Manchmal ist es nicht so einfach mit uns Angehörigen. was sag ich da? Eigentlich ist es nie einfach. Dass wir anders sind, uns anders verhalten erzählte ich Euch bereits.
Folgender Text bezieht sich auf Angehörige von schwerst kranken Patienten und auch auf Angehörige eins Helden im Himmel. Denn eines haben wir alle gemeinsam. Wir brauchen Unterstützung. Zum Teil ganz banale. Als Simon in der Klinik lag und auch später als er bereits verstorben war tat ich vor allem eines; das Essen vergessen. Das Trinken vergessen. Hört sich lapidar an, war es auf Dauer aber nicht. Mich hat dieses ständige erinnern, dass ich doch etwas müsste genervt. Und dennoch…rückwirkend möchte ich mich genau dafür bedanken. Ich wäre sonst vermutlich umgekippt.
Besonders aber schlägt die Einsamkeit einem ins Gesicht. Mit voller Breitseite und ohne Rücksicht auf Verluste. Dass sich oft das soziale Umfeld, auch für Angehörige ändert sagte ich bereits. Ich habe mir Abends oft vorgestellt, dass die „Anderen“, auch wenn sie traurig sind irgendwen zu Hause hatten. Ich aber saß allein auf dem Sofa, konnte noch immer nicht fassen was da vor sich geht und bin förmlich versackt. Ich habe dennoch selten um Hilfe gebeten. zum Teil weil ich nicht noch mehr Menschen um mich vergraulen wollte, zum Teil aber auch weil Sätze wie „Das wird schon wieder“ oder „Schau nach vorn, du bist noch Jung“ einen Würgereiz in mir ausgelöst hatten.

Aber dann gab es sie, meine Alltagshelden. Die, die unangemeldet vor der standen, mit nem Schokibrötchen in der Hand und zusammen mit mir schwiegen. Aber es war Jemand da. Oder Andere, die Abends mit mir vor der Haustür gesessen und Pizza bestellt haben. Wenn ich wollte konnte ich über Simon reden. Wenn nicht dann nicht. Dann ging es um furchtbare Schuhe von Person x oder um die Tatsache, das mein Vorgarten extrem doof aussieht.Es waren Menschen, die mir beim sortieren von gefühlten 20 km hohen Aktenbergen geholfen haben, weil mein Gehirn nicht dazu in der Lage war. Oder Jemand der Nachts um keine Ahnung wann mit nem neuen Schreibtisch vor der Tür stand, weil der der Einhornbändigerin kaputt gegangen ist.
Es waren fast immer die Gleichen Menschen, die da waren. Von vor der Extremzeit mit Kunibert ist eigentlich kaum noch Jemand da. Aber es sind neue liebe Wesen dazu gekommen.
Seid da und versucht den schmalen Grad zwischen „ich bin da“ und „zu aufdringlich“ zu finden. Aber im Grunde kann man gar nichts falsch machen. Ignoranz aus Angst und Unsicherheit war das Schlimmste, auch wenn ich es mehr als gut verstehen kann.
Dieses „Da sein“ hört sich so einfach an, aber natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass es das gar nicht ist. Weil wir schwierig sind, manchmal sogar richtig ekelig und unfair. Ich zumindest war das und bin es zum Teil heute noch.Versucht das nicht an Euch heranzulassen. Wir meinen das nicht so, sind nur manchmal mit unserem Frust überfordert. Die tiefe Angst, der Verlust und die Trauer lösen eine Gefühlswelle aus, die ich so noch nicht kannte. Das überforderte mich und an einigen Tagen wusste ich einfach nicht wohin damit, wohin mit mir. Und dann wurde ich fies, auch zu meinem Umfeld. Weil ich überfordert war und Angst hatte sonst zu platzen.
Falls ihr Angehörige kennt, dann lasst das an Euch abprallen, sagt aber trotzdem dass das nicht in Ordnung ist. ein Feedback ist wichtig, damit wir merken, dass wir grade nicht sonderlich nett sind. Selbstreflexion war zu dieser Zeit zu mindestens nicht meine Stärke. Ich war dankbar, wenn mir da Jemand eine Bremse vorgesetzt hat ohne aber gleich zu flüchten. Das erfordert Mut. Und das ist nicht einfach.

Wenn es Kinder gibt. Nehmt sie doch einfach mal auf einen Ausflug mit geht ein Eis essen und ladet sie nur zum Spielen ein. Damit auch die Kleinen bemerken, dass es okay ist trotz allem Spaß zu haben. Dass es möglich ist einmal auszubrechen.
Manchmal vergessen Angehörige von schwer kranken Patienten die wichtigen Dinge. Und es bedarf einer kleinen Hilfestellung, sie daran zu erinnern. Ich habe immer versucht zu filtern. Dinge, die ich nicht ändern konnte anzunehmen. Ich habe versucht mich weniger um Dinge zu sorgen, die nicht in meiner Macht stehen. Wir wussten 6 Jahre lang, dass Simon nicht gesund werden kann. Wir hofften auf viel Zeit, wussten aber immer, dass unsere echte Silberhochzeit nicht geschehen wird. Ich wusste immer, dass ich unseren Helden überleben werde und versuchte genau darum nicht ständig die Gedanken dahin schweifen zu lassen. Ihr Lieben, je mehr Sorgen sich Angehörige machen, desto weniger Chance haben sie die wirklich schönen Dinge zu sehen, die es trotz allem gibt. Simon, die Heldenkinder und ich lebten. Wir lebten großartig, liebevoll und gepackt mit vielen Abenteuern. Auch wenn es eine andere Art des Lebens war, wir Bluttransfusionen und Chemotherapien in unserem Kalender zu stehen hatten. es war nicht immer alles nur schlimm. Wir fokussierten uns auf die Knospen, die im Frühling gewachsen sind, auf die Streusel auf dem Eis und jeden noch so kleinen Moment, den wir zusammen verbringen konnten. Wir feierten unseren Hochzeitstag monatlich. Der Pool steht seit letztem Jahr im Sommer, weil wir nicht einfach so zum See fahren konnten. Dank Euch gibt es sogar jede Menge Schwimmtiere und Zubehör dazu. Habt vielen dank ihr Lieben.
Auch wenn mir genau diese Denkweise in der letzten Zeit selbst schwer fällt, glaube ich dass es die einzig wahre Möglichkeit ist, nicht an all dem kaputt zu gehen.
Unterstützt Angehörige. Erinnert sie an die schönen Dinge. Bestärkt sie darin einige Vorhaben nicht aufzuschieben, sondern sofort umzusetzen. Ich denke da an unsere Schaukelstühle auf der Terrasse in denen wir später mal unseren Enkelkindern beim Spielen zusehen wollten. Dass das nicht klappen wird war klar. Also sahen wir unseren Kindern dabei zu, händchenhaltend in diesen Stühlen sitzend. Danke an die weltbesten Nachbarn! ich bin sehr seelig für diese Momente.
Es gibt Dinge im Leben, die könnt ihr nicht ändern. Egal wieviele Sorgen ihr Euch macht. Diese Sorgen machen kaputt, machen einsam und sorgen dafür, dass viele wesentliche Dinge gar nicht mehr wahrgenommen werden können.
Helft Angehörigen dabei, diese Sicht nicht zu verlieren. Achtet aber auch immer gut auf Euch. Bleibt bei Euch, redet oder schweigt zusammen.
Denn ohne Euch geht es nicht.

Danke für deinen Text! Sitze hier mit meinem Kaffee und mir kommen die Tränen. Meine Kraft für dich!❤️
Liebe Ines,
diesen Appell kann ich nur unterstützen.
Es ist so wichtig, daß man die Unterstützung von Familie und Freunden bekommt.
Es fühlt sich sonst an, als wäre man nicht nur für alle Zeiten getrennt von dem liebsten Menschen, mit dem man vorhatte, alt zu werden. Sonder als ob auch sonst kaum noch jemand mehr für einen da sein möchte.
Das macht den Tod noch schlimmer.
Ich danke die
Liebe Ines
genau so ist es.
Ich bin nach Tobias seinem Tod zwar nicht gemein zu anderen geworden, aber so schweigsam und in mich gekehrt.
Das halten viele nicht aus.
Und ich möchte noch etwas zu zufügen…
Liebes Umfeld…sagt niemals“ melde Dich wenn Du etwas brauchst“
Wir können uns nicht melden, Ihr müsst stetig nachfragen oder einfach kommen.
Wenn wir im Tal der Tränen versinken, können wir kaum noch um Hilfe bitten.
Ich umarme Dich Ines…unsere Männer sind bald ein Jahr nicht mehr bei uns und es fühlt sich immer noch so furchtbar an.
Dani
Dani, das stimmt… Leider.