Liebster Held,
Heute ist der 5.Februar 2020. Ich hatte heute früh einen Termin, so dass der kleine Batman heute als Ausnahme in den Ferien seine Zeit im Hort verbringt. Heute denke ich den ganzen Tag an Dich. es ist irgendwas mit 11 Uhr. Heute vor 19 Monaten saß ich mit einem Arzt im Vorzimmer der Intensivstation. Neben mir war eine Psychoonkologin, die ähnlich überfordert wirkte, wie ich es war. Der Arzt erzählte mir die von den nächsten Plänen, die er mit dir vorhatte. Ops, experimentelle Geschichten.
Du lagst seit 12 Stunden im Koma, weil Deine Lunge versagt hatte. Fünf Minuten zuvor hast Du mich anrufen lassen, weil Du von mir hören wolltest, dass das alles okay wäre, was die Ärzte mit Dir da machen. Ich wusste, dass es die letzten Worte sein werden, die wir miteinander sprechen. Ich drückte einen Knopf auf meinem Telefon und ließ dieses Telefonat mitschneiden.

Deine Lunge hatte aufgegeben, zerfressen von Metastasen und Entzündungen. Am Brustkorb festgewachsen. Auch die beste OP und Folgebehandlung hätte Dich nicht mehr von der Beatmungsmaschine trennen können.
Heute vor 19 Monaten, gegen 11.30 rief ich Deine Schwägerin an. Ich sagte ihr, dass sie schnell vorbeikommen sollen. Um sich zu verabschieden, ich wäre nämlich grade dabei Dich umzubringen. Sie sagte Deinen Eltern Bescheid. Ich rief Freunde von Dir an Und hoffe bis heute an die wichtigsten Menschen gedacht zu haben.
Geliebter Held, heute vor 19 Monaten war ich die Sensenfrau, ich spielte Gott und versuchte mich an das zuhalten was wir besprochen hatten. Ich gebe zu, bis heute bin ich manchmal sauer auf Dich, dass Du mir deine Gesundheitsfürsorge ungefragt einfach übertragen hast. Dass Du nicht irgendwo schriftlich festgehalten hast, was Du von lebensverlängernden Maßnahmen hälst. Nie wieder möchte ich eine Entscheidung wie diese treffen müssen.

Heute vor 19 Monaten entschied ich Dich gehen zu lassen. Nur wenige stunden nach dieser Unterschrift von mir die Behandlung einstellen zu lassen bist Du geflogen. In den Himmel, mit riesengroßen Flügeln. Es war der 6.7.2018 um 0.02 Uhr. Die Nacht war mild und Sternenklar. Ich bin mir sicher, dass Du den Weg zur Regenbogenrutsche gefunden hast.
Liebster Simon, seit dem wir in den sozialen Medien unterwegs waren, lernten wir andere Betroffene kennen, die ein Multiples Myelom in sich tragen. Zwei von Ihnen befinden sich grade im Rezidiv. Vielleicht kannst Du von da oben ein paar Schrauben drehen, dass Krabbe Kunibert bei ihnen nochmal einschläft, dass die Zwei etwas mehr Zeit bekommen. Meinst Du dass das Ginge? Ich danke Dir!
Liebster Simon, ich vermisse es wie Du mir in die Augen gesehen hast und „Meins“ sagtest. Ich vermisse das streiten mit Dir und das Vertragen danach. Die Abende in Einsamkeit sind nach wie vor nichts für mich. Aber weißt Du, es geht voran. Jeden Tag ein Stückchen mehr. Und dann gibt es wieder diese Tage, die mich zurückwerfen. Jeden Monat am 5. denke ich an meine Unterschrift, die dafür sorgte dass Du gestorben bist. Ich erinnere mich daran, dass Deine Familie und Deine Freunde gekommen sind. Alle saßen sie mit mir zusammen in diesem Vorraum der Intensivstation. Bevor wir aber zu Dir ins Zimmer gegangen sind musste ich zuerst ein zweites Mal, bei einem anderem Arzt unterschreiben, dass ich möchte, dass Deine Behandlung auf palliativ umgestellt wird. Also dass nicht mehr in den Verlauf der Erkrankung eingegriffen wird. Ich ging mit dieser Ärztin mit, allein. Alle anderen warteten in diesem Vorraum. Ich spürte die Blicke und es fühlte sich an, als würde ich zu dem Richter Deines Todesurteils werden. Diese Situation verfolgt mich. Und ich empfinde diese Situation für mich fast schwerer tragbar als die Tatsache, dass Du gestorben ist. Es geht eher um das Wie als um die Tatsache an sich. Verstehst Du was ich meine?

Ich mag den 5. eines Monats nicht. Ich mag ihn einfach nicht. Und ich hoffe, dass ich irgendwann in der Lage sein werde dieses Datum nicht mehr so arg zu gewichten.
Ich vermiss Dich mein Held. Aber mich vermisse ich auch ab und zu. Manchmal fühlt es sich so an, als hätte ich vor 19 Monaten für uns Beide unterschrieben und entschieden, dass wir Beide Palliativpatienten werden. Hört sich irre an, ich weiß das. Aber Du kennst mich ja.
Geliebter Held, Rock den Himmel. Mach es Dir bunt. Morgen gibt es einen Luftballon für Dich. In Apfelgrün, diese Farbe mochtest Du immer besonders gern.

Es war nicht deine Unterschrift, sondern die verdammte Krabbe.
Trotzdem ist es verständlich, dass du dich so fühlst. Wie gemein, dass deine Last durch diese Umstände noch schwerer wiegt. 😔
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Und wieder einmal kann ich dich so gut verstehen! Vor allem dieses Vermissen. Ich vermisse meinen Mann so sehr und mich aucj. Alles nicht mehr so wie es war!