Die Sache mit der Resilienz

Kennt ihr das Wort? Es ist inzwischen fast eine Modeerscheinung geworden und wird gerne in Medien benutzt. Ich habe es in der letzten Zeit so oft irgendwo gelesen, dass ich es kaum noch hören konnte. Aber was bedeutet es eigentlich?

Resilienz bedeutet ganz trocken, die Fähigkeit Krisen und schwierige Situationen zu durchleben und daran nicht zu Grunde zu gehen. Stattdessen werden diese Krisen bewältigt und durch persönliche, also den eigenen Ressourcen, zum Grund für eine Weiterentwicklung genommen.

So oder so ähnlich habe ich es mal in der Uni gelernt. bis zum Erbrechen hörte ich Vorträge dazu. Im Prinzip heißt es nichts anderes, als dass manche Menschen nach einer Lebenskrise kaputt gehen, den Glauben an das Gute verlieren und ähnliches. Sie stagnieren. Andere nehmen diesen Anlass als Chance, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben, sie wollen Veränderung und glauben nicht daran, dass sich das Schicksal gegen sie verschworen hat. Letztere sind resilient, weil sie gestärkt aus einer schwierigen Situation hervorkommen, während andere traumatisiert sind oder depressiv werden.

Ich habe hin und wieder mal erwähnt und das auch in unserem Buch geschrieben, dass wir immer versucht haben, negative Erfahrungen in etwas Positives umzuwandeln. Das war schon in meinem Teenageralter so. Anders hätte ich die Zeit nach der Missbrauchserfahrung wohl nicht überlebt. Als Simon krank wurde, taten wir das Gleiche. Auch haben wir immer versucht, seine Erkrankung nicht in den Vordergrund zu stellen. Fokussiert ein Mensch sich zu sehr auf das Schlechte, denkt er nur über Krisen nach, übersieht er schnell die schönen Dinge die trotz allem noch da sind. Ich bin ebenso der festen Überzeugung, dass jeder für sein Glück, seine Zufriedenheit selbst verantwortlich ist. Nicht der Mann, der mich als Kind unsittlich berührt hat, nicht Simons Erkrankung oder der größte Liebeskummer. Das alles sind Faktoren, die es schwerer machen, aber was ich mit diesen Erfahrungen mache, liegt bei mir. Darum empfinde ich es nach wie vor so, dass kein „Päckchen“ eines Menschen schwerer ist als ein anderes ist.

Aufgrund dieser Aussagen wurde ich oft als resilient eingestuft. Ich denke nicht, dass ich das bin. Als ich mit 16 nach Berlin gezogen bin, um nach dieser Missbrauchserfahrung einen Neustart zu wagen, kam ich mit aufgeritzten Armen in der Hauptstadt an. Es dauerte eine Weile, bis mein Leben eine neue Richtung einschlug. Sonderbar geworden bin ich dadurch auch. Aber das erzählte ich bereits.

Als Simon krank wurde verzweifelten wir zunächst auch. Auch hier dauerte es etwas, bis wir anders unterwegs waren.

Nachdem unser Held starb, riss der Boden auf, nichts mit Resilienz. Auch jetzt versuche ich erneut einen kompletten Neustart. Manches hat bereits begonnen, an anderen Stellen in unserem Leben 2.0 arbeiten wir noch. Ich habe keine aufgeschlitzten Arme, dafür nen Burn Out und Depressionen. 6 Jahre Kunibert, davon 2 massiv haben mich ausgebrannt .Aber wir leben. Weil das Leben schön ist. Daran muss ich mich nur manchmal selbst erinnern. Trotzdem versuche ich, immer wieder schwierige Dinge in etwas produktives umzuwandeln, meine Erfahrungen zu nutzen. Diese DKMS Aktionen zum Beispiel. Das Buch, Ihr wisst schon.

Meine Heldenkinder hingegen sind resilient. Die Fortschritte, die beide im letzten Jahr gemacht haben sind unglaublich. Die Lebensfreude ist nicht zu beschreiben. Sie wissen, wie wichtig auch die kleinen Dinge im Leben sind. Sie kennen permanente Angst. Beide Minihelden sind unglaublich emphatisch, helfen Schwächeren und finden, dass bunte Streusel ganz, ganz großartig sind. Meine Kinder sind resilient, weil sie viel zu früh durch eine Krise gegangen sind, die manch Erwachsener nicht aushalten würde. Sie gingen gestärkt daraus hervor, wissen nun erst recht was sie wollen.

Am Samstag, also morgen erscheint der neue Focus. Die Titelstory handelt von Resilienz. In diesem Zuge wurde auch ich vor einiger Zeit interviewt. Das Interview könnt Ihr dort nachlesen. Es war mir eine Ehre, daran teilhaben zu können, auch wenn meine Sicht auf mich eine andere ist. Spannend ist diese Titelstory dennoch.

Wie gesagt, ich denke nicht, dass ich zu den resilienten Menschen gehöre, glaube aber, dass meine Kinder es tun. Weil sie Heldenkinder sind. Weil sie nie das Gefühl hatten, dass das Schicksal es schlecht mit Ihnen meint.

2 Gedanken zu „Die Sache mit der Resilienz

  1. ach Ines, wie sehr ich dich verstehe…. das berühmte wort mit R.ich hab schon viel davon gelesen, bücher darüber auch gelesen und zieren mein bücherboard. aber wie sangen jupiter jones. ich hab so viel gehört, und doch kommts niemals bei mir an…. es ist manchmal so schwierig aber ich finde, du machst das so gut. man selbst merkt manchmal nicht die fortschritte, aber ich finde, du kannst so stolz auf dich sein. ich selbst hätte mit dem, was dir passiert auch sehr zu nagen. ich denk an dich und drück dich.

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