Heute ist der 22. August 2020. Ich beginne diesen Blogpost zu schreiben, ohne einen wirklichen Plan zu haben, was diesen genau füllen soll. Daher wird er erst versetzt online gehen. Vielleicht drölfzig tausend Mal überarbeitet. Ich weiß noch nicht so recht.
Wie ihr sicher bereits wisst wurde ich in einer Kleinstadt an der Ostsee geboren. Die Stadt mit der blauen Brücke, der schnuckligen Altstadt, den Fischbrötchen am Hafen. Ich bin dort in die Kita gegangen. Auch in die Schule. Mein Schulabschluß aber machte ich in Berlin. Studiert habe ich auch in der Hauptstadt und ne Ausbildung danach habe ich auch noch gemacht.
Ich war ein schüchternes Kind. Immer. Schüchtern, dick und still. In den Sommerferien war ich als Kind immer bei meiner Oma. Die wohnte mitten im Wald, 15 Minuten Fußweg von der Ostsee entfernt. Meine Tanten, Onkel und Cousins wohnten auch fast alle dort. Ich bin das einzige Mädchen in der gesamten Familie und (mit einer Ausnahme) auch mit Abstand die Jüngste. Ein ungeplantes, sehr gewolltes Nachzüglerkind. Damit hatte ich absolute Narrenfreiheit, durfte alles, Verbote und strenge Regeln kannte ich kaum. Mein Bruder war 8,5 Jahre älter als ich, spielte den Bodyguard. Meine Eltern arbeiteten viel, finanzielle Probleme kannte ich nicht. Wenn ich etwas wollte, hatte ich es kurz danach.

Nachmittags spielte ich immer draußen. Unabhängig von der Wetterlage. Meine Zeugnisnoten waren okay, eigentlich ganz gut. Je nach Mathelehrer und Stimmungslage.
Eigentlich ganz toll. Ganz schön, fast romantisch.
Irgendwann hörte es auf romantisch zu sein. Ich erwähnte es bereits ab und an. Ich bin mir noch unsicher ob zu dieser Unromantischen Geschichte nochmal ein eigener Post kommt. Ich hatte das mal versucht. Allerdings ist das gar nicht so einfach. Weil ich gar nicht so recht weiß, wo ich hätte anfangen sollen. Mal sehen.
Diese nicht mehr vorhandene Romantik brachte mich mit ein paar Umwegen in die Hauptstadt. Am 22. August 2000 strandete ich in einer Krisenstelle. In der Hauptstadt. Minderjährig.
Es folgten zwei verschiedene Wohnheimprojekte, Piercings, Tatoos , „Genussmittel“ und meine Volljährigkeit. Die erste eigene Wohnung samt Angst, wie zur Hölle ich den Kühlschrank füllen sollte. Danke auch hier an meine Eltern, dies damals häufig getan haben.

Ich hatte eine Geschichte, die nicht unbedingt traumhaft war. Ich wurde zu einem Teenager, der seinen Eltern die Hölle auf Erden bereitet hatte. Liebe Mama, lieber Papa. Es tut mir unfassbar Leid, was ich zu dieser Zeit und auch danach alles so „verbockt“ habe. Ich war eklig und nicht sonderlich umgänglich. Ich habe nicht geredet, wo eigentlich mein Problem war und landete am Ende nach einem Suizidversuch auf der Intensivstation.
Danke, dass ihr mich trotz Allem nicht alles völlig verrückt abgestempelt habt. Danke, dass ihr mich habt ziehen lassen. Danke, dass mein Leben durch diesen Schritt irgendwann später wieder etwas romantischer geworden ist. Danke dass ich diese Chance bekommen habe.
Ich bin inzwischen mehr Berlin als Usedom. Ich finde mich hier besser zurecht, als ich es im Norden je getan habe. Und dennoch ist es mein Zuhause. Meine Wurzeln liegen dort und es wäre eine Lüge, wenn ich behaupten würde, noch nie darüber nachgedacht zu haben, zurückzukehren. Vor zwei Jahren, als der Resetknopf bereits gedrückt war, zum Beispiel.

Das Problem aber mit dem Unromantischen dort oben ist geblieben. Das rennt da nämlich unbehelligt rum und sorgt auch manchmal für eine Art Schüttelfrost bei mir, wenn ich dort in der Nähe bin. Im letzten Urlaub ab und an. Oder als ich meine Lesung dort hatte und es einen riesigen Zeitungsartikel im Vorfeld gegeben hatte. Ich wusste ja nicht, wer da kommen wird. Das ging soweit, dass ich B. meinen Moderator eingeweiht hatte, wir ein Hinweiszeichen ausmachten und er im Notfall eingeschritten wäre. Das hört sich übertrieben an? Ja, das finde ich auch. Trotzdem ist es mit Usedom dadurch eine Art spezielle Liebe geworden. Ich bin gerne dort. Nur nicht gern allein. weil ich das Gefühl brauche, auch dort oben in Sicherheit zu sein. Schwer zu erklären.
Aber vielleicht werde ich Zukunft wieder öfter mal dort oben sein. Ich liebe das Meer. Ich liebe den Sand unter meinen Füßen. Ich liebe die Norddeutsche „Freundlichkeit“ und „Emphatie“

20 Jahre Berlin. Ich bin so dankbar hier leben zu dürfen, auch wenn mein Herz woanders schlägt. Ich bin kein Großstadtmensch, auch wenn ich die Vorteile durch aus zu schätzen weiß. Aber wirklich weg will ich hier grade auch nicht. Trotz dem Heimweh ab und an.
20 Jahre Hauptstadt. Unglaublich wie lange ich hier bereits wohne. Noch unglaublicher was in dieser Zeit alles geschehen ist. Wer weiß wie mein Leben ausgesehen hätte, wenn ich hätte nicht ziehen dürfen oder können.
