Wie ist das jetzt eigentlich mit Deinem neuen Job?

Wie ich Euch vor einigen Wochen „versprochen“ hatte kommt heute mein erster Blogpost zum neuen Job. Die „Branche“ ist die Gleiche wie früher. Mein Arbeitgeber auch. Nur bin ich nicht mehr in der Kita, sondern auf meinen Wunsch hin woanders. Nach den Gründen wurde ich tatsächlich gefragt. Alsooooo….Ich hatte letztes Jahr um diese Zeit ehrlich gesagt nicht vor zurück in meinen alten Job zu gehen. Integrationserzieherin zu sein und damit die Verantwortung für Kinder mit Handicaps zu tragen, diese zu Fördern, Förderpläne zu schreiben und mich mit Jugendämtern auseinander zu setzen. Ich fühlte mich nicht mehr fähig dazu und wollte diese große Verantwortung einfach nicht mehr tragen. In den Jahren zuvor bin ich an der Verantwortung für einen anderen Menschen fast zerbrochen. Ich musste Dinge entscheiden, plagte mich mit Ärzten rum, ihr wisst schon. Ich wollte das nicht und verdiente unsere Brötchen zunächst anders.

Außerdem wollte ich nicht den Job haben, den ich in meinem „alten Leben“ hatte, denn jetzt war sowieso alles anders. Und dieser Job passte einfach nicht mehr.

Allerdings wuchs in den letzten Monaten immer mehr der Gedanke in mir zurück zu gehen. Nicht in die alte Kita, aber in den sozialen Bereich. Irgendwas wandelte sich da in mir. Vor der Verantwortung hatte ich immer noch großen Respekt, vor dem neuen Tagesablauf, der nicht hauptsächlich im Homeoffice abläuft ebenso. Aber ich fing an mich zu fragen, ob ich nicht doch zurück in die soziale Schiene gehen möchte.

Genau zu diesem Zeitpunkt meldete sich die Geschäftsführung meines alten Arbeitgebers bei mir. Ich bekam einen Termin, weil sie mit mir etwas zu besprechen hätten. Mir war etwas mulmig. Moment. Das war gelogen. Mir war richtig, richtig schlecht. Ehrlich.

Nach anfänglichem Smalltalk und dem Abklopfen, wie es mir gehen würde…ja dann kam es zur Sprache. Ein Jobangebot in einem Flüchtlingsheim. Teilzeit und mit (traumatisierten)Kindern, die aktuell aus den verschiedensten Gründen die Kita/Schule nicht besuchen können. Ich sagte zu und fing keine 3 Wochen später an.

Inzwischen arbeite ich 6 Wochen lang als Gruppenleitung mit 3 Kollegen dort. Besonders jetzt ist es nicht immer einfach. Viele Menschen, Corona. Zur Zeit sind einige Familien in einer anderen Einrichtung untergebracht, zur Quarantäne. Die Kinder und deren Familien sprechen kein Deutsch, unsere Kommunikation ist oft bestimmt interessant zu beobachten. Mit manchen kann ich englisch reden, mit manchen spanisch und wieder Anderen läuft es mit Händen und Füßen. Bei wichtigen Terminen auch mit Dolmetscher.

Ich betreue Kinder, die mit dem Boot geflüchtet und dabei fast zusehen mussten, wie Geschwister ertrunken sind. Ich betreue Kinder, die mit alten Bussen und im Kofferraum irgendwo in Europa geflüchtet sind um dann zu Fuß weitere 1000ende Kilometer zurückzulegen. Ich betreue Kinder, die mit ihrer Familie dank des Dubliner Abkommens Nachtes von der Polizei abgeholt worden sind. Und ich betreuTE Kinder, die samt ihrer Familie wieder abgeschoben worden sind. Keines „meiner“ Kinder bzw. deren Familien hat aktuell einen Flüchtlingsstatus, eine Duldung oder Ähnliches. Sämtliche Verfahren laufen noch und diese dauern in der aktuellen Zeit besonders lange. Quarantäne und Personalmangel überall.

Ich haben einen wahnsinnigen Respekt vor allen Menschen, die in solch einer Einrichtung leben. Keine Privatsphäre, die meisten haben ein Zimmer in dem alle Familienmitglieder schlafen. Gemeinschaftsküchen, Gemeinschaftsklos (die manchmal echt eklig sind), Gemeinschaftsduschen. Jeder bringt eine Geschichte mit, die Meisten davon sind unfassbar tragisch. (ich bitte an dieser Stelle erneut und sehr eindringlich darum den Vergleich zu Obdachlosenheimen und wohnungslosen Menschen in Deutschland zu unterlassen. Ich weiß, dass es da auch genug Elend gibt. Aber das ist eine andere Geschichte. Anstatt Vergleiche zu ziehen hilft es viel mehr wenn Du vielleicht dort vor Ort selbst hilfst. Ich danke Dir.) Außerdem wissen viele von ihnen nicht ob sie Morgen auch noch dort sein „dürfen“ oder von der Polizei abgeholt und zurück in ihr Heimatland gebracht werden.

Neben der „Arbeit am Kind“ dokumentiere ich viel, schreibe Gutachten oder telefoniere mit Behörden irgendwo in Europa.

Ich arbeite im Moment sehr niedrigschwellig, Sprachförderung und sozialverhalten an vorderster Front. Einige Kinder sind aggressiv, andere fast unsichtbar. Viele schlingen ihr Frühstück in sich, als ob es gleich nichts mehr geben würde. Ich bin dankbar wenn sie Jacken dabei haben. Inzwischen sind alle Kinder angekommen in der Gruppe. Die erste Struktur klappt und ich freue mich wahnsinnig wenn Sätze wie „IIIIIINNESSSSS Hunger. Kann ich Apfel?“ höre. Vollkommen irrelevant wie alt das betreffende Kind ist. Ich bin dankbar dafür, dass die Kinder mich angenommen haben und versuchen mir von ihrem Tag zu erzählen. Oder sie kommen zu mir und völlig beiläufig liegt da plötzlich eine Hand auf meinem Arm. Das ist da absolut nicht selbstverständlich.

Die Arbeit ist so völlig anders. So ganz, ganz anders als alle Dinge, die ich bisher getan habe. Sie fordert und fördert mich. In meinem neuen Leben. Mit großartigen Kindern, die ich ein Stück weit begleiten darf. Aber auch der tiefen Angst, dass ich am Morgen, wenn ich das Flüchtlingsheim betrete höre, dass eines dieser Kinder und ihre Familien abgeschoben worden sind. Das kann ich nicht dort lassen. Das nehme ich tatsächlich mit nach Hause. Weil ich in etwa eine Ahnung habe, was dort auf sie wartet.

Auch unsere finanziellen Mittel sind ganz Andere. Oft improvisieren wir oder ich bzw. mein Lieblingskollege bringen Zeug von zu Hause mit um Ideen umzusetzen. Unser monatliches Budget für pädagogische Zwecke und die Frühstücksversorgung ist…naja…irgendwie schon traurig wenig. Es fehlt manchmal an den einfachsten Dingen, wirklich wahr. Daher ist meine bzw. unsere Planung und Vorbereitung auch eine ganz Andere als in meinem alten Job.

Aber ich will mich gar nicht beschweren. Im Moment schlaucht mich das ein wenig. Ich pendel viel und muss mich immer noch an die neue Zeiteinteilung gewöhnen. Haushaltskram mache in der Regel erst dann wenn die Kinder schlafen. Denn nach Feierabend bin ich für meine Kinder da. Ich muss da noch ein besseres organisatorisches Level finden denke ich. Mein Schrittzähler zeigt täglich zwischen 15000-20000 Schritte an. Ohne Sport. Eltern unter Euch kennen das vielleicht. Alleinerziehende ganz bestimmt. Daher– I feel You

Ich kann Euch bei Gelegenheit gerne mal von einem typischen Tag erzählen.

Aber jetzt, jetzt bin ich müde. Es ist Mittwochabend. 23.48 Uhr. Ich muss noch fix Wäsche aufhängen und gehe dann schlafen. Habt noch eine schöne Woche ihr Lieben.

Alle Fotos, außer dem mit mir, sind von Pixabay. Vielen Dank.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.