Im April bekam ich eine E-Mail ais dem Innenministerium NRW. Sie planten dort eine interne Veranstaltung zu Thema Krebs und dem Umgang damit. Gekoppelt werden sollte das mit der Möglichkeit sich bei der DKMS registrieren zu können. Ich wurde gefragt ob ich auch dazu kommen möchte um etwas aus unserem Buch vorzulesen und auch um an der Podiumsdiskussion teilzunehmen.
Letzte Woche war es soweit. Am Mittwoch, nachdem die Kinder in die Schule gegangen waren, fuhr ich zum Flughafen. Die Einhornbändigerin verweilte bei Papa 1, der kleine Batman bei seinem besten Freund und seiner „Lieblings-Nicht-Mama“. Dieses Mal war mir etwas flauer als sonst, ohne wirklich sagen zu können woran es liegt. Ich machte übrigens den Fehler und hatte meine Winterstiefel an. Diese durfte ich in der Sicherheitskontrolle ausziehen. Da ich nur mit Handgepäck geflogen bin, achtete ich darauf was dort drin ist. Nicht ausreichend. Im Koffer war mein Mapapu, ein Stofftier aus Simons Klamotten, dass neben seinem Ring und meinen Glücksschuhen immer mit dabei ist, wenn ich Termine dieser Art habe. Ich musste den Koffer selbstverständlich öffnen, weil den Sicherheitsleuten dort unklar war, was das ist. Nun gut, ich war dezent genervt. Der Rest klappte gut, ich kam pünktlich in Düsseldorf an und von dort abgeholt.

Kurz ging es ins Hotel zum einchecken. Zum Glück für meine Orientierung lag das nahezu neben dem Ministerium. Danke an dieser Stelle. Etwas später stand ich beim Pförtner des Innenministeriums, bekam meinen Besucherausweis und wurde etwas herumgeführt. Das ist riesig und ich würde mich vermutlich ständig verlaufen. Ich sah ein paar Büros, den „kleinen Saal“, in dem ich Morgen auf der „Bühne“ sitzen sollte

und traf auch einen Kollegen von dort, der die gleiche Diagnose mit sich trägt, wie unser Held es tat. Ich wusste dass ich diesen Menschen treffen. In den vergangenen Jahren habe ich aufgrund dieses Blogs einige Patienten kennenlernen dürfen, einige davon auch im echten Leben.
Nun stand dieser Mensch vor mir und wir etwas mit einander zu sprechen. Seine Geschichte ähnelte die es Helden. Rückenschmerzen, erst ein anderer Verdacht, dann die Diagnose. Er wurde inzwischen auch transplantiert; Stammzellen von einem Stammzellspender. Auch das wusste ich . Was mir aber gar nicht bewusst war, war die Tatsache, dass sowohl dieser mensch als auch unser Held nahezu zeitgleich diagnostiziert worden sind. 2012. Vor mir saß ein Mann, der einiges älter ist als Simon es war. Es ging im gut. Sein Kunibert schläft. Er wurde im gleichen Jahr diagnostiziert. Die erste Behandlung war identisch mit dem des Helden. Der einzige Unterschied war, dass es für ihn einen genetischen Zwilling gegeben hatte. Ich war nicht neidisch. Ich freute mich für ihn. Und dennoch war es wie eine Art Spiegel, wie es hätte auch sein können. Das war merkwürdig.

Gleichzeitig sag ich bei dem Rundgang im Ministerium viele Plakate und Aufsteller mit deren Hilfe intern auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht wurde. Von jedem dieser Plakate sah mich Simon ab. In riesig.Das war abgesprochen. Ich wusste das. Aber dann selbst davor zu stehen war trotzdem merkwürdig.
Kurz bevor ich das Ministerium verlassen habe, ging es in die 14. Etage; eine Art Dachterrasse in riesig. Luftballons gab es nämlich auch. Danke Euch!

Am Abend bin ich mit zwei Frau, den Organisatorinnen der Aktion Essen gegangen.

Wir sprachen noch schnell über ein paar Details und wann ich am nächsten Tag im Ministerium sein sollte.So weit, so gut.
Irgendwann war ich im Bett, vergaß allerdings mein Handy an die Steckdose zu schließen. Ungünstig, da es mich wecken sollte. Dann passierte das, was noch nie passiert ist. Um 8.40 sollte ich zu einem Vorbereitungstreffen aller Teilnehmer im Ministerium sein. Ich wurde nicht durch mein Telefon geweckt, sondern durch das des Hotelzimmers. Es war kurz vor 9… Panisch sprang ich aus dem Bett, machte mich mehr schlecht als recht fertig. Packte alles zusammen, checkte aus und rannte zum Ministerium. Gegen halb 10 war ich dort, wenigstens noch pünktlich für den internen Fotografen. Es wurden diverse Bilder gemacht, die DKMS war auch vor Ort. Glücklicherweise auch jemand den ich kannte.

Trotz meiner Verspätung waren alle nett, wobei ich befürchte, dass sie doch leicht entsetzt gewesen sind. Die Organisatoreninnen wirkten ziemlich unter Strom. Immerhin war ich noch vor dem Innenminister vor Ort. Das wäre sonst peinlich geworden. Sven Lorig, der Moderator der Veranstaltung und auch der Lesung war schon dort. Ein Autogramm für Leos „Lieblings-Nicht-Mama“ gab es auch.(Die Mutter seiner besten Freunde) Ich muss leider gestehen, dass ich ihn erst seit der vorherigen Telefonkonferenz kannte. Dafür aber registrierte er sich noch schnell bei der DKMS.

Ich trank noch schnell einen Kaffee und bediente mich an der rumstehenden Schoki. Mein Kreislauf war im Keller. Meine Lesung selbst lief ganz gut, schwieriger als sonst. Aber gut. Danach folgte die Podiumsdiskussion in der einige Betroffene über den Umgang mit ihrer Krebserkrankung gesprochen haben und auch darüber, was sie sich von ihrem Umfeld gewünscht hätten.

Im Anschluss atmete ich auf, signierte ein paar Bücher. (damit bin ich immer noch überfordert, was schreibt man da rein?) Es ging nochmal in die 14 Etage, diesmal mit Fotografen, der ein paar Fotos für internen Zwecke machen wollte. Das Making of sah dann so aus.

Mittags bin ich mit der DKMS, den Organisatoreninnen und dem Patienten mit dem multiplen Myelom essen gegangen. Gegen 13 Uhr irgendwas. Endlich Frühstück. Und noch mehr Kaffee. Viel Kaffee.
Wenig später stand ich bereits am Flughafen. Eigentlich gab es genug Zeit. Uneigentlich war aufgrund eines Einsatzes der Bundespolizei die Sicherheitskontrolle meines Gates gesperrt. Ich sollte nun zu Gate 3. Das dummerweise am anderen Ende des Flughafen liegt. Und genau dieser in Düsseldorf ist gigantisch. Gate 3 gefunden. Alle anderen leider auch. Nur eine, später zwei Wege durch die Sicherheitskontrolle. Ich stand da ne knappe Stunde in der Schlange, die Zeit wurde eng. Ich musste meine Tasche erneut öffnen. Ich hatte losen Tee (der zum aufbrühen, also nicht flüssig) geschenkt bekommen, den wollten die Sicherheitsleute sehen. KLar doch.

Nach dem Check rannte ich wieder zurück zu meinem Gate. Dezent panisch um dann festzustellen, dass der Flieger verspätet fliegen wird. Irgendwas musste erst enteist werden. Irgendwann im Flieger sitzend, startete er immer noch nicht, weil das Navi ausgefallen war und neu gestartet werden musste.
Der Rest aber klappte. Immerhin. Abends nahm ich leicht verspätet den kleinen Batman entgegen, der glücklicherweise bereits zu Abend gegessen hatte.
Ich war so k.o. Das hielt auch einige Tage an. Abgesehen von den vielen Pannen, war das Grundgefühl dieses Mal irgendwie anders. Schwierig zu beschreiben.

Besonders beeindruckt hat mich dieser Patient, der die gleiche Krabbe in sich trägt, wie Simon es tat. Wie gut es ihm geht. Wie tapfer er ist und mit welchem Lebenswillen er mit dieser Erkrankung umgeht. Es war nicht einfach für mich ihn zu treffen, obwohl er nicht der erste Patient war den ich Kennenlernen durfte. Aber die vielen Dingen, die unser Held und dieser Mann gemeinsam hatten, machte ich fast sprachlos. Die Tatsache, dass er einen Stammzellspender gefunden hat und Simon nicht, stimmte mich nachdenklich. Wie wäre es meinem Mann ergangen, wenn er ebenfalls diese Chance bekommen hätte? Wie anders wäre das Leben unser Kinder und meins? Ich kann diese Fragen nicht beantworten, aber ich kann versuchen immer wieder über Blutkrebs, Stammzellspendern und deren Dringlichkeit zu sprechen. In der Hoffnung, dass Fälle wie Simon irgendwann zur absoluten Ausnahme gehören. Noch ist dem nämlich nicht so.

Stammzellen spenden darf ich nicht aber…
Das Honorar für diese Veranstaltung werde ich, wie sonst auch nicht selbst behalten. Ein Teil geht zur DKMS. Ein anderer Teil an eine Familie, die diese Unterstützung gut gebrauchen kann. Zusammengerechnet konnte Simon dieses Jahr durch diverse Veranstaltungen, Lesungen und Sammlungen eine 5 Stellige Spendensumme generieren.
(Und bevor das gleich wieder losgeht…Ja, ich weiß was ich da tue. Ja, ich weiß dass ich davon auch unseren kaputten Backofen ersetzen könnte oder nen Führerschein machen oder einen Urlaub buchen, Geschenke kaufen… Unser Bett ist warm. Das Dach über unseren Köpfen ganz. Der Kühlschrank gefüllt, Strom und Wasser funktionieren auch. Der Rest sind im Grunde Luxusprobleme, verglichen mit dem wo diese Summe landet. Wenn es an der Zeit ist, andere finanzielle Mittel da sind kümmere ich mich um den Rest. )
Liebes Innenministerium NRW, danke dass Ihr Euch/Sie sich für Themen wie diese einsetzen. Das ihr/ Sie verschiedensten Krebserkrankungen ein Gesicht gegeben habt. Danke, dass diese Themen als relevant genug angesehen werden um darüber in einem offiziellen Rahmen zu sprechen.

Einfach nur beeindruckt … mal wieder! Ich wünsche dir und den Kindern schöne Feiertage, mit gemütlichem Beisammensein und leuchtenden Kinderaugen und Stunden, in denen möglichst nicht die trüben Gedanken überwiegen …