Lieber Simon, es wird ernst

Lieber Simon

Es ist Herbst geworden. Wie Du sicher noch weißt ist das so überhaupt nicht meine Zeit. Ich hoffe ja, dass es Bei Dir, wo auch immer das ist, die Sonne immer scheint und die Pflanzen ihr Grün nicht verlieren. Hier fallen die ersten Blätter von den Bäumen, es wird sicher nicht mehr lange dauern bis auch Dein Zauberbaum wieder eine leere Krone tragen wird.

Die Temperaturen werden kälter und wie jedes Jahr, schon immer, frage ich mich, wie ich es schaffen werde in den nächsten Monaten nicht zu erfrieren. Ich mag die Kälte nicht. Und diese, gefühlt ständige Dunkelheit. Aber das weißt Du ja.

Der Frühling und Sommer sind nur so an uns vorbei gezogen. Kaum waren diese Jahreszeiten da, waren sie auch schon wieder verschwunden.

Im Moment versuche ich mich erneut komplett neu zu organisieren. Weil es Herbst wird. Weil es kälter wird. Aber auch weil es hier auch sonst zu einigen Veränderungen gekommen ist. Aber das weißt Du sicher schon. Veränderungen sind gut. Stagnation war noch nie so unser Ding, oder? Ich weiß das. Dennoch…

 Je mehr Veränderungen sich da in mein Leben pressen, desto mehr vermisse ich Dich an manchen Tagen. Weil Du der Ruhepol hier warst. Der, der immer fest daran geglaubt hatte, dass am Ende eines Weges immer der Regenbogen mit der Überraschung wartet. Manchmal sehe ich den Regenbogen, an anderen Tagen nicht. Zeitgleich machen beide Kinder im Moment einen Entwicklungssprung nach dem Anderem. Mal abgesehen von ihrer Größe , die ihre Klamotten ständig und immer wieder schrumpfen lassen. Die Einhornbändigerin wird immer mehr zu einem Teenager, sie verliert ihre kindliche Optik jeden Tag ein Stückchen mehr. Sie ist sich ihrer Selbst deutlicher bewusster als noch vor einem halben Jahr. Das große Mädchen ist deutlich reflektierter, benutzt einen wahnsinnigen Sprachschatz . Ihre Kuscheltierliebe aber ist geblieben.

Der kleine Batman wird immer Willensstärker, was für uns zwei Anderen manchmal gar nicht so einfach ist. Er ist selbstbewusster und sozial gestärkter als je zuvor. Ich frage mich oft, wie es ihm langfristig damit gehen wird, wenn das gleichgeschlechtliche Elternteil, also Du, fehlst. Ein Mensch, mit dem er diese typischen „Jungssachen“ machen kann. Oder an wen kann er sich wenden, wenn die ersten pubertären Fragen kommen, die er nicht mit mir besprechen möchte? Du fehlst mein Held. In diesen Momenten ganz besonders.

Oder wenn ich daran denke, wie es sein wird wenn ich wieder in meinem alten Job unterwegs sein werde. Das ist dann tatsächlich das erste Mal, dass ich nach einem Job in dieser Art nach Hause komme, mich danach um die Kids kümmere und alles für den Folgetag vorbereite, ohne dass Du da bist und mich fragst, wie der Tag gelaufen ist. Es wird das erste mal sein, dass ich im Herbst/Winter morgens um kurz nach 7 durch die Haupstadt fahre und Du mir vorher nicht sagst, dass ich aufpassen soll nicht auszurutschen. Oder dass es kalt ist. Ich kann diese Worte auch nicht mehr in meinem Kopf abrufen. Naja, die Worte schon, den Klang aber nicht. Deine Stimme verabschiedet sich immer mehr aus meinen Erinnerungen. Die Kinder möchten in diesen Momenten immer gern eine alte Sprachnachricht von Dir hören. Oder sich ein Video ansehen. Ich für mich lasse das inzwischen bleiben, weil ich dann immer ein schlechtes Gewissen habe, mir Deine Stimme mit dieser Hilfe „wiederholen“ zu müssen. Außerdem ist es im Grunde okay für mich, deine Stimme nicht immer in meinem Ohr zu haben. Aber manchmal wäre es schön, sie noch ein Mal zu hören. In Echt.

Die Worte, die wir uns gegenseitig an den Kopf geworfen haben, waren nicht immer nett. Weißt Du noch? Dafür trotzdem immer mit einem Gefühl gefüllt. Diese Abschiedsfloskeln liebte ich.Was bleibt ist die Erinnerung an unsere letzte Verabschiedung. Ich habe Dir gute Träume gewünscht und Du sagtest: „Bis Morgen. Ich lieb Dich. Pass auf Dich auf“ Dieses Bis Morgen hält bis Heute an, weil es für Dich keinen Morgen mehr gegeben hat.

Ich weiß wie lieblos sich das grade anhört. Weil das nur so praktische Deine sind. Aber das sind Momente, von denen mir bewusst wird, dass die so nicht wiederkommen werden. Es ist schwer zu erklären. Das wird sich seltsam anfühlen. Mich macht das manchmal unendlich traurig und zeitgleich mutig genug um zu wissen, dass es nicht Anderes ist als ein weiteres erstes Mal. Erste Male hatte ich in den letzten zwei Jahren Einige. Manche waren schön, Andere eher weniger. Und bei wieder Anderen waren die Bedenken zuvor größer als das Ereignis selbst.

Ach lieber Simon, das sind so die Momente, in denen ich manchmal wieder in irgendeiner Ecke verkriechen will. Um mich zu verstecken. Vor mir selbst. Weil mir Dinge, die ich will dann doch irgendwie Angst machen. weil sie neu und unbekannt sind. Du weißt schon.

Nicht mehr lange und es geht los. Ein neuer Step in Richtung Leben2.0. Aber vielleicht ist gar kein Schritt mehr. Vielleicht bin ich sogar schon angekommen. Ein bissel zumindest. Wer weiß. Ich vermiss Dich. Und ich weiß genau, dass ich an meinem persönlichen Tag X auf mein Handy starren werde in der Hoffnung dass da steht, dass ich meine Jacke nicht vergessen soll. Oder dass das schon ganz gut werden wird. Und falls nicht, na dann war es wenigstens einen Versuch wert.

Rock den himmel, mein Held. ich denk an Dich.

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