Was wäre wohl passiert wenn….

Lieber Simon,

Der Dezember naht mit großen Schritten. Letztes Jahr um diese Zeit dachte ich, dass ich es nicht schaffen werde. Nicht nur Weihnachten, sondern dieser ganze Monat. Ich dachte aber auch, dass es im nächsten Jahr bestimmt besser sein würde. Oder Anders, Im besten Fall Beides.

Nun ist es fast soweit. Ich sehe in Zeitschriften die ersten Werbeanzeigen für Weihnachten. Die Kinder schreiben (ja, dieses Jahr Schreiben tatsächlich beide…) ihre Wunschzettel und ich suche Panisch die reste für die Adventkalender zusammen. Bald riecht unser Haus nach Plätzchen und wir werden ein Glas Milch und Kekse in den Flur stellen, damit die Weihnachtswichtel nicht verhungern müssen. Das alles fühlt sich seltsam an, weil ich weiß dass wir all das ohne Dich machen werden. Ein zweites Mal.

Der Dezember war für uns immer mehr als nur der Monat in dem das Weihnachtsfieber ausbricht, weißt Du noch? Am 14. 12.2008 sind wir ein Paar geworden und haben uns trotz ganz deutlicher Unterschiede dazu entschlossen den Weg zusammen zu gehen. Wir hatten nicht die geringste Ahnung ob das funktionieren würde und wollten Beide nicht verletzt werden. Ich denke, dass sich unser Wagnis gelohnt hatte, oder? Ende Dezember, kurz vor Silvester ist Dein Geburtstag, Dein 39. Und das pbwohl Du auf Ewig 37 sein wirst. Früher hast Du davon erzählst, dass Du an deinem 40. Geburtstag ganz groß feiern willst. Mit vielen Freunden und Deiner Familie. Du wolltest wegfahren, irgendwohin, wo es auch im Dezember noch warm ist. Irgendwohn wo Du noch nie vorher warst. Du meintest dass 40 das neue 30 sei und Du gar keine Probleme mit dem Älter werden hättest. Unter uns mein Held, wir wussten immer Beide dass das nicht stimmte. nichts für ungut. Was wäre wohl in diesem Jahr an Deinem Geburtstag gewesen? Hättest Du ihn zelebriert, weil es Dein letzter mit einer 3 vorn gewesen wäre? Hättest Du Deinen 40. in der Sonne bereits geplant? Der Dezember wird hart und mir fehlt immer noch die Stimme, die mir sagt, dass alles gut gehen wird. Du kennst mich ja. Panik haben kann ich.

Der kleine Batman ist nach wie vor ein riesiger Fan von seinem Babycousin. Wobei, so Baby ist er eigentlich gar nicht mehr. Zweieinhalb Monate nach seiner Geburt bist Du gestorben. Du hast Deinen Neffen nie richtig kennenlernen dürfen. Dabei hat er den gleich Hinterkopf wie unser Sohn, wirklich. Und auch sonst sehen sie sich manchmal recht Ähnlich. Die Gene von Deinem Bruder und Dir scheinen sehr durchsetzungsfähig zu sein. Du warst so aufgeregt bevor er geboren wurde. Du warst so stolz bald ein Onkel zu sein und hast insgeheim schon geplant was Du Deinem Neffen alles zeigen wolltest. Dz wärst bestimmt ein grandioser Onkel geworden. Was wäre wohl passiert, wenn Du die Chance bekommen hättest mehr zeit mit ihm zu verbringen? Was wäre wenn Du nur sehen könntest wie sehr unser Sohn dieses kleine Kind lieb hat?

Der kleine Batman selbst ist nämlich überhaupt nicht mehr klein. Er beginnt zu lesen und zu schreiben. Sämtliche Mathetests bringt er fast Fehlerlos mit nach Hause. So wie Du es immer geahnt hattest. Was wäre wenn Du das nur sehen könntest? Leo ist so selbstsicher geworden, dass es schier unfassbar ist. Nichts mehr mit Schüchtern, verängstigt oder sonst etwas. Selbstbewusst mit einem wahnsinnig gutem Standing in seiner Klasse. Er hat Freunde gefunden, ganz allein. Der kleine Batman ist selbstsicherer den je und gefühlt 5 Jahre älter geworden.

Die Einhornbändigerin schreibt eigene Geschichten, findet alles cool was ich seltsam finde. Sie ist selbstbewusst und geht seit kurzer Zeit in einen Jugendclub. Was wäre wenn Du noch da wärst? Vermutlich würden wir zusammen unsere Panik wegatmen, dass es nicht mehr lange dauern wird bis sie den ersten Menschen mit nach Hause bringt in den Sie verliebt ist. WEißt Du noch, dass wir abgesprochen hatten, dass Du diesen Menschen dann „durchchecken“ musst? Wer macht das jetzt?

Bald ist Dezember. Mir graut es davor. Überall diese Weihnachtsmusik und Bildern von Menschen, die sich umarmen. Diese warme stimmung, die fast schon zwanghaft verbreitet werden soll. Ich mochte das noch nie besonders, aber letztes Jahr war es besonders doof. Eines aber hat sich bestätigt. Anders ist es dieses Jahr wirklich. WEil ich in etwa weiß, was da auf uns zukommt. Weil ich den Dezember bereits einmal alleine durchlebt habe. Anders ist es tatsächlich. Besser aber irgendwie nicht. Ich vermisse. Ich vermisse eine warme Hand in meiner.

Bald ist Dezember. Im Dezember 2016 haben wir erfahren dass Krabbe Kunibert zurück ist, bzw. so stark gewachsen war das Handlungsbedarf bestand. Ein Rippe war gebrochen, ein Teil vom Schädelknochen war bröselig und wölbte sich nach Außen. Dein Sternum war (Stelle in der Mitte vom Brustkorb) war angeschlagen und beulte sich ebenso. Kunibert hatte es sich bereits in Deinem Brustkorb gemütlich gemacht und quetschte Deine Lunge ein. Ein massiver Befund. Eine massive Zeit. noch vor Weihnachten ean Deine erste Chemo und Du hattest Angst. Vor Schmerzen. Vor der Chemo. Und auch davor, dass Du da alleine durchmusst. Mein Herz, Du kennst uns doch. Bei uns ging Niemand irgendwo alleine irgendwo durch. Naja, zumindest nicht auf Dauer,

Was wäre wenn Du jetzt noch da wärst? Ginge es Dir gut? Hättest Du Schmerzen? Könntest Du atmen? Und selbst wenn Du es geschafft hättest Krabbe Kunibert im letzten Jahr den Mittelfinger zu zeigen. Dein Stammzellspender war nicht da. Bis zum Schluß nicht. Selbst wenn die Kunibertzellen stark gesunken wären, wüsstest Du, dass die Krabbe zu jeder Zeit wiederkommen könnte und würde.

Krabbe Kunibert hat unsere Sicht auf viele Dinge verändert. Deine. Meine. und die der Kinder. Es sind nicht nur die Themen Krankheit und Tod. Es ist die Erkenntnis welche Dinge wirklich wichtig im Leben sind. Was für bedeutungslose Diskussionen jeden Tag geführt werden. Dass es sich lohnt Wagnisse einzugehen, über sich hinauszuwachsen und zu aktzeptieren. Die Erkenntnis, dass eine Hummel wie eine dicke Biene aussieht, dass Rosen besonders gut nach einem Regenschauer duften und dass Eis erst mit bunten streuseln wirklich lecker ist. Du weißt was ich meine oder?

Bald ist Dezember,die Abende werden wieder länger. Unser Haus riecht nach Zimt und Apfelkerzen. Nicht weil es bald Weihnachten sein wird, sondern weil wir es gern haben.

Geliebter Held,ich wünsche Dir ganz viel Zimtduft und Mohnmuffins im Himmel. Viele neue Freunde, die Dich in den Arm nehmen, wenn Du Dich einsam fühlst. Ich wünsche dir die schönste Zeit ohne Zeit. Ich wünsche Dir Wasserfälle aus Kaffee an denen Du sitzen kannst, während Du unseren Kindern beim lesen zuhörst. Ich weiß; Du bist immer da. Ich weiß, dass Du trotzdem Platz lässt. Rock den Himmel, mein Held.




Ein Gedanke zu „Was wäre wohl passiert wenn….

  1. Jetzt musste ich das erste Mal beim Lesen Deines Blogs noch heftiger schlucken als sonst. Gerade letzte Woche habe ich darüber nachgedacht, dass ich das erste Weihnachten alleine letztes Jahr ganz gut gemeistert habe, zumal es meiner Frau ohnehin nie viel bedeutete. Und ohne Kinder ist das sicher auch nochmal was ganz anderes. Aber eine gewisse Besinnlichkeit lässt sich nicht wegdiskutieren und daher bin ich sehr gespannt, wie es diesmal sein wird.

    Plätzchen backen für die Nachbarn war immer und wird auch diesmal sein. Und mein Mantra bleibt das Wort „Geduld“.

    Euch wünsche ich eine möglichst entspannte und friedliche (und bestimmt auch fröhliche) Zeit.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.