Früher hatte ich einen Plan; heute habe ich mich

Als ich so 8 oder 9 Jahre alt war, wollte ich unbedingt Ärztin werden, wenn das nicht klappt wenigstens Astronautin. Die Tatsache, dass für beide Jobs ein gewisser Fleiß in der Schule von Vorteil und Sportlichkeit auch ganz praktisch gewesen wäre, machten diese Pläne irgendwann zu Nichte.

Dann wollte ich etwas mit Sprachen machen, damit ich mich überall in der Welt verständigen konnte. Mein Abi hab ich gemacht, fragt nicht wie, aber ich habe es. Studiert habe ich dann Politik und jüdische Wissenschaften. Immerhin habe ich hebräisch gelernt ob ich mich damit überall hätte verständigen können? Vermutlich eher schwierig.

Als Kind wollte ich immer gemocht werden. Von anderen Kindern. Ich wollte auf Geburtstage eingeladen werden um so oft es geht Topfschlagen spielen zu können. Ich war sehr unsicher, weil ich bloß nicht anecken wollte, das führte dazu dass ich mich in der Grundschule noch nicht Mal traute den Tisch allein zu decken. Die Angst etwas falsch zu machen war größer. Ich redete nicht viel und versuchte nicht unangenehm aufzufallen. Weder bei anderen Kindern, bei Lehrern oder meiner Familie. Ich wollte einfach gut sein. In Allem. Und um Gottes willen wollte ich so sein wie alle Anderen.

In der Pubertät merkte ich, dass das nicht klappen wird. Freunde hatte ich, aber abgezählte. Ich war anders, ohne es benennen zu können. Diese Missbrauchserfahrung machte mich noch sonderbarer. Der Gedanke aber nicht unangenehm aufzufallen gefiel mir nach wie vor. Ich hatte einen Lebensplan vor Augen; ein „krass guter“ Job mit gutem Gehalt, Dann heiraten und mit 30 das erste Kind. 5 Jahre später das Zweite und vielleicht nochmal fünf Jahre später das Dritte. Alle von meinem Ehemann versteht sich. Alles andere wäre zu sehr von der Normalität abgedrifftet. Und das wollte ich nicht.

Nun gut. Soweit der Plan. Stattdessen zog ich mit 16 nach Berlin. Die ersten Menschen in meinem Alter, die ich hier kennenlernte waren Leute, die sich in der Drogen- und Partyszene der Hauptstadt gut auskannten. Was ich dann tat? Ich wollte ja immer gemocht werden, erinnert ihr Euch? Also tat ich es ihnen gleich. Mit 18 schaffte ich dank Unterstützung den Absprung und lernte Jemanden kennen, der mich ganz toll fand. Unabhängig davon ob ich alles richtig machte. Aber da ich kein Menschenversteher war, habe ich diese Geschichte gekonnt in den Sand gefahren. Aber mein Ich änderte sich dennoch. Mein Leben lief. Später studierte ich eben Politik um dann mit der Einhornbändigerin schwanger zu werden. Bei der Geburt war ich 23, fast 24 Jahre alt. Der Papa ist ein toller Vater, unsere Beziehung aber hielt nicht. Mit 28 kam der kleine Batman. Von einem anderem Mann. Geheiratet habe ich kurz vor meinem 33. Geburtstag. Nachdem ich hebräisch in der Uni lernte, entschied ich mich nach Emmas Geburt dazu als Alleinerziehende meine Jobpläne über den Haufen zu werfen und mit einer Erzieherausbildung zu von Null zu starten. Der „krass gute“ Job war da, aber mit anderem Gehalt als geplant.

Inzwischen bin ich 35 Jahre alt. Das mit den zwei Kindern und der Hochzeit hat geklappt. Wenn auch in einer anderen Reihenfolge und der Tatsache, dass beide Kinder unterschiedliche Genkonstellationen in sich tragen. Der Krass gute Job… Die letzten Jahre haben mir gezeigt dass ich die schlechteste Ärztin der Welt geworden wäre und da mir schon auf einer Schaukel schlecht wird, wäre die Raumfahrtkarriere vermutlich auch nicht sonderlich erfolgsversprechend gewesen.

Ich habe nicht mehr das Bedürfnis alles richtig machen zu wollen, nennt mich gern Mrs. Dauerfail. Ich weiß was ich kann und was ich nicht kann. Ich weiß wer ich bin und dass ich es wert bin aufgrund dessen gemocht oder eben nicht gemocht zu werden. Ich mag auch nicht Jeden. Das passt so. Dieses „Normale“ hinter dem ich viele Jahre hinterher gelaufen bin, existiert doch sowieso nicht. Ich bin keine Frau Sunshine, dessen bin ich mir bewuust, aber so übel bin ich auch nicht. Ich zeig das nur nicht gleich, weil ich nur selten einen Vertrauensvorschuss gebe und es daher nur wenige Menschen gibt, die mich wirklich kennen.

Es gab eine Zeit in meinem Leben da wartete ich direkt auf die nächste Katastrophe. Ich strengte mich so sehr an „normal“ zu sein und bemerkte manchmal gar nicht, in welche Krisen ich damit gerutscht bin.Kurz bevor ich nach Berlin gezogen bin, wurde ich in der Schule ordentlich gemobbt. (Hallo Du Liebe, ich weiß dass Du mitliest. Keine Sorge, ich hab das nicht vergessen) Weil ich mich mobben ließ. In Berlin konsumierte ich am Anfang ungesunde Dinge, fühlte mich Cool und angenommen. Dann war ich es die, die Andere mobbte. Ich war kein netter Teenager. So gar nicht. Und war damit nicht besser als Andere, die ich doch eigentlich verabscheute.

Danach hangelte ich mich besser durchs Leben, ohne süchtigmachende Komponenten, dafür aber mit Freunden, die mich sahen und nicht nur die Hülle, die mich umgab. Trotzdem folgten einige mittelschwere Katastrophen, von denen ich Euch bereits erzählt hatte. Und ich wartete immer bereits auf die Nächste. Trat eine ein, war ich weniger schockiert sondern dachte eher; „das passt jetzt irgendwie“ oder „das war ja klar“

Irgendwann konnte ich dieses Warten abstellen. Im Moment strukturieren wir unser Leben erneut um, aber das wisst ihr ja bereits. Ich warte auf keine Katastrophen mehr, weil es Dinge gibt, die einfach passieren und ich die hin und wieder auch nicht steuern kann. Ich plane kaum noch, selbst die Tatsache, dass wir im Sommer in den Urlaub fahren, stand erst 2 Wochen vorher fest. Ich weiß dennoch was ich will, bin da aber deutlich entspannter. Als ich das erste Mal alleinerziehend wurde, also mit Emma bevor wir unseren Helden kennenlernten fürchtete ich vor Vorurteilen. Das fühle ich jetzt manchmal auch noch. Zwei Kinder, zwei Väter, keiner mehr da. Warum interessiert im ersten Moment nicht.

Aber meistens denke ich mir…Who Cares. Das Leben hat seine eigenen Regeln, geplant war das sicher anders aber nun ist es so, wie es ist. Vorurteile? Die gibt es bestimmt, aber ganz ehrlich….Liebe Alleinerziehende unter Euch, ihr macht einen Knochenjob, das teilweise schon seit Jahren. Ich bin erst seit einem Jahr wieder dabei und bewundere Einelternfamilien, die das deutlich länger machen. Dabei spielt es keine Rolle, wieviele Kinder von wie vielen Vätern. Es ist auch egal ob ihr eine Austronautin oder Hausfrau/Hausmann seid.

Dass ich einmal ein Buch schreibe, hatte ich auch nicht gedacht. was soll ich sagen…Jetzt wartet das Zweite auf einen Verlag, der es verlegen will. Ich bin nach wie vor keine „wirkliche Autorin“, diese Projekte aber gehören zu den Dingen, die ich nun einfach versuche. Sonst kann ich gar nicht wissen ob das funktioniert.

Etwas Sonderbar bin ich nach wie vor und eine Zeitlang hatte ich Angst diese „Eigenschaft“ auch an meine Kinder weiterzugeben. Und dann stehen sie vor mir, laut, manchmal leise. Selbstbewusst und manchmal zweifelnd. Aber wie langweilig wäre die Welt, wenn doch alle Menschen gleich wären. Ich denke, dass unsere Kinder ganz „gut geraten“ sind, kleine, wundervolle Menschen, die viel zu gern Diskutieren und für ihre Belange einstehen. Besonders Letzteres lässt mich vor stolz fast platzen, weil sie damit etwas können, was ich erst als Erwachsene lernen musste. Der kleine Batman trägt lange Haare und hat einen neue, recht spezielle Haarpracht auf seinem Kopf. Ob er damit anecken könnte ist ihm egal, ihm soll es gefallen. Die Einhornbändigerin macht sich da etwas mehr Gedanken, und bleibt trotzdem sie selbst. Sie hat eigene Interessen und kann diese auch oft vertreten. Empathie ist ihr Ding.

Wenn ich so zurück blicke bin ich schon fast spießig geworden, trotz der Klischees , die ich so bediene. Von meinem Plan bin ich abgewichen. Zum Glück tat ich das. Vielleicht wäre ich Astronautin geworden. Oder Zu mindestens normaler. Aber ob ich glücklich geworden wäre? Ich denke nicht. Ziele sind wichtig. Ohne sie stagnieren wir Menschen. Manchmal aber lohnt es sich, die eigenen Ziele auf seinem Weg etwas anzupassen.

4 Gedanken zu „Früher hatte ich einen Plan; heute habe ich mich

  1. Liebe Ines,
    wieder einmal ein sehr kluger Text von Dir.
    Ich finde das schöne am älter werden ist,es ist einem egal was andere über einen denken.
    Diese Einsicht hätte auch schon gern mit 20 gehabt.
    Ich wünsche Dir eine schöne Woche,
    Mamasuperheldin
    Liebe Grüsse aus dem Ruhrgebiet

  2. Liebe Ines, ich lese schon eine ganze Weile mit und mag es unwahrscheinlich gern, wie du schreibst. Gestern dachte ich sogar einmal, „ach, sie könnte auch ein Buch schreiben“ – und jetzt lese ich, dass du schon eins geschrieben hast🙂
    Würdest du mir den Titel nennen bitte?
    Liebe Grüße aus dem Lipperland

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