Tage wie Diese

Nach dem wir einige Tage in unseren vier Wänden verbringen durften/sollten, ist nun wieder einiges auf Normalmodus gestellt. Wobei, normal bzw. wie geplant läuft es hier sowieso nur selten. Ihr kennt das bestimmt auch.

Am Mittwoch hatte ich eine Fortbildung. Diese fand in Gruppen statt und war nur für die Mitarbeiter des Trägers, die in Flüchtlingsheimen arbeiten. Ich war in der zweiten Gruppe und überraschend zu früh. Irgendwann hörte ich Stimmen im Flur, der sich hinter einer dicken Tür versteckt hatte. Es kamen 5 Menschen raus; Gruppe 1 der Fortbildung. Irgendwann sah ich ein mir bekanntes Gesicht. Und noch Eines. Ich traf auf zwei Erzieherinnen mit denen ich früher, vor Simons Tod zusammengearbeitet hatte. Auch sie haben anscheinend ihren Arbeitsplatz gewechselt. (Zur Erklärung, der Träger für den ich arbeite, ist der Gleiche wie früher. Nur dass ich jetzt nicht mehr in der Kita arbeite sondern in einem Flüchtlingsheim)

Wir redeten ganz aufgeregt miteinander und schrieben uns am Abend nochmal.

Wenig später betrat ich den Fortbildungsraum. Auch hier sah ich Jemanden, den/die zumindest ich noch kannte. Ich wusste dass ich diesen Menschen an diesem Tag begegnen würde. Die Nacht davor schlief ich schlecht und unruhig. Ich kann gar nicht genau sagen warum eigentlich. Besagte Person erkannte mich ebenso. Nach der Fortbildung unterhielten wir uns kurz. Sie fragte wie es uns gehen würde und ich wusste gar nicht was ich da sagen sollte. Ich wusste nicht Mal ob sie wusste, dass mein Mann vor zwei Jahren verstorben war. Sie merkte dass ich kurz stockte und meinte dann:“ Weißt Du, noch 3 Jahre darf ich meine Stammzellen spenden, dann bin ich zu alt. Ich war damals auch auf Eurer Aktion und habe mich registrieren lassen.“

Alles was danach kam wusste sie auch. Ich stand da, Mitten in der Geschäftsstelle meines Arbeitgebers, Rede mit Menschen von früher und tauche für einen kurzen Moment wieder in mein altes Leben ein. Zwischenmenschlich schien es so, als wäre ich gar nicht weg gewesen. Und trotzdem hatte/habe ich das Gefühl dass Jahrzehnte vergangen sind. Oder dass ich auf einem anderem Planeten, so viel anderes ist mein Leben geworden.

Es waren schöne Momente an diesem Tag, weil ich mich nicht fremd fühlte. Und zeitgleich auch nichts erklären musste. Ich mochte mein damaliges Ich und all das was ich hatte. Mein jetziges Ich ist auch ganz okay, etwas wirr manchmal. Aber okay. Aber das „Alte“ fehlt in diesen Momenten. Weil ich mir mancher Dinge einfach sicherer war. Weil wir nicht nur Simon im alten Leben/im Jahr 2018 zurückgelassen haben, sondern auch einige andere Sachen, Menschen, Einstellungen, Emotionen und Vorstellungen. Ach es ist doch schwierig zu erklären.

Um uns herum bäumt sich Corona wieder auf. Wir lieben leben in einem Risikogebiet, ich arbeite in einem Stadtteil, der…ach lasst uns nicht drüber reden. Letzteres ist ungünstig irgendwie. Auch für mich. In dem anderem Familienteil der Einhornbändigerin gibt es einen bestätigten Coronafall, weitere Personen werden und wurden getestet. Meine Mutter wird bis auf Weiteres nicht zu uns kommen können. Meinen Vater gehört zur Hochrisikogruppe, darum können wir auch nicht selbst zum Besuch fahren. Ob wir sie dieses Jahr noch sehen ist ungewiss. Gleiches gilt für die Eltern des Helden.

Ich mochte mein altes Leben. Ich mochte diese Sicherheit. Und grade merke ich, dass von genau dieser Sicherheit nicht viel übriggeblieben ist. Mich macht das heute traurig. Und unsicher. Und überhaupt. Ein Anschnallgurt würde mir schon reichen.

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