Plötzlich verlobt

Es ist Donnerstag. Ob ich die folgenden Worte veröffentliche weiß ich noch nicht. Heute ist der 20.6.2019 . Heute vor einem Jahr war unser Held in der Klinik. Er war inzwischen viel mehr Kunibert als Simon. Heute vor einem Jahr lag er auf der Intensivstation, allerdings sah es so aus, als würde er bald auf die normale, onkologische Station verlegt werden können. Das Heldenhirn verschwand von Tag zu Tag mehr, aber immerhin schien es der Lunge besser zu gehen. Das dem nicht so wahr, zeigte sich nur wenige Tage später. Simon machte mir in dieser Zeit viele Heiratsanträge, er wollte eine Familie gründen; Kinder bekommen und mich heiraten. Das er das alles schon hatte, hatte er hin und wieder vergessen.

Denn heute vor zwei Jahren, am 20.6.2017 waren wir im Vorbereitungsmodus. Dank einer Berliner Zeitung war es uns damals möglich ziemlich kurzfristig einen Nothochzeitstermin zu bekommen. Wir beschlossen einfach das wir heiraten wollten. Sämtliche Vorstellungen, die ich zuvor hatte waren mir plötzlich egal. Weil für mich nur die Tatsache zählte uns nicht alles von Krabbe Kunibert diktieren zu lassen. Ich wollte den Mann, den ich liebte heiraten. Egal wie oder wo.

Wir hatten Glück, unser Held war verhältnismäßig fit und die Hochzeit müsste nicht in der Klinik stattfinden.

An diesem 20.Juni 2017 hatte ich den letzten Termin zur Anprobe meines Hochzeitskleides.Mit Kindersabber am Shirt bin ich direkt nach der Arbeit dorthin gefahren. Ich war mit einer Freundin dort. Ich freute mich sehr au unsere Hochzeit. Wir wurden abgeholt und machten unterwegs eine Pause, zufällig in dem Cafe in dem Simon und ich unser erstes Date hatten.

Ich bestellte meinen Eiskaffee. Im Hintergrund lief leise der Song „Marry you“, ich erzählte meiner Freundin noch, dass es dazu viele schöne Hochzeitsvideos im Internet gibt, die zwar wahnsinnig kitschig aber auch total schön wären. Sie nickte. Etwas komisch Lächelnd. Auf dem Tresen vor mir stand eine Schild, auf dem „Rock dein Leben“ stand. ich wollte es fotografieren um es später unserem Helden zu zeigen. Gleichzeitig wurde dieses Marry You Lied lauter, Frundin trat zurück und die Baraista sagte „ein iced White Chocolat Mocca für Ines“ Ich überlegte wann ich ihr meinen Namen gesagt hatte. Freundin trat noch einen schritt zurück. Baraista grinste merkwürdig und ein anderer Mitarbeiter tippte irgendwas auf nem Tablet. Ich dachte mir nur, warum die alle so merkwürdig sind.

Erst jetzt sah ich meinen Kaffeebecher an, der irgendwie anders aussah als Sonst. Denn es stand etwas darauf „Liebe Ines, ich liebe Dich. Willst gemeinsam mit mir das Leben rocken?“

Atmen…einfach weiteratmen. Simon hatte doch einen Arzttermin. Die müssen mich verwechseln. Ich spürte das alle Augen in diesem Laden auf ich gerichtet waren.

Dann sah ich ihn. Den Mann, für den ich durch jedes Feuer gehen würde, wenn es denn müsste. Den Mann, der es schon fast 9 Jahre mit mir ausgehalten hatte. Ich sah den Mann, der mein Herz hüpfen ließ obwohl er mich hin und wieder zur Weißglut trieb. Der Mann, den ich immer wollte.

Simon kniete vor mir nieder, öffnete ein kleines Kästchen und redete. Naja, er versuchte es. Er sagte mir, dass er mich liebt, mit mir alt werden will und das er mir dankbar sei. Besonders letzteres war unnötig, weil ich es ihm nicht immer einfach gemacht hatte. Aber da kniete er, mit seinen strahlenden Augen und dem Fotolächeln, in das ich so gern versunken bin. Er redete. Ich wurde rot. Niemals hatte ich noch mit einem Antrag gerechnet und mit solch einem gleich gar nicht.

Heute vor zwei Jahren hätte ich am liebsten die Zeit gestoppt. Es fühlte sich alles so aufregend und auch so normal an. Wir planten unsere Hochzeit und dachten für kurze Zeit nicht daran, dass sich der passende Stammzellspender noch nicht hat finden lassen. Wir waren der Überzeugung, dass der noch kommen wird und wenn nicht wird es einen Plan B geben der funktioniert.

Ich freute mich auf unsere Hochzeit, auf den Blick wenn Simon mich das erste Mal in „unserem“ Kleid sehen würde. Ich freute mich auf viele tolle Momente mit meinem Mann. Wir versprachen uns schon an diesem Abend, dass egal was auch kommen mag, wir das zusammen machen werden. Bis das der Tod uns scheidet war für uns nicht nur eine Floskel, sondern Realität. Und genau darum versprachen wir uns auch, die Zeit bis es soweit sein wird zu leben. Ich meine richtig zu leben, mit allem drum und dran. 2017 war unser Jahr. Trotz Chemotherapien, Übelkeit und der einen oder anderen Streiterei.

An diesem 20.6. 2017 fing unser Leben ganz neu an.

4 Gedanken zu „Plötzlich verlobt

  1. Es zählen nicht die Tage in unserem Leben, sondern das Leben in unseren Tagen. Keine Ahnung, von wem diese Worte stammen, aber er (oder sie) hat Recht.

  2. Liebe Ines! Ich denke Simon wird dich vom Himmel aus feiern! Du bist eine so tolle Frau! Schön lange folge ich dir, lese deine Beiträge, die mich sehr berühren. Du rockst das Leben Ines! Ich wünsche dir alles Liebe! ❤️

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