Lieber Simon,
ich bins schon wieder. Fast zwei Arbeitswochen im alten Job liegt hinter uns. In dem Moment, in dem ich vor den Kindern saß, versuchte mit den Eltern zu kommunizieren, fühlte es sich wieder so an, als hätte ich nie etwas Anderes gemacht. Mein Job ist der Gleiche, das Umfeld und meine Aufgaben aber sind völlig anders. Aber das erzählte ich Dir bereits. Es war seltsam die ersten Tage nach Hause zu kommen, ohne Dir oder wem Anderen zu Hause erzählen zu können, wie es war. Wir drei müssen unseren Alltag jetzt anderes strukturieren damit die Bedürfnisse von Jedem hier berücksichtigt werden können. Das ist aktuell gar nicht so einfach.
Ich habe manchmal die Erwartungshaltung, dass sich mein Leben wie früher anfühlt. Grade auch jetzt, wenn doch schon der Job der Gleiche wie im ersten Leben ist. Die Abläufe zu Hause von letzter Woche sind ähnlich dererer von vor zum Beispiel drei Jahren. Aufstehen, Irgendwie anziehen, zuviel Kaffee trinken, Kinder wecken, Schule/ Job, nach Hause kommen und dabei zumindest ein Kind wieder abholen, Hausaufgaben, Gespräche, spielen, Kochen, Abendbrot alles für den Folgetag vorbereiten, Kinder ins Bett bringen, putzen, aufräumen, ins Bett gehen. Zwischendurch die Hunde bei Laune halten oder Termine wahrnehmen. Du erinnerst Dich? Der Alltag jetzt ist ziemlich ähnlich. Eigentlich fast identisch. Mit dem Unterschied, dass nur ich die einzige volljährige Person im Haus bin. Nur ich, auf der die Verantwortung liegt und auch ich, die ab und an ein schlechtes Gewissen hat nicht alles hinzubekommen. Ich mag Alltag, weil der so viel Normalität ausstrahlt. Und gleichzeitig wurde mir nun sehr deutlich bewusst, dass ich hier alleine stehe.

Nicht wirklich alleine. Die Kinder, Freunde, Familie; es gibt sie ja, aber den Alltag wuppen wir zu dritt. Ich versuche mich immer daran zu erinnern, dass ich mit der Einhornbändigerin in den ersten Jahren auch alleinerziehend war und zeitgleich studiert habe. Das klappte auch, ziemlich gut sogar. Ich kannte es auch gar nicht anderes. Dann zogen wir zusammen, der kleine Batman kam dazu und Krabbe Kunibert irgendwie auch. Ich vergaß schnell, wie sich das Alleinerziehenden Dasein anfühlte. Seit über 2 Jahren weiß ich es wieder. Jetzt mit einem Job, der mich jeden Tag aus dem Haus gehen lässt , noch ein großes Stückchen mehr.
Ich begegne nun jeden Tag Kindern und deren Familien, die furchtbare Dinge erlebt haben. Dort, wo ich nun arbeite, ist nicht deren erste Station und bei Manchen auch nicht die letzte. Ihr Zukunft ist ungewiss, Traumata ihre Begleiter. Sie leben aktuell auf engstem Raum und haben quasi Nichts.
Und dann gibt es mich. Die mit den Luxusproblemen. Die, die sich hin und wieder von viel kleineren Dingen überfordert fühlt. Weil sie ein Gefühlsleben von früher erwartet. Das ist doch lächerlich, meinst Du nicht?
Wir sind noch dabei uns in unserem jetzigen Alltag zurechtzufinden, das wird klappen, da bin ich mir sicher. Und dennoch ist mein Herz manchmal wirklich schwer. Weil mir diese Stütze fehlt.
Und ja, natürlich weiß ich, dass das egoistische Gedanken sind. Aber weißt Du, es gibt Momente, da kann ich nicht aus meiner Haut. Es ist eine andere Art der Trauer, die mich grade trifft. Es ist weniger die Trauer , die Dich betrifft. Vielmehr ist es eine Trauer, die das große Ganze betrifft. Ich trauere dieser Sicherheit nach, diesem „Aufgehoben sein“. Dieses alltägliche im Alltag, verstehst Du was ich meine? Ach es ist schwer zu erklären.

Ich mag mein Leben und all das was es aus macht. Nur wünsche ich mir immer mehr, dass dieses Leben auch zu einem richtigen, alltäglichen Leben wird. In dem ich es immer zulassen kann andere Empfindungen anzunehmen und weniger Erwartungen an mich selbst zu stellen.
Lieber Simon, es fühlt sich manchmal wie eine Art Bremse an, die sich immer Mal wieder von allein anzieht. Und genau das das hoffe ich bald unterbinden zu können. weil ich dieses Ausbremsen so gar nicht leiden kann.
Noch etwas mehr als 3 Monate und Du feierst Deinen 40. Geburtstag. Obwohl Du doch eigentlich für immer 37 bleiben wirst. Lass doch Deine Kontakte dort oben spielen und lege ein gutes Wort bei der Wetterfee ein, so dass es an diesem Tag nicht all zu kalt ist. Damit Deine Party am Zauberbaum steigen kann. Ich kann Dir leider kein Star Wars Lego in den Himmel schicken, das packen die Luftballons nicht. Aber Kuchen wird es geben. Und Kaffee. Jede Menge Kaffee. Im Keller liegt noch ein Lego- STar Wars Set von Dir, dass Du nicht mehr aufbauen konntest. Vielleicht hole ich es zu Deinem Geburtstag nach oben und wir drei bauen es für Dich auf. Denn das können wir inzwischen auch ganz gut. Ja, wirklich! Du bekommst dann ein Foto in den Himmel geschickt, okay?
Liebe Ines,
zermartere dich bitte nicht so selbst! Alleinerziehend zu sein, ist anstrengend und das darf sich für dich auch so anfühlen. Nur weil es anderen Menschen noch schlechter geht, heißt das nicht, dass wir jetzt alle glücklich und lockerflockig durch’s Leben hopsen müssen. Jede*r hat ein mehr oder weniger großes Päckchen zu tragen und man darf darüber klagen oder traurig sein. Das ist schon ok :o)
Nichtsdestotrotz wünsche ich euch, dass ihr euch bald im neuen Alltag eingroovt und es vielleicht nicht mehr ganz so mühsam erscheint!
Alles Liebe,
Nadine
Ich kann es so nachvollziehen. Wir sind im August umgezogen, ich bin alleine mit Schul-und Kindergartenkind. Hier bin ich jetzt ganz alleine dafür verantwortlich, neue Strukturen zu schaffen, Abläufe zu überlegen und allem im Haus einen Platz zu geben. Mit fehlt mein Mann (und das ganze Zusammen-sein und nicht-alleine sein) gerade sehr.
Drei Jahre sind wir jetzt schon alleine, von einem Tag auf den anderen.
Es geht uns gut und wir schaffen das auch, aber es kostet gerade so viel Kraft und Energie.
Liebe Ines,
ich möchte dir wünschen, dass du zu einem positiveren Selbstbild gelangst. Genau wie Nadine schreibt. Den Alltag mit Kindern alleine zu stemmen ist nun mal ziemlich anstrengend, und da ist es verdammt normal und menschlich, sich einen Partner zu wünschen, bzw. der alten Zeit nachzutrauern, als man noch zu zweit war mit der Verantwortung.
Ob es den anderen wirklich schlechter geht als dir, weißt du doch gar nicht. Jede Familie hat ihre eigenen Baustellen und am Ende des Tages würde doch niemand seine Baustelle gegen die der anderen tauschen wollen.
Ich wünsche dir alles Gute im neuen/alten Job und bin sicher, dass ihr euch mit der Zeit schon eingroovt. 😉
Liebe Grüße
Maria