Das Angehörigen Alphabet; I wie Immun

Als Angehörige war ich gefühlt gegen alles immun und wenn ich es einmal nicht war, redete ich mir zumindest ein, dass ich es war. Was für ein seltsamer Einleitungssatz…naja.

In der Hochphase von Krabbe Kunibert war ich nie krank. Zumindest erlaubte ich es mir nicht. Und wenn es mich doch mal niedergestreckt hatte, unterdrückte ich Symptome, so dass ich ansprechbar blieb: für die Kinder und für Simon.

Kunibert zog bei uns ein, als ich mit Leo schwanger war. Der kleine Batman kam via Kaiserschnitt zur Welt, zwei Tage später musste unser Held in die Klinik. Zuhause wartete Emma. Während der Geburtsop kam es zu Komplikationen, die mich hätten aber länger in der Klinik bleiben lassen sollen. Das ging aber nicht. Ich entließ mich selbst, dem Babybatman ging es gut und ich arbeitete noch daran. Ein Wochenbett gab es nicht. Auch wenn Emmas Patentante mich die erste Woche zuhause unterstütze, trug ich bereits 5 Tage nach der OP Wasser Flaschen in unsere damalige Wohnung im dritten Stock. Weil es nicht anders ging.

Ich brachte Emma zur Kita, ging mit ihr zum Spielplatz und besuchte Simon in der Klinik. Es funktionierte. Rückblickend weiß ich selbst wie leichtsinnig das nach meinem Kaiserschnitt gewesen war, damals nahm ich das nicht wahr. Die Schmerzen ebenso wenig. Ich versorgte unseren Tag ab 5 stunden nach der OP selbst. Das war übrigens nicht stark, in Anbetracht der Tatsache dass ich auf Grund der Komplikationen strengste Bettruhe hatte, war das total bescheuert.

Immer wenn es Simon schlecht ging, ging es mir gut. Ich steckte mich weder mit Magen Darm Virus Geschichten an, noch mit der Hand Mund Fuß Krankheit oder diversen anderen Überraschungen, die die Kinder so aus der Kita oder Schule mitbrachten.

Ich war immun gegen Tipps, die ich bekam; Achte auf Dich, es gibt Pflegedienste….und so weiter.

Wenn Simons Stimmung ins Bodenlose kippte und er seinen Frust zu Hause ausließ war ich am Anfang auch immun, das änderte sich allerdings irgendwann. Ich erlaubte mir keine Schwächen, weder gesundheitlich noch organisatorisch oder psychisch. Ich war die, die noch funktionierte, während unser Held mit Krabbe Kunibert beschäftigt war. Teilweise war ich so immun gegen alles, auch gegen die Angst, dass ich nur noch abgeklärt wirkte. Obwohl ich das natürlich überhaupt nicht war.

Irgendwann kehrte auch die Immunität gegenüber schlechten Nachrichten ein. Statt Panik gab es dann Gedanken wie „das dachte ich mir schon“ oder „Aha, okay“ in meinem Kopf. Ich war auch Immun gegen den Gedanken daran, dass Simon tatsächlich und mit vollem Ernst bald sterben könnte. in der Theorie wusste ich das 6 Jahre lang. Aber das hieß schließlich nicht, dass dies ausgerechnet jetzt geschehen musste.

Wenn ich mit unseren Kindern zusammen war, war ich auch immun gegen Trauer- und Zweifelgedanken. Stattdessen wollte ich, dass sie trotz unserer Geschichte so unbeschwert wie möglich aufwachsen können.

Diese Immunität gegen alles war nicht echt, das weiß ich jetzt auch. Und trotzdem gibt es immer mal wieder Tage, an denen ich mir genau diese Immunität zurückwünsche.

Ein Gedanke zu „Das Angehörigen Alphabet; I wie Immun

  1. Super interessanter Beitrag, in dem ich mich extrem Wiederfinde. Nur weiß ich noch nicht, wie lange diese Immunität, das Starksein anhält. Und was danach kommt. Das macht mir Angst!

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