Regenschauer und Sonnenschein; 22 Monate ohne Dich

Heute ist ein grauer Tag, die Sonne versteckt sich hinter den dichten Wolken. Es ist fast schon kalt und ich frage mich ob ich meine dicke Jacke zu früh in den Schrank gehängt habe. Der Sonne fällt es schwer ihre Strahlen durch die dichte Wolkenmasse zu quetschen. Es bleibt kalt. Es bleibt grau.

In den letzten 22 Monaten gab es viele dieser Tage. Das lag vermutlich an den Jahreszeiten, die sich genauso abwechselten wie die Sonne mit den Regenschauern aus den Wolken. Es gab Tage an denen mich dieses Wetter ärgerte, ich es als lästig empfand, weil ich eigentlich ganz andere Pläne hatte. Ein Picknick im Wald war schließlich schwierig, wenn es wie aus Eimern schüttete. Ich starrte aus dem Fenster und konnte es manchmal gar nicht verstehen, warum das Wetter so unendlich gemein sein konnte.

Die Decke fiel mir auf dem Kopf, weil ich unsere Wohnung nicht verlassen konnte. Ich wurde wütend, ab und an so sehr dass ich Bauchweh bekam. An dem Bauchweh war der Regen schuld. Und die kalten Temperaturen. Irgendwer musste schließlich schuld sein. Ich ärgerte mich immer mehr. Aber auch wenn ich vor Wut oder Verzweiflung fast platzen konnte, das Wetter änderte sich nicht.

Stattdessen erinnerte ich mich irgendwann an diesen warmen Moment. Wenn die Sonne in den Augen kitzelte. Das nervte auch. Irgendwas war immer. Irgendein Stressfaktor gab es da auch. Aber in Summe waren die Momente mit Sonne schöner. Die Tage, an denen es keine warme Jacke bedurfte.  Ich erinnerte mich gern daran zurück. Es war eine Mischung aus Sehnsucht und Vermissen. Ich ärgerte mich darüber, dass dieser Kreislauf immer weiterging. Warum konnte es nicht einfach warm bleiben. Und sonnig. Gedanken an die Vegetation draußen, der Regen bestimmt guttäte, verbannte ich schnell wieder aus meinem Kopf.

Die letzten 22 Monate waren wie ein Kreislauf. Wie die Jahreszeiten, die sich immer abwechseln. Ich war oft wüted auf Dinge, die wir nicht mehr tun konnten. Ich war noch wütender darauf, dass wir lange Zeit unseres Lebens verschenkt haben. Bevor Du krank geworden bist. Wir hätten viel, viel Zeit ganz anders, viel schöner nutzen können. Wir nahmen uns Dinge vor, die wir nicht getan hatten, weil sie „grade nicht gepasst“ haben. Weil wir Dinge ein anderes Mal hätten tun wollen.

Ich bin manchmal sauer, dass sein Dein genetischer Zwilling nicht als potentieller Stammzellspender registriert hat. Mich macht es manchmal wütend, dass Dir die Komplikationen einer Brustkorbpunktion am Ende förmlich die Luft zum Atmen geraubt hat. Ich bin wütend auf Dich, weil Du mich oft sehr gereizt und überhitzt angesprochen hast. Ich bin sauer, dass Du gestorben bist. Ich bin sauer, weil ich sauer bin.

Auch das macht Bauchweh. Daran sind weder Du noch Krabbe Kunibert Schuld. Aber weißt Du, es ist manchmal einfacher diese „Schuld“ bei irgendwem zu suchen als bei sich selbst. Seit 22 Monaten bist Du tot. Du bist nicht mehr da. Es gab viele graue Tage. Die sonnigen Tage aber überwiegen. Und ich weiß dass meine grauen Gedanken bei mir liegen, dass ich dafür Verantwortlich bin. Weil es meine Gedanken sind. Trotzdem hoffe ich, dass du ab und zu ein Auge zudrücken kannst, wenn ich wieder einmal denke, dass das Grummeln in meinem Bauch Dir geschuldet ist.

22 Monate Sonne und Wolken. Sturm und seichte Winde. 22 Monate gehe ich einen mir völlig unbekannten Weg, dessen Ziel ich ebenso wenig kenne. Jeden Tag dieser 22 Monate aber brachte und bringt mich dem Ziel ein großes Stück näher. Auch wenn es sich manchmal ganz anders anfühlte.

Die letzten 22 Monate aber gab es auch dieses lähmende und zeitgleich antreibende Gefühl der Angst nicht mehr. Ich habe immer noch Angst. Aber es sind andere Ängste. Ich fürchte mich manchmal vor zwischenmenschlichen Beziehungen, weil ich glaube gar nicht mehr zu wissen wie das eigentlich geht. Ich fürchte manchmal um unsere finanzielle Sicherheit. Ich fürchte mich auch manchmal vor bestimmten Tagen oder Aufgaben, die erledigt werden müssen. Aber… ich habe seit 22 Monaten nicht ständig das Gefühl im Nacken, dass morgen einer mir liebsten Menschen sterben könnte. Ich habe keine Angst mehr unser Zuhause zu betreten, weil es hier nach dem Tod gerochen hat. Ich gehe einfach duschen und habe nicht mein Handy samt Tüte drum herum mit dabei, weil ich Angst habe, dass sich eine Klinik meldet um mir neue Hiobsbotschaften mitzuteilen. Ich muss keine Angst mehr davor haben, wie ein Leben ohne Dich sein wird. Ob ich es schaffen werde. Denn inzwischen bin ich in diesem Leben und ich weiß, dass die Kinder und ich das alles ganz gut hinbekommen. Diese große Angst, die wie ein Stein auf meiner Brust gelegen hat ist weg, Du hast sie mitgenommen. Dafür danke ich Dir mein Held, auch wenn Du dafür den größten Preis zahlen musstest.

Ich würde Dir so gern erzählen können, dass es mir immer gut geht. Das kann ich leider nicht. Diese Wolken um uns, werden immer Mal wieder etwas dunkler. Der Regen ergießt sich oft auf meinem Kopf. Aber nur wenn es regnet, können wir in Pfützen springen und Deine Regenbogenrutsche sehen. Dann wird das Grau wieder etwas bunter.

Und am Ende wir alles gut. Rocke den Himmel mein Held.

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