Ich bin nun zwei Jahre Alleinerziehend. Zwei Jahre ohne Mann. Ohne Partner. Ab und an werde ich gefragt, was mir eigentlich am Meistenten Fehle. Bezogen auf das fehlende Puzzlleteil.
Als Meine Mutter das letzte Mal hier gewesen ist haben wir über die Zeit mit Simon geredet. Wie was eigentlich war als wir in dieses Haus hier eingezogen sind. Der kleine Batman war drei Monate alt, ein Schreibaby. (ich glaube neudeutsch heißt das High Need Baby) Die Einhornbändigerin war 4, Epilepsie wurde grade diagnostiziert und die ersten Medikamentenveruche starteten. Simon war von seiner Hochdosischemo zurück und stand kurz vor seiner Reha. Er wohnte bereits bei mir; 60 qm Altbauwohnung.
Durch viel Glück, einige Umwege bekamen wir die Mietzusage für das Haus hier. Zwei Tage nach der Zusage zogen wir nur mit dem Kinderzimmer des großen Kindes und unseren Klamotten in Kisten hier ein.
Eine gute Woche später fuhr Simon für vier Wochen zur Reha. Wir anderen Drei wohnten in einem leeren Haus. Ich mit tiefen Augenringen, der kleine Bruder mit Dauergeschrei und die große Schwester mit 20 und mehr Anfällen täglich. Es war ein Fest. Es war f***ing anstrengend und ich frage mich bis heute wie das eigentlich geklappt hat.

Ich stritt via Telefon mit Simon weil wir beide absolut überfordert mit der Situation waren. Und dennoch… Ich wusste immer dass er da ist, wenn auch grade nicht körperlich. Ich wusste dass da Jemand ist, der zurückkommen wird und wir das alles schon irgendwie wuppen werden.
Mir fehlt unter Anderem genau das. Diese Sicherheit einen anderen erwachsenen Menschen an meiner Seite zu wissen. Jemand dem ich zwar ab und an gern den Kopf abreißen würde, aber dennoch nicht ohne könnte.
Ich vermisse dieses zwischenmenschliche, Nähe und Geborgenheit. Die Liebe zu meinen Kindern ist grenzenlos, auch wenn ich ihnen manchmal ebenso den Kopf abreißen will. Aber Die Beziehungsebene zu einem Partner ist eine Andere. Ich bin nicht gern ein offenes Buch für Andere und gleichzeitig fehlt mir der Gedanke daran, dass mein Gegenüber mich so gut kennt, dass es bei Schokolade mit Salz und Bubble Tea automatisch an mich denken muss.

Ich vermisse den Verbündeten, der der da ist, wenn sich die Kinder gegen mich verbünden 😊 Der, der etwas Ruhe in mein Chaotisches Wesen bringt und mir immer wieder vergewissert, dass bei Gewitter kein Blitz in unser Haus einschlagen wird. Jemand, der mir Apfelmark (Apfelmus ohne Zucker) mitbringt weil er weiß, dass ich den für meinen Milchreis brauche. Ich vermisse Fürsorge, kleine, gegenseitige Gesten. Jemanden, der genau weiß, dass ich mich als Erwachsene noch über eine Geburtstagskrone freue oder über eine Girlande. auf der aber bitte nur die 25 stehen sollte 🙂
Ich bin gern ab und zu allein. Aber Einsamkeit finde ich blöd. Einsam bin ich auch gar nicht. Gute Freunde sind da. Meine Kinder auch. Okay, und die Hunde natürlich. Aber all diese wundervollen Wesen lösen nur selten ein kribbeln in meinem Bauch aus, so lieb ich sie auch hab. Ich hätte auch nichts gegen eine erwachsene Hand, die meine hält.
Und sorry…ja, ich vermisse auch körperliche Nähe.
Das Problem bei Hinterbliebenen ist oft, dass anders auf uns geguckt wird, als zum Beispiel auf Menschen, die von ihrem Partner/ihrer Partnerin verlassen worden sind. Wenn diese sich genau diese Dinge wünschen, dann ist es okay. Schließlich haben auch andere Mütter schöne Söhne/schöne Töchter. Nicht wahr?
Du bist verwitwet? Tja dann sieht die Lage für Dich da leider anders aus. Immerhin hast Du zu trauern. Aber bitte nicht zu lang. Aber Gedanken an zwischenmenschliche oder gar sexuelle Beziehungen zu einem anderem Menschen? Bitte nicht. Das gehört sich nicht. No Way. Du fühlst auf zwei Unterschiedlichen Ebenen? Vermissen des „alten Ich“ und gleichzeitig der Wunsch nach etwas Neuem. Pech gehabt.

Ich verstehe nicht warum Trauer und der Wunsch nach zwischenmenschlicher Wärme, Nähe, Vertrauen usw. sich ausschließen müssen. Warum ist das eigentlich so?
Ich vermisse ein paar Dinge. So wie viele andere Alleinstehende es auch tun. Viele Alleinerziehende. Und auch viele andere Alleinerziehende stürzen sich (vermutlich) nicht blind in irgendeine neue Beziehung, die am Ende auf die Kosten der Kinder geht. Dieses Wort mit B muss noch gar nicht ausgesprochen werden. Allein dieses Vermissen von Vertrauen, Händchenhalten und ähnliches heißt noch lange nicht dass sich irgendwer krampfhaft auf die Suche nach einer „neuen Liebe“ macht. Das gilt für Alle.
Erfahrungswerte und Erzählungen Anderer zeigen mir jedoch, dass bei den Singleeltern ganz oft unterschieden wird; verwitwet oder getrennt. Im übrigen kenne ich genug Menschen, die ebenfalls trauern, ohne dass ihr Lieblingsmensch gestorben ist. Sie wurden verlassen. Möglicherweise von Heute auf Morgen und verstehen nun die Welt nicht mehr. Wenn diese Menschen sich, trotz nicht verabeiteter Trennung, wieder mehr Nähe wünschen, scheint das dennoch okay zu sein.
Ich vermisse viele Dinge, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe es nicht zu dürfen.

Vermissen ist etwas egoistisches, weil es sich auf ein Gefühl bezieht welches zum Beispiel ich in manchen Momenten empfinde. Und dann gibt es grade bei verwitweten, Hinterbliebenen und frisch getrennten Menschen verschiedene Arten des Vermissens.
Zum Einen gibt es da die „ich vermisse den Menschen, der nicht mehr da ist“ So ergeht es mir und den Kindern. Wir vermissen Simon, das ist einfach so. Mal stark, mal etwas weniger. Wir vermissen weil wir geliebt haben, viele Dinge zusammen erlebten und besonders die Kindererst in ein Leben ohne ihn hineinwachsen mussten.
Oft entsteht dann auch dieses „ich vermisse die Vollständigkeit“. Das war besonders beim Batman eine Zeit lang stark ausgeprägt und bei mir im Grunde auch. Der kleine Heldensohn wollte unbedingt die entstandene Lücke schließen und quatschte jeden Postboten, Handwerker oder sonst wie männliches Wesen an, dass sich unserem Haus näherte ob dieser nicht „Mamas neuer Freund“ sein will. Das war am Anfang recht befremdlich. Okay war es auch. Er sagte dann immer dass es unfair sei, weil alle Kinder einen Papa hätten und er nicht. Sogar seine Schwester hätte noch Papa 1.
Das legte sich mit der Zeit, weil wir immer und immer wieder darüber geredet haben. Darüber dass hier Niemand ersetzt wird und auch gar nicht ersetzt werden kann. Dass ich seine Wut verstehe aber die vermutlich nicht besser wird wenn ich einen „neuen Mann“ mitbringe.
Inzwischen dieses das „Vermissen der Vollständigkeit“ nahezu überstanden, weil unser neues Leben zu Dritt inzwischen Alltag geworden ist. Nicht immer einfach, manchmal auch mit Extrem-Vermissen aber trotzdem irgendwie schön.
Dieses Vermissen ist jetzt dem „Vermissen von physischer und psychischer Nähe“ gewichen. Jetzt kann ich vorrangig nur von mir reden; aber ich vermisse da etwas. Irgendwen, ohne zu wissen wer das eigentlich ist. So ganz unabhängig von meinem Mann. Weil auch ich trotz meiner Vorgeschichte ein Mensch geblieben bin. Dieses Vermissen von Etwas Neuem schließt meiner Meinung nach das Vermissen „des alten Lebens“ nicht aus. Auch wenn ich es so manches Mal gern wäre, ein Stein bin ich nicht.

Das haben Hinterbliebene und frisch getrennte Menschen sehr gemeinsam. Sie alle sollten sich ein Bewusstsein dafür schaffen, was da eigentlich vermisst wird. Ein ganz bestimmter Mensch? Und/oder die Qualität die diese Beziehung zwischen einem selbst und diesem Menschen ausgemacht hat? Oder ist es einfach das Vermissen und gleichzeitig der Wille/der Wunsch nach etwas Neuem? Nach Fürsorge, nach einem ganz bestimmten Gefühl dass Flugzeuge im Bauch auslösen könnte? Die Tatsache dass da Jemand sein könnte, der Schokolade mit Salz mitbringt, obwohl es sich zugegeben nicht sonderlich lecker anhört. (ist es aber)?