122311_1643982419029782_372860070_o

Eine weitere Baustelle ist nach wie vor die Hinterbliebenenrente für den kleinen Batman und mich. Beantragt habe ich die noch im Juli, im August oder September wurden Unterlagen nachgefordert. Seitdem ist Stille, absolute Stille. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit beträgt in Berlin derzeitig 6 Monate.  Die Anträge und dazugehörigen Unterlagen waren so viel, dass es kaum in einen Briefumschlag passte. Es glich eher einem Päckchen. Postsendung Nummer eins enthielt knapp 50 Seiten, die zweite etwa ähnlich viele.

Bis heute habe ich keine Ahnung, was und ob uns überhaupt etwas zusteht. Leo ja, meinen Berechnungen zu Folge gerade noch ganz knapp dreistellig. Wie es bei mir aussieht weiß ich nicht, da wir erst 12 Monate verheiratet waren und mein Gehalt gegengerechnet wird. Mal sehen.

In der Zwischenzeit habe ich nahezu alle Vertragspartner von Simon kontaktiert. Es ist ein Standardschreiben, in dem ich das „Problem“ schildere. Einige Anbieter haben Verträge fristlos und aus Kulanz gekündigt, andere nicht. Wieder andere haben noch immer nicht verstanden, dass es dieses Konto vom Helden nicht mehr gibt. Sie versuchen immer wieder abzubuchen und ich bekomme Mahnungen. Yeay. 32559400_1684063055021718_3779623271188660224_n

Versicherungen müssen auch angepasst und in unserem Fall zum Teil auch umgeschrieben werden, da nun nur noch ich Vertragspartner bin. Der Mietvertrag musste angepasst und nur auf mich ausgeschrieben werden. Strom, Gas, Müll, GEZ natürlich auch.

Von Zuzahlungen für die Krankenkasse, sarkastischen Medikamentenzusagen nach Simons Tod oder noch besser: Ablehnung von Kosten von bereits durchgeführten Therapien oder gelieferten Hilfsmitteln erzählte ich bereits.

Es sind fast 5 Monate vergangen und noch immer ist so einiges sehr unklar.

Ihr Lieben, falls ihr irgendwann einmal in solch eine Situation kommt: Ihr braucht einen langen Atem, auch wenn das Atmen gerade dann fast unmöglich zu sein scheint. Und auch wenn es unbequem ist…Falls der Tod eines Lieblingsmenschen absehbar ist, kümmert Euch bereits im Vorfeld um diverse Dinge. Einen Bestatter zum Beispiel. Ich hatte das unendliche Glück auf das Bestattungshaus Lundie zu treffen. Ich hatte so, so Glück, dass sie uns gefunden haben. Ich hatte Glück, dass sie so unglaublich empathische Menschen sind und alles andere als abgeklärt wirkten. Ich hatte Glück, weil ich mich 5 Tage nach Simons Tod nochmal von ihm verabschieden konnte. Unser Held lag im Sarg, die Hände gefaltet. Er trug seine Lieblingsklamotten, sein geliebtes Basecap. Ich konnte ihm Sachen in den Sarg legen, die zusammen mit ihm ins Krematorium gefahren sind. Ich konnte ihn ein letztes Mal berühren, ihm versprechen dass ich alles menschenmögliche tun werde, das einzuhalten, was wir abgemacht hatten. Silvana, die Bestatterin war nicht kreideweiß im Gesicht, sie lief nicht im Schneckentempo und redete auch nicht seltsam. Stattdessen hatte sie Zauberkräfte, die aus einem von Kunibert zerfressendem Körper optisch wieder den Mann gemacht haben, in den ich mich vor fast 10 Jahren verliebt habe. Diese Frau und ihr Mann sind unglaublich, und ich habe keine Ahnung womit wir Menschen wie sie verdient haben. Es war so viel mehr als Glück.33837624_1697138343714189_1623873129698820096_n

Ihr Lieben, sobald Kinder im Spiel sind, ist ein empathischer Bestatter besonders wichtig. Kümmert Euch im Vorfeld. Nicht jeder hat so spontanes Glück wie wir.

Ich habe keine Ahnung, wann diese ganzen bürokratischen Dinge endlich abgeschlossen sind. Ich hoffe bald. Ihr Lieben, holt Euch im Worst Case Unterstützung. Allein ist das alles kaum stemmbar. Ich bin nicht nur einmal an all dem Schriftkram verzweifelt, und noch immer nicht am Ende.

Auch dieser Post enthält Werbung weil ich Euch von „unserem“ Bestattungshaus erzähle und auch verlinke. Dies geschieht unbezahlt, ungefragt und ist keine Kooperation. Ich mache das, weil ich dankbar bin. Ich mache das, weil ich glaube, dass es nicht so einfach ist, ein gutes Institut zu finden.

Darum nochmal aus tiefstem Herzen DANKE!

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3 Gedanken zu „Wie ist das eigentlich mit der Bürokratie, wenn der Partner stirbt

  1. Ich habe einen Klos im Hals 😢es ist schön das ihr so ein Glück hattet ❤unsere Erlebnisse mit Bestattern wünsche ich niemandem 👎
    Liebe Ines…Danke….danke für deine liebevollen Texte und für dein Aufmerksamkeit machen für wirklich wichtige Dinge und das in deiner Situation 👌DU BIST GROßARTIG 🎈

    1. Hallo Ines,
      ich verfolge seit einiger Zeit deinen Blog. Ich – wir – sind in einer fast ähnlichen Situation. Seit dem 8. September zu dritt. Auch der verdammte Krebs, der Monate nicht entdeckt wurde… . Aber 3 Tage vor dem Tod gab es die Diagnose. Das war jedoch alles zu spät!!! Meine Kinder sind allerdings schon 12 und 16, ach nein, 17 Jahre alt. Haben also den 1. Geburtstag ohne Ehemann/Vater bewältigt. Das ganze ist total hart und die Bürokratie nimmt, wie du schon sagst, überhaupt kein Ende,.. .
      Fast alles, was du so schrebst, kann ich nur so bestätigen.
      Das wollte ich dir nur mal mitteilen. Weiterhin viel Kraft!!!

      Liebe Grüße,
      Steffi

  2. Es ist wirklich wahnsinnig viel, was alles erledigt werden muss. Ich habe zum Glück keinen Partner verloren, aber mich mit um die Sachen meiner Schwiegermutter gekümmert, nachdem mein Schwiegervater vor fast drei Jahren verstorben ist. Zum Glück hatten sie einen Erbvertrag, so ging es mit einigen Dingen sehr viel schneller. Die Dinge mit der Rentenkasse und den Konten, konnten so ziemlich zügig geklärt werden.
    Trotzdem gab es ein paar Abbuchungen, Verträge usw. von denen wir erst nach und nach, in den Monaten darauf, erfahren haben und etwas ändern konnten.
    Für uns haben wir damals beschlossen, uns auch endlich um unsere Angelegenheiten zu kümmern, für den Fall der Fälle.
    Wir haben ein gemeinsames Testament verfasst, (was gerade als Patchworkfamilie manchmal sehr wichtig ist) – aber nur handschriftlich ohne Beglaubigung.
    Dafür aber haben wir uns gegenseitig Generalvollmachten erteilt, die notariell beglaubigt wurden und die auch gleich Betreuungs- und Patientenverfügung mit enthalten, sowie eine dritte Person mit eingebunden, falls uns evtl. gemeinsam gleichzeitig etwas passiert. Die Generalvollmacht gilt über den Tod hinaus.

    Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft, auch deinen Kindern. Ich finde auch, dass du das alles großartig machst. Trotzdem hoffe ich, dass du auch eine Schulter zum Ausweinen hast, denn es gibt sicher auch ganz viele Stunden, wo du die brauchen kannst.
    Liebe Grüße…
    G.

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