Wie hast du den Kindern eigentlich den Tod erklärt? Und das Krematorium?

Die Frage nach dem „wie erklären“ kam bereits öfter. Sowohl wie ich versucht habe das Thema Tod greifbar zu machen als auch die Tatsache, dass unser Held in einer Urne beigesetzt worden ist. Wie ist es möglich Kindern zu erklären was ein Krematorium ist? Sollte man das überhaupt sagen? Wie geht es den Minihelden jetzt? Bevor ich anfange…ich bin keine Psychologin. Ich habe kein fundiertes Wissen in diesen Belangen. Nur weil wir so handelten, muss es bei Anderen nicht richtig sein. Die Heldenkinder konnten sich vor dem Tod von Simon nicht verabschieden. Er kam am Abend in die Klinik. Er verließ diese Welt in einer Nacht drei Wochen später. Ich war dabei, die Kinder nicht.

Inzwischen sind 16 Monate vergangen in denen wir ohne unseren Helden leben. Die ersten Monate waren steinig, steil und teilweise sehr nah am Abgrund. Inzwischen aber ist das, wovor wir immer Angst hatten Alltag geworden. Und genau das ist auch schon der ausschlaggebendste Satz. „Das wovor wir immer Angst hatten“ Dieses „Das“ gibt es nicht mehr. Weil es passiert ist. Weil wir uns nicht mehr davor fürchten, dass es eintreten wird.

Ich nehme unsere Kinder weiterhin als gelöster war. Aber in mancherlei Hinsicht auch ängstlicher. Wenn mich meine Migräne in die Knie zwingt oder ich ein anderes Weh-Wehchen habe, machen sie sich sorgen. Wir können zum Glück offen darüber sprechen und ich erkläre vor Allem dem kleinem Batman, dass ich nur Kopfweh habe und nicht Krebs. Ich verspreche ihnen, dass ich gut auf mich aufpassen werde.

Die ersten Monate ging der kleine Batman sehr offensiv mit dem Tod von Simon um. er erzählte Jedem davon, sei es auch nur der Postbote an der Tür. Immer wieder. Die Einhornbändigerin hingegen wirkte nach Außen sehr gefasst, sprach selten darüber und verlor sich ein Stück weit in sich selbst.

Von unseren Ritualen erzählte ich Euch bereits des Öfteren. Wir schicken immer noch Luftballons in den Himmel, aber nicht mehr jeden Freitag. Ich reagiere dabei auf den Zuruf und die Bedürfnisse der Kinder. Wir haben das Papaglas in dem Wir Dinge sammeln, die wir Simon bei unserem Besuch im Friedwald mitbringen. Wir planen Simons 39. Geburtstag. Vermutlich werden wir , wie auch im letzten Jahr, Ende Dezember mit Muffins, einer Picknickdecke, Partyhüten und Luftschlangen in den Zauberwald gehen um mit ihm zusammen „feiern“ zu können. (kleine Notiz am Rande. Wir haben danach selbstverständlich wieder alles mitgenommen)

Beide Kinder haben eine „Papaecke“ in ihrem Zimmer. Im Wohnzimmer hängt ebenfalls ein Andenken an der Wand plus einiger Fotos.

Über Wolkenlücken freuen wir uns immer noch, Weil Simon dann durch die Wolken zu uns hinunter sehen kann. Wenn es regnet und eiskalt ist, schimpft der kleine Batman manchmal mit seinem Papa warum er kein besseres Wetter macht. Wenn am Abend die Sterne am Himmel zu sehen sind, gibt es immer einen, der besonders hell strahlt. Die Kinder sagen, dass das Papa sei, der mit uns unterwegs ist.

Sowohl Emma als auch Leo haben das Lachen nicht verlernt. Die Einhornbändigerin kämpft im Moment wieder etwas mehr, während der Heldensohn sich weitesgehend stabilisiert hat. Und ich wiederhole mich gern, die permanente Angst ist aus unserem Haus gewichen. Obwohl die vorhandene Lücke deutlich spürbar ist. Auf Schulfesten, Straßenfesten oder Geburtstagen sind wir meistens die, die ohne Papa zu sehen sind. Die Meisten der anderen Familien sind „vollständig“. Auf Leos Einschulung war das besonders spürbar. Weihnachten wir da wieder eine erneute Herausforderung. Ich bin da dezent eingeschüchtert.

Manchmal schreiben oder malen die Kids Briefe für Simon. Diese schicken wir entweder in den Himmel oder legen sie vor die Terrassentür. Unser Held zeigt am nächsten Morgen durch eine Glitzerspur im Haus dass er dagewesen ist…

Da ich dazu gefragt worden bin, wie ich den Kindern die Beisetzung und den Tod an sich erklärt habe. Die Einhornbändigerin war zum Zeitpunkt von Simons Tod 10 Jahre alt. Sie begriff recht schnell dass dies eine unwiderrufliche Tatsache ist. Allerdings glaubt das große Mädchen als Einzige in unserem Haus an Gott und auch an den Himmel. Sie erzählte uns von Begrüßungspartys wenn Jemand Neues in den Himmel zieht. Kurz bevor Simon in den Himmel zog, feierte Emma ihre Erstkommunion. Ja, sie ist katholisch. Nein, ich bin es nicht. Sie wollte das so.

Dem kleinen Batman erzählte ich von seinem Uropa, an den er sich kaum mehr erinnern konnte. Ich fragte ihn ob er noch wüsste wo der Opa sein. Leo war zu diesem Zeitpunkt grade noch 5 Jahre alt. Der kleine Batman erzählte dass er im Himmel sei, weil er so alt war und gestorben ist. Ich nickte und sagte ihm, dass nicht nur alte Menschen sterben und in den Himmel ziehen. Ich erzählte von unserem Helden, und dass er doch wüsste wie schwer krank Papas Blut war. dass wir alle gesehen hatten, dass es ihm immer schlechter ging und er zum Schluss nicht mehr laufen konnte. „Manchmal hilft die beste Medizin nicht mehr, dann sind auch die stärksten Chemoritter nicht stark genug. Papa ist gestern im Krankenhaus gestorben und wohnt jetzt beim Uropa Himmel.

Die Tage, Wochen und Monate danach redeten wir täglich über den Himmel und wie es da wohl sein würde. Und dass ein Regenbogen bestimmt eine tolle Rutsche sein würde. Ich malte mit den Kindern Simons sarg an, wir suchten seinen Baum im Zauberwald aus und entschieden zusammen welche Klamotten und kleine Dinge er mitnehmen würde. Unser Held wurde in einer Urne beigesetzt. Dass der Sarg den wir zusammen bemalten für das Krematorium diente, sagte ich den Kindern nicht. Da habe ich tatsächlich gelogen. Emma sprach mich nach der Urnenbeisetzung selbst darauf an. Ihr erklärte ich den Vorgang. Leo erzählte ich, dass der Sarg Papas Geheimversteck wäre, damit er immer einen Platz im Himmel hätte, in dem er sich sicher fühlen konnte. Ich erzählte dem kleinen Batman, dass die Hülle von Papa, dass was wir immer sehen konnten so krank war, dass sie nach dem Tod zu Asche zerfallen ist. Die Beisetzung nannten wir Abschiedsparty, die Urne Erinnerungskapsel. In der Kapsel waren die wichtigsten Dinge von Simon drin. Überall flogen Seifenblasen als kleine Nachrichten in den Himmel.

Mehr erzählte ich damals nicht. Allerdings wartete ich immer auf die Fragen der Kinder und reagierte darauf. Vor einigen Wochen war das Thema „Papas Hülle“ wieder ein großes Thema. Wie kann die einfach so zerfallen? Was ist mit der Asche passiert? Wo war eigentlich Krabbe Kunibert, also die Erkrankung hin? Ist die jetzt in uns gekrabbelt? Die Fragen waren prägnant und so, dass ich hätte gar nicht ausweichen wollen. Ich sagte den Kindern, besonders Leo, dass Kunibert nicht in uns krabbeln kann. Ich erinnerte beide Kids daran dass Krabbe Kunibert eine Erkrankung ist, die nicht ansteckend ist. Darüber sprechen wir übrigens regelmäßig, was ist ansteckend, was nicht. „Krabbe Kunibert lebte noch immer in der Hülle vom Papa. Und damit Kunibert endlich richtig verschwinden konnte, musste er verbrannt werden“ Sagte ich… „Mit Papas Hülle zusammen?“, fragte Leo. Ich bejahte, erinnerte ihn aber an das Gejeimversteck, dass wir zusammen angemalt hatten. Dass Simons Hülle und Kunibert darin während des Verbrennens gelegen haben. Und das Geheimversteck dafür sorgte dass Papas Seele, also dass was Simon ausgemacht hatte, geschützt wurde. Darum kann er immer noch bei uns sein, überall. Egal wo wir sind. So seltsam sich „meine Geschichte“ auch anhört, diese Antwort war absolut okay. Auch die Tatsache, dass die Asche sich dann ebenfalls in der „Erinnerungskapsel“ also der Urne befand, löste keine Panik aus.

Ich glaube dass grade bei den Themen Tod und die Vorgänge, die danach folgen altersgerecht erzählt werden sollten. Ich habe mich am Anfang sehr bedeckt mit Einzelheiten gehalten und eher darauf gewartet, was mir die Kinder an Gedanken zu werfen. Wichtig ist es dann aber unbedingt darauf zu reagieren. Ob das so richtig war, kann ich nicht sagen. Ich merke aber dass unsere Kinder mit der Aufteilung der Einzelheiten gut umgehen konnten.

Beide Minihelden waren am Anfang an einer Trauerbegleitung angebunden. Inzwischen ist dem nicht mehr so, weil beide es nicht mehr wollten. Bei Gegenwehr hätte dies wenig Sinn gehabt.

Rückblickend kann ich sagen, dass wir noch nicht durch alles durch sind. Aber über dem Berg. Über die Fortschritte der Heldenkinder erzählte ich Euch letzte Woche bereits, erinnert ihr Euch?

Der kleine Batman erklärt die Sache übrigens immer noch jedem. Aber irgendwie anders als letztes Jahr um diese Zeit. Er erzählt es so, als würde ich erzählen, dass ich mal wider staubsaugen müsste.

Auch hier wiederhole ich mich gern. Kinder trauern anders als Erwachsene. Es ist wie Pfützenspringen. In einem Moment stehen sie in einer tiefen, schwarzen Pfütze und drohen möglichweise sogar unterzugehen. Nur wenige Minuten später hüpfen sie wie aus Zauberhand hinaus, lachen und springen singend durch die Gegend. Manchmal brauchen sie dabei eine Art Rettungsring, der Ihnen hilft in der Pfütze nicht unterzugehen. Auch unsere Kinder springen nach wie vor in diese Pfützen. Aber sie sind nicht mehr schwarz, eher grau. Die Pfützen sind weniger tief und die Minihelden drohen nicht mehr darin zu ertrinken.

Wir versuchen etwa 1 mal im Monat oder mindestens alle 6 Wochen in den Zauberwald zu fahren. Der ist zwar nicht weit weg, aber mit den Öffies eine Weltreise. Die Besuche dort sind nach wie vor eher gelöst als traurig. Ich erzählte den Kindern, dass Simons Erinnerungskapsel abbaubar wäre. Dafür habe ich mich letztes Jahr bewusst entschieden. Nach etwa zwei Jahren ist sie verschwunden und Simons Asche zieht in den Baum. „Das ist ja cool, dann wird aus der kranken Hülle ja ein riesiger und GESUNDER Baum“, war die Reaktion.

Ich bin mir sicher, dass ich in dieser ganzen Trauerphase der Heldenkinder bisher auch viele Fehler gemacht habe. Weil ich gar nicht wusste wie sowas geht. Ich habe versucht auf meine Intuition zu hören. Auf mein Bauchgefühl. Ich habe auf das Verhalten und die Fragen der Kinder reagiert. Das klappte nicht immer und vermutlich hätte ich an vielen Punkten anders handeln können. Manchmal habe ich auch gegen meinen Bauch entschieden. Und dennoch glaube ich nach wie vor fest daran, dass wir an diesem wahnsinnigen Einschnitt in unserem Leben gewachsen sind und es hoffentlich auch weiter tun werden. Wir mussten unsere Comfortzone verlassen und uns ganz neu sortieren. Mit Gefühlen, die wir zuvor nicht kannten. Teilweise sind wir gefühlt blind manche Wege langgelaufen. Seltsame Abzweige gibt es immer noch ab und an. Und manchmal ärgere ich mich, den falschen Abzweig genommen zu haben. Im gesamten aber denke ich, dass unsere Richtung stimmt. Manchmal eben nur mit Umwegen.

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