Trauerphasen; in welcher steckst Du? IN welcher stecke ich 4/4

Heute erzähle ich Euch von der vierten und letzten Trauerphase, die Verena Kast in ihrer Theroie niedergeschrieben hat. Sie nennt diese „Phase“ der Trauer

Neuer Selbst- und Weltbezug

Kast sagt, dass nun allmählich Ruhe einkehrt. Das aber nur, wenn zuvor sämtliche Gefühlswellen wie Schmerz, Wut und auch anklagender Zorn hinaus geschrienen werden durften. Der Verstorbene hat einen Platz im Herz, der Seele des Hinterbliebenen gefunden, ohne dabei ständig immer wieder gesucht zu werden.

Das Leben ginge weiter und der/die Hinterbliebene erkennt, dass für alles was nun kommt, nur er/sie verantwortlich ist. In meinem Fall habe ich irgendwann ganz deutlich gemerkt, dass die Verantwortung für mein Leben in meiner Hand liegt. Nur in meiner und es obliegt somit auch bei mir, damit etwas sinnvolles anzustellen.

Kast sagt, dass nun viele Hinterbliebene wieder neue Pläne schmieden, manchmal auch Dinge, die zuvor nie ein Thema gewesen wären. Der Tod eines Lieblingsmenschen, möglicherweise auch die Zeit davor und die Zeit des Trauerns haben Spuren hinterlassen. Die Einstellung zu vielen Dingen, so gar zum Leben selbst ist bei vielen Hinterbliebenen nun eine völlig Andere. Es werden andere Prioritäten gesetzt, neue Modelle zur Lebensführung entwickelt. Der verstorbene Lieblingsmensch aber bleibt ein Teil in deren Leben. Dieser „lebt“ weiter in Erinnerungen, Erzählungen und Gedanken. Der Umgang mit dem Tod und dem eigenem Schicksal ist ein Anderer als unmittelbar nach dem Verlust. Manche verwitwete Menschen finden zum Teil neue Partner, sie ergänzen ihre Familien. Von Außen wird das, wie ich bereits erzählte, oft unterschiedlich wahrgenommen.

Ich habe unseren Blog nach Simons Tod nicht grundlos in „Weg ins Leben 2.0“ umbenannt. Die Jenigen unter Euch, die schon länger hier mitlesen, wissen vielleicht noch, dass unser Blog zuvor „Eine Familie lebt mit Papas Krabbe“ hieß. Die Leben vor und nach dem Verlust eines Lieblingsmenschen sind oft sehr, sehr unterschiedlich. Nach Außen sichtbar, gefühlt sogar noch etwas mehr. Abläufe, Strukturen, das soziale Umfeld, eigene Grenzen, eigene Einstellungen…alles verschwimmt irgendwann. Bei mir wurde all das zu einer grauen Masse und ich versuchte daraus wieder etwas wie einen roten Faden zu bekommen. Diesen roten Faden fand ich tatsächlich nie, aber einen Weg, den wir nun zu Dritt langgelaufen sind. Einen Weg, der uns ins neue Leben, ins Leben 2.0 bringen sollte. Dieses „Angekommen sein“ von dem viele Menschen gerne reden; ich weiß nicht genau was das bedeuten soll. Aber ich denke, dass das „Jetzt“ schon ganz nah an diesem Leben 2.0 dran sein könnte. Komplett in neuem Leben werden wir angekommen sein, wenn sich neue Strukturen gefestigt haben, ich deutlich selbstverständlicher Dinge tue, die ich vorher nicht konnte. Ohne mir danach selbst auf die Schulter zu klopfen. Weil es Normal geworden ist. Das Leben 2.0 ist dann da, wenn alles, aber wirklich alles real geworden ist und wir gleichzeitig lächelnd da sitzen und denken „Ja das passt“

Auch wichtig….Wie Außenstehende an dieser Stelle unterstützen können

Außenstehende sollten versuchen zu akzeptieren, dass sich der/die Hinterbliebene verändert hat. Möglicherweise kann die trauernde Person auch in der Bildung eines neuen oder ausgebauten sozialem Netzwerk unterstützt werden oder auch darin neue Hobbys zu finden. Die Trauerbegleitung kann verändert oder beendet werden. Und dennoch ist es hilfreich sensibel für Rückfälle zu sein.

Und besonders diese Rückfälle sind so richtig bäh. Ich befinde mich im Grunde in der vierten, hier genannten Phase. Aber dann gibt es Momente, in denen das riesige Loch unter meinen Füßen wieder aufreißt, ich wieder in dieser Klinik, auf einem klapprigen Stuhl sitze und unterschreibe, dass mein Mann sterben darf. Dann bin ich wieder winzig klein, kann kaum atmen und frage mich warum das eigentlich alles geschehen musste. Es gibt Tage, da ertrinke ich in Erinnerungen. Meistens gibt es dafür Auslöser, Trigger; ich bin anfällig für Gerüche oder Worte. Manchmal sind es Situationen, die in ähnlicher Weise schonmal durchlebt habe. Es sind bestimmte Jahrestage oder Zeitabschnitte in einem Jahr.  Aber ab und zu passiert das einfach so, ohne dass ich einen Auslöser festmachen kann. Dann geht es mir nicht gut und ich falle gefühlt 100 Schritte zurück. Dann igel ich mich gerne ein und bemitleide mich selbst. Einen Tag später, oder auch zwei, kann die Welt schon wieder eine ganz andere sein.

Ich versuche auch an diesen Tagen zu verinnerlichen, dass es okay ist. Dass das erlaubt ist. Dass ich nicht irre bin oder auf der Stelle trample. Ich versuche das Gefühl, dass es mich fast zerreißen könnte zuzulassen. Und ich versuche mich immer wieder daran zu erinnern, dass es meine Gefühle sind. Mein Innerliches. Meine Verantwortung. Meine Baustelle. Und nicht die von meinem Mann, nicht die von Krabbe Kunibert oder anderen Menschen. Es ist meins. Und ich weiß, dass es besser wird. Und ich weiß auch, dass Niemand für diese Gefühlswellen die Schuld trägt.

Trauer kommt in Wellen. Ich befürchte fast, dass es ein Leben lang so bleiben wird. Aber vermutlich werden die Wellen kleiner, weniger stürmisch und kommen in größeren Abständen. Mir macht das manchmal Angst wenn ich in die Zukunft sehe. Simon wird immer ein Teil von mir bleiben. Dinge, die wir zusammen erlebt haben, die Erfahrungen, die ich dadurch gesammelt habe; diese Dinge sind prägend. Ich bin irgendwie dankbar dafür. Auf der anderen Seite dreht sich die Welt immer weiter und ich kann nur darauf hoffen auch in Zukunft auf Menschen zu treffen, die zusammen mit mir manchmal einfach aussteigen. Nur für einen kurzen Moment. Dann wenn es zu viel für mich ist. Dann wenn ich zu viel für Andere bin.

Tod, sterben und Trauer sind Themen über die Niemand gerne spricht. Der Umgang mit dem Tod ist so individuell wie es Jeder Einzelne von Euch ist. Es gibt kein Modell nach dem die Trauer abläuft. Die Theorie von Verena Kast fand ich dennoch ganz passend, weil zumindest ich mich darin stellenweise ganz gut wieder erkannt habe. Der Trauerprozess von Kindern läuft dazu oft ganz anders ab als der von uns Erwachsenen. Besonders Kinder vor der Pubertät beginnen erst langsam zu verstehen, dass der Tod etwas endgültiges ist. Sie lassen alle Gefühle zu, denken weniger darüber nach wie ihre Emotionen von Außen betrachtet werden können. Für Kinder gibt es zum Glück wenig Erwartungsdruck, wann sie wie wieder am „normalen Leben“ teilnehmen müssen. Sie springen durch Trauerpfützen, schreien in der einen Minute vor Schmerz und Lachen in der Anderen vor Lebensfreude.

Lass Dir nichts einreden wie lange irgendetwas zu Dauern hat. Lass Dir nicht sagen, dass es nicht normal sei wenn Du nach einem Jahr „immer noch“ in einem tiefen Loch lebst oder Du nach wenigen Monaten „schon wieder“ fit genug zu sein scheinst. Feier das Leben und bade am nächsten Tag im Selbstmitleid. Alles geht, nichts muss.

Ich bin dankbar die letzten zwei Jahre irgendwie geschafft zu haben. Das zweite Jahr erschien mir dabei fast schwieriger als das Erste. Weil es realer war. Echter. Aber das erzählte ich bereits. Auch in meinen dunkelsten Stunden spürte ich tiefe Dankbarkeit für das Leben, welches ich einmal hatte. Inzwischen freue ich mich aber auch auf das Leben, was da noch vor mir liegt.

Uns geht es gut denke ich. Auch wenn das Trauermonster uns ab und zu besuchen kommt. Aber wenn Du es akzeptierst, es annimmst so wie es ist, dann könnte es sein, dass die Besuche irgendwann nicht mehr nur weh tun. Sondern auch ein wärmendes Gefühl im Bauch machen können. Wenn Du trauerst, dann hast Du geliebt. In welcher Form auch immer. Und Liebe ist doch eigentlich etwas Tolles.

Und Irgendwann kommt die Erkenntnis…Das Leben ist ein anderes. Ganz anders. Nicht unbedingt schlechter. Aber Anders. Sich gut fühlen und lebensdurstig sein funktioniert auch mit Vermissen und Gedanken außerordentlich gut. Zumindest Irgendwann. Ihr müsst nur durchhalten. Immer wieder durchhalten. Einen Schritt vor den Anderen und so.

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