Du bist mutig weil…

Es gibt Dinge im Leben, die tut ein Mensch, weil er sie immer getan hat. Es sind Dinge, von denen der Mensch weiß, dass sie funktionieren.

Wir alle sind Gewohnheitstiere, machen wir uns nichts vor. Der Eine mehr, der Andere Weniger. Ich glaube, dass nicht nur ich ein Sicherheitsbedürfnis habe. Ich mag Dinge, die ich abschätzen kann. Ich mag Taten, von denen ich von Anfang an weiß, dass sie gut Enden werden.

Offene Enden machen mir Angst. Ich mag es nicht, Dinge nicht einschätzen zu können. Vermutlich ist das etwas, das mit meiner doch sehr lebendigen Vergangenheit zu tun hat.

Auch wenn in meinem Leben nicht immer alles geradlinig gelaufen ist, oft konnte ich zuvor einschätzen ob es gut gehen wird oder nicht . Nach der Grundschule bin ich auf die Realschule gegangen. Mit 16, noch vor meinem Abschluss bin ich aus Gründen, die ich schon mal kurz angedeutet habe ohne meine Familie nach Berlin gezogen. Hier habe ich meine mittlere Reife gemacht, dann bin ich auf das Gymnasium gewechselt, weil ich nicht wusste welche Ausbildung ich machen will. Das Abitur habe ich bestanden um danach Politik und Judaistik zu studieren. Ich studierte nur um danach zu beschließen doch Erzieherin werden zu wollen und startete eine Ausbildung. Zwischendrin wurde Emma geboren. Am Anfang war ich alleinerziehend. Ich änderte meine Richtung, wusste aber immer dass es richtig ist und gut gehen wird.

Dann kam Simon um die Ecke gebogen. Er war plötzlich einfach da, wie aus dem Nichts stand er plötzlich da. Mit diesem, Fotolächeln, ihr wisst schon. Und auch wenn ich es eigentlich gar nicht wollte, ich verliebte mich. Sehr.

3 Jahre später wurde ich mit dem kleinen Batman schwanger. Nach weiteren 6 Monaten wussten wir dass nicht nur ich einen Mitbewohner habe, sondern auch unser Held Simon. Und plötzlich war sie weg. Die Sicherheit. Am Anfang kämpfte ich sehr mit dem Verlust dieses Gefühls. Irgendwann aber bemerkte ich, dass das Wort „Sicherheit“ oft mehr Schein als Sein ist. Ich bin allein nach Berlin gezogen, war irgendwann alleinerziehend mitten im Studium/ später Ausbildung. Das hätte alles schief gehen können. Ist es aber nicht. Meine Ausbildung habe ich mit einer 1 vor dem Komma abgeschlossen. Ich vertraute immer darauf, dass das alles klappen wird. Dass was ich Sicherheit nannte war in Wirklichkeit Vertrauen. Vertrauen in mich selbst.

In den letzten 6,5 Jahren versuchte ich mich immer wieder daran erinnern. Denn so wirklich sicher ist nichts, rein gar nichts. Nicht das Dach über unserem Kopf oder der Job, der unseren Kühlschrank füllte. Simon war der Besserverdiener. Irgendwann fiel sein Gehalt auf Grund von Kunibert weg. Stattdessen gab es Krankengeld. Und mein Gehalt, zumindest solang bis ich selbst krankgeschrieben war.

In den letzten Jahren tat ich viele Dinge, von denen ich nicht die geringste Ahnung hatte. Kinder erziehen zum Beispiel, Beide mit einem kleinen Extra. Ich plante eine DKMS Registrierungsaktion, obwohl ich so ziemlich der chaotischste Mensch der Welt bin. Ihr wollt nicht wissen wie planlos ich manchmal bin… Es folgte diese Ebay Aktion und ein paar kleinere, andere Dinge. Ich hatte ständig Angst zu versagen. Ich hatte ständig Bedenken, dass nicht geregelt zu bekommen. Ich hatte Angst Erwartungen nicht zu entsprechen. Ich lernte einen erwachsenen Menschen zu pflegen und hatte permanent Angst ihn zu zerbrechen, ihm weh zu tun oder etwas falsches zu sagen.

Ich machte ständig Fehler. Immer. Das wollte ich nicht, weil ich perfekt sein wollte. Die Quittung dafür habe ich jetzt. Burn Out, Depression…und so weiter.

Jetzt sind wir noch zu dritt. Ein Platz Am Tisch bleibt leer. Manchmal setzt sich die Bulldogge drauf, wenn sie meint nicht genug Beachtung zu bekommen.

Und nun versuche ich mich bzw. uns komplett neu zu organisieren. Ich mache viele Dinge anders als früher. Und ich habe nicht die geringste Ahnung ob die funktionieren. Ich bewege mich manchmal auf Glatteis, während ich versuche neue Wege zu finden unser Leben weiterhin in diesem Haus zu ermöglichen.

Ich mache auch Dinge, von denen ich keinen Ahnung habe. Bloggen zum Beispiel, oder diese Geschichte mit dem Buch.

Ihr Lieben, mutig ist nicht der, der mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug springt. Also irgendwie schon. Aber richtig mutig seid ihr, wenn ihr Euch immer wieder bewusst macht, dass das Wort „Sicherheit“ oft nichts weiter als eine Floskel ist. Mutig seid ihr, wenn ihr versucht Euer Leben so zu drehen, dass es Euch gefällt, ohne dabei zu wissen ob der Weg der richtige ist. Ihr seid unzufrieden in Euerm aktuellen Job und entscheidet nochmal woanders von vorne anzufangen.

Ich wurde oft für Ideen belächelt, die ich so hatte. Die DKMS Aktion ist das beste Beispiel,

die Sache mit dem Buch ebenso. Aber auch als ich unsere Ernährung umgestellt habe oder damals nach dem Studium beschlossen habe doch etwas anderes machen zu wollen. Oder aber auch mein Versuch dieses Haus samt Hunden und Umfeld zu halten. Jetzt versuche ich erneut woanders Fuß zu fassen.

Einen Sicherheitsgurt gibt es nicht. Ein anderer Weg wäre vermutlich einfacher. Es mag Leichtsinnig sein, oder eben mutig. Denn ich weiß dass alles andere mich und vor allem die Heldenkinder nicht glücklich machen würde.

So lange Ihr Niemand Anderem schadet, macht Euch Euer Leben so wie es Euch gefällt. Ignoriert das Belächeln, oder kluge Kommentare, die Euch auf diesem Weg begegnen werden. Versucht herauszufinden was ihr wollt und steht dafür ein. Eine Portion Angst ist berechtigt, Respekt sowieso. Aber Sicher ist nichts. Nicht Euer Job, Nicht Euer Haus, Nicht der Mensch der Euch jeden Morgen einen Kuss gibt. Warum also nicht noch ein Wagnis mehr eingehen?

4 Gedanken zu „Du bist mutig weil…

  1. Ganz genau!!! Warum sein Glück immer auf später verschieben…
    Hör dir, wenn du magst, dazu mal das Lied „Oder an die Freude“ an, das beschreibt genau das!

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.