Hallo liebes Ich

Heute wird es Zeit mal ein paar ernste Worte mit Dir zu sprechen. Ich sehe Dich jeden Morgen im Spiegel, zähle Deine Falten und bewundere die Tatsache, welch Tiefe Augenringe doch bekommen können. Manchmal sehen Deine Haare unmöglich aus, an anderen Tagen bin ich recht zufrieden damit.

Ich schreibe Dir heute aber nicht um mit Dir über Dein Erscheinungsbild zu debattieren. Ich schreibe Dir heute aus zwei Gründen. zum Einen weil ich Dir Danke sagen mag. Zum Anderen weil ich Dich ganz im Ernst und voller Inbrust fragen will; Was zur Hölle ist eigentlich los mit Dir?

Liebes Ich, ich fange am Besten mit dem Guten an, was meinst Du? Denn eigentlich bin ich wirklich stolz auf Dich und die Leistung, die Dein Körper vollbracht hat. Dein Lebenslauf war alles andere als Geradlinig. Das Abitur hast Du nur gemacht, weil Du lieber Partys feiern wolltest anstatt eine Ausbildung zu beginnen. Dass das Abi durchaus auch mit Arbeit verbunden bist, haste dann selbst noch bemerkt. Bestanden hast Du, mit welchem Notenschnitt spielt inzwischen keine Rolle mehr. Du hast studiert, danach doch ne Ausbildung gemacht und hattest dabei oft das Gefühl nicht angekommen zu sein. Dass das alles nicht das Richtige war.

Du warst gerne Feiern. Manchmal zu gern. Dabei haben dir gewisse Genussmittel fast das Genick gebrochen. Inzwischen verzichtest Du seit vielen Jahren auf diese Genussmittel. Alkohol trinkst Du auch nie und in Deinem Kühlschrank befinden sich sonderbare Dinge wie Mandelmilch und Tofu. Immerhin. Kluge Köpfe haben mal gesagt, dass Deine Feierwütige Jugend mit Deiner Vergangenheit zu tun haben könnte. Wir Beide aber wissen, dass nicht alles damit endschuldbar ist. Mein Liebes Selbst, ich bin so stolz auf Dich, dass Du diese Zeit Rückfallfrei seit so vielen Jahren, schon lange vor den Heldenkindern, hast hinter Dir lassen können. Ich bin stolz auf Dich, dass Du überlebt hast und immer der Idee gefolgt bist, ein „normales“ Leben zu führen. Auch wenn ich Dich viel zu selten lobe liebes Ich, dass hast Du wirklich ganz toll gemacht.

Inzwischen sind 17 Jahre vergangen. Du bist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Du hast beide Kinder in Deinem Bauch getragen, zumindest solang es Dir möglich war. Der kleine Batman durfte etwas länger an diesem Ort bleiben. Beide Schwangerschaften waren schwierig. In der ersten warst Du allein, in der zweiten bekam Dein Held die Diagnose einer tödlich verlaufenden Erkrankung. Allein warst Du dann mehr oder weniger meistens auch. Ich weiß, dass Dein Plan eigentlich ein ganz anderer war. aber weißt Du was? Du hast wieder überlebt, wie eine Katze kommst Du nach einem Sturz immer mit Deinen Füßen zuerst auf und stehst. Ich finde ja, dass das eigentlich ganz gut geklappt hat, oder.

Liebes Ich, ich weiß, dass Du seit Deiner frühen Jugend immer darauf gewartet hast, welche Katastrophe wohl die Nächste sein wird. An das „Ende gut, alles gut“, hast Du nie geglaubt. Immer wenn es ruhig wurde, kam der nächste Tiefschlag. zumindest gefühlt. Doof, ich weiß. Du hast Deine Wut oder auch Deine Zufriedenheit allerdings nie von anderen Menschen abhängig gemacht. Relativ früh wusstest Du, dass der einzige Mensch, der etwas an Deinen Emotionen zu verantworten hast Du selbst bist bzw. warst. Die Trigger zu erkennen war am Anfang nicht leicht. Irgendwann hast Du für dich „gefährliche Situationen“ gemieden oder beendet. In einigen Momenten ging das nicht. Die Reise von Deinem Sternenkind zum Beispiel. Diese ungünstigen, übergriffigen Erfahrungen in Deiner Teenagerzeit und Krabbe Kunibert konntest Du auch nicht einfach so verlassen. Aber Du hast gelernt sie anzunehmen, bzw. die Erinnerungen daran. Über den Umgang mit schwierigen Gefühlen diesbezüglich möchte ich Dir allerdings ein paar ernste Worte sagen: Ganz ehrlich liebes Ich, ich find Dich ganz okay. Wirklich. Aber manchmal stehst Du Dir so dermaßen selbst im Weg dass ich darüber nachdenke, ob „Du noch Alle beisammen hast“ Immerhin dürfte Dir Deine Erfahrung geraten haben, dass manche Dinge einfach passieren, und Du Deinen Wunsch nach Sicherheit über den Haufen werfen konntest.

Du sagst gern, dass Du Menschen nicht magst. warum ist das so. findest du nicht, dass diese Aussage etwas zu einfach ist? Sicher ist das der einfachste Weg möglichen Schwierigkeiten am einfachsten aus dem Weg zu gehen. Deine Selbstreflexion setzt dann aus oder? Immerhin gibt es Menschen in Deiner Nähe, auf die du nicht verzichten wollen würdest, oder? Denken wir einfach an Die, die immer passende Schuhe zu ihren Hosen anzieht. Immer! Das ist doch einen Verbündete. Oder an Die, die gefühlte 2 Meter groß ist, einen Humor hat, der teilweise schwärzer als die Nacht ist. Die, die Geochashen auch so mag. Oder Die, die Dein Sohn „Lieblings-Nicht-Mama“ nennt. Deine Familie sowieso. Das sind alles Menschen, ziemlich doll mögen tust Du sie trotzdem, ob Du nun willst oder nicht.

Liebes, doch sehr eigenartiges Ich, Du machst es neuen Menschen unnötig schwer in Dein Leben zu kommen. Manchmal stellst Du ihnen verbal ein Bein nur um zu testen, ob sie danach trotzdem nochmal versuchen in DEine Tüt zu kommen. warum zur Hölle machst Du das? Du findest viele Menschen merkwürdig, aber…wenn Du auf einer straße fährst und Dir kommen wahnsinnig viele Autos auf Deiner Spur entgegen, liegt es möglicherweise an Dir, Dir Gedanken zu machen ob Du auf der richtigen Spur fährst.

Ich weiß dass es einfacher ist eklig zu sein, unfair und nicht besonders nett wenn es Dir nicht gut geht, anstatt zu sagen wo wirklich das Problem ist. Auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass das der richtige Weg für Dich ist.

Liebes Ich, ich weiß dass Du über Deine Grenzen gehen kannst. ich weiß, dass Du Deinen Schatten besiegen kannst. Ich weiß auch auch, dass Dein Tellerrand nicht so hoch ist, dass Du nicht darüber sehen kannst. Aber natürlich erkenne ich, dass Dich das alles ziemlich müde gemacht hast und manchmal lieber in Deiner Komorftzone bleiben magst, weil es für Dich sicherer erscheint. Hier würde ich Dir gerne in den Popo treten und Dich an den Haaren in das echte Leben ziehen. Lass Dich weniger von externen stimmen verunsichern, auch wenn sie teilweise aus Deinen reihen kamen. Jeder hat das recht auf seine Meinung, Du musst sie nicht teilen. Aber Du solltest auch nicht manche Dinge auf alle Menschen pauschalisieren. Das ist doch sonst auch nicht Deins. Warum also in diesem Fall?

3 Gedanken zu „Hallo liebes Ich

  1. Genau Deine ehrliche, ungeschönte Sichtweise auf die Dinge sagen Dir: „Alles richtig gemacht, auch wenn es nicht immer leicht war.“ Du kannst stolz auf dich sein, deshalb bist Du auch für immer in unser aller Herzen!❤❤😘

  2. Unglaublich klardenkend über sich selbst und so unglaublich schön geschrieben… Danke. Mit der Hoffnung, dass du dir selbst dadurch helfen kannst…

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