Schullotterie

In zwei Wochen ist es soweit. Am 28. Mai verschickt die Berliner Schulbehörde die Zuweisungen für die weiterführende Schule.

Wie viele andere Eltern auch fürchte ich mich etwas. Und ich bin aufgeregt. Und nervös. Und überhaupt. Im Februar diesen Jahres, mitten in einer weltweiten Pandemie standen die Schulanmeldungen an. In Berlin dauert die Grundschule 6 Schuljahre. Danach wird Schullotterie gespielt. Es gibt Empfehlungen für Gymnasien, Sekundarschulen oder andere Schultypen. Wichtig für die Bewertungen sind das letzte Halbjahr der 5. Klasse und das erste der 6. Beide Halbjahre waren geprägt vom Homeschooling, Wechselunterricht und Klausuren, die aufgrund des Notendrucks trotzdem zu Hauf geschrieben worden sind.

Die Noten meiner Tochter sind gut. Sie strengte sich an und hatte in der Homeschoolzeit zum Teil ein Pensum von 5-7 Stunden täglich. Das war nicht lustig, für Niemanden von uns. Ich hatte das Glück, mich freistellen lassen zu können um sie besser zu unterstützen. Zusätzlich gibt es auch noch ihren Bruder, der aktuell in die 2. Klasse geht. Er wiederum weiß gar nicht, dass Schule ein System ist, zu dem man regelmäßig geht. Im ganzen Klassenverband, mit mehr als 2 Stunden täglich.

Der Notenschnitt meiner Tochter, der für die Schulempfehlung wichtig war, zeigte, dass das Kind durch aus auch auf ein Gymnasium gehen könnte. Das Umfeld erwartete dies irgendwie auch, da sowohl ihr Vater als auch Ich eine Universität für lange Zeit sogar von Innen gesehen haben. Wir haben eine unfassbar intelligente Tochter. Gleichzeitig ist sie wahnsinnig emphatisch und sehr sensibel. Je mehr Druck auf das Kind ausgeübt wird, desto unwohler fühlt sie sich. Je unwohler sie sich fühlt, desto weniger passiert. Abgesehen davon werde ich vermutlich sowieso nie verstehen, warum ein Gymnasium immer das Non plus Ultra ist.

Uns geht es mehr um ihr Wohlbefinden als um die Tatsache, welcher Abschluss da am Ende herauskommt. Aufgrund der Pandemie waren Tage der offenen Türen an weiterführenden Schulen nicht möglich. Manche Schulen boten Zoommeetings an, andere „pimpten“ ihre Hompages mit Imagefilmen und wieder andere taten einfach Nichts. Am Ende aber fanden „wir“ drei Schulen, deren Profil auf das große Mädchen passten.

In Berlin werden drei Wunschschulen bei der Anmeldung angegeben, priorisiert von 1 bis 3. Alle drei Schulen, die sich das Kind aussuchte waren/sind Sekundarschulen. Wunschschule 1 bietet Chinesisch als zweite Fremdsprache an ebenso wie diverse Handwerksgeschichten je ein halbes Schuljahr lang. Es gibt dort viel AG´s, unter Anderem auch Skaten. Das soll sie werden. Wenn die Einhornbändigerin Abitur machen möchte, kann sie das auf diesem Weg auch tun. Allerdings hat sie dann bis zum Ende der 13. Klasse Zeit bis zum Abitur. Auf einem Gymnasium wird es nach der 12. Klasse abgelegt. Wenn sie kein Abitur machen möchte, dann ist das auch völlig in Ordnung.

Die Einhornbändigerin ist wirklich intelligent, vielseitig interessiert und ein großartiger Teenager. Aber sie ist nicht der Lerntyp fürs Gymnasium. Und daher spielen wir nun Lotterie. Ende Mai werden die Schulzuweisungen vom Amt verschickt. Wir alle sind nervös. Meine Tochter hat in den wichtigen Halbjahren mehr gelernt als je zuvor.

Letztes Jahr habe ich von vielen Familien gelesen, die an allen drei Wunschschulen abgelehnt worden sind. Deren Kinder wurden an völlig andere Schulen zugewiesen. Eben dort wo noch Platz war. Zuerst entscheiden die Schulen nach Notenschnitt, es gibt einen relevanten NC, so wie auch in vielen Studiengängen. Ein gewisser Prozentsatz der Schüler rutscht dann übers Losverfahren rein. Ein paar klagen sich rein. Und die Anderen werden zugewiesen. Teilweise auch an Schulen am anderen Ende der Stadt. Oder an Schulen, die zwar in der Nähe sind, aber aus Gründen nicht auf der Wunschliste standen.

Ich fürchte mich vor diesem Brief. Ich habe Angst, dass die Einhornbändigerin an ihrer Wunschschule 1 abgelehnt wird. Und an der 2. und 3. auch. Aber vor Allem davor, dass es mit der ersten Schule nicht klappt. Schule sollte nicht nur ein Ort des Lernens sein. Sondern auch ein Ort von Sozialen Begegnungen. Ein Ort um neue Freundschaften zu schließen, um neue Interessen zu entdecken und um persönliche Stärken zu fördern. Ich wünsche mir für meine Tochter eine Schule, in die sie gerne geht. Deren Profil zu den Interessen meines Kindes passt. Wo sie abgeholt wird, genau dort wo sie steht.

Ich fürchte mich vor einer Ablehnung. Weil ich befürchte, dass das große Mädchen das Gefühl entwickeln könnte, dass all ihre Anstrengungen in einer Zeit, die sowieso schon völlig aus den Rudern geraten ist, nicht ausgereicht haben. Ich fürchte mich vor einer Ablehnung, weil ich nicht möchte, dass sie einmal quer durch die Stadt zu ihrer Schule fahren muss. Um die öffentlichen Verkehrsmittel wie Bus und Bahn wird sie nicht herumkommen. Aber ans andere Ende der Stadt zu fahren, ist dann doch nochmal eine andere Geschichte. Ich fürchte mich, dass sie einer Schule zugewiesen wird, die zwar näher am zu Hause dran ist, dafür weniger die Stärken dieses wunderbaren Kindes unterstützen kann.

Noch zwei Wochen warten. Das ist nicht viel. Im Februar war die Anmeldung. Ich war bis vor ein paar Tagen mehr als zuversichtlich, weil die Noten des Kindes „passen“, zumindest wenn ich mir den NC des letzten Jahres ansehen.

Aber jetzt? Jetzt fürchte ich mich. Ich werde immer nervöser und erwische mich dabei die Vorfreude des Kindes auf die neue Schule etwas zu drücken; „Und wenn es doch eine andere Schule wird, dann wird es bestimmt trotzdem auch total gut“, sage ich. Und versuche mir einfach selbst zu glauben.

5 Gedanken zu „Schullotterie

  1. Ich weiß das klingt nach Facebook-Spruch, aber es ist die pure Realität:
    Zwei meiner drei Kinder wurden einmal an einer Wunschschule abgelehnt und im Nachhinein war es das Beste was passieren konnte. Ich dachte die Schule wäre toll. Im Nachhinein kenne ich so viele Leute mit Erfahrungen dort und da sind ein Haufen arroganter Schnösel und meine authentischen Kinder mit ihren Ecken und Kanten und anderen Moralvorstellungen wären dort zugrunde gegangen. Stattdessen trafen sie auf liebe warmherzige Lehrer, die sie oft in der Pubertät mehr zu schätzen wussten als ich. Ich bin auch Lehrerin und wenn ich dann deren alte Lehrer treffe deren Augen leuchten wenn sie von meinen Kindern sprechen dann bin ich so unendlich dankbar dafür, dass die Schnösel uns nicht wollten.

    Und ich arbeite an einer Schule, die jedes Jahr Kinder ablehnen muss. Auf dem Papier sind wir grandios. Ich würde meine Kinder oder Enkel nicht an unsere Schule schicken. Das ist alles nicht immer so wie es auf den ersten Blick scheint. Gebt dem Schicksal eine Chance.

  2. Hallo! Wir leben in einem Bundesland und manches läuft daher anders, aber Schullotterie haben wir auch gespielt. Ich kann aus Erfahrung nur sagen, dass das Profil der Schulen nice ist, aber niemandem was nützt, wenn die Menschen die dahinterstehen nicht gut sind. Dieses ganze Profilgedöns ging mir am Ende so dermaßen auf den Senkel. Ich glaube zumindest, dass man auf (fast) jeder Schule froh werden kann, wenn es von den Menschen passt. Trotzdem drücke ich euch natürlich alle Daumen für die Wunschschule. Chinesisch lernen könnte Deine Tochter aber ganz sicher auch außerhalb dieser Schule, wenn sie das gerne möchte! Wünsche weiterhin gute Nerven!
    Viele Grüße von Anni

  3. Das ist eine absolut richtige Erkenntnis., dass das Gymnasium nicht immer das Non plus ultra ist. Wenn ich rückwirkend schaue , was aus den Kameraden meiner Kinder geworden ist, so muss ich feststellen, dass viele ehemalige Realschüler/ ( Mittelschüler, oder wie heißt das bei euch?) hinterher besser im beruflichen Sattel angelandet sind, als diverse ehemalige Gymnasiasten. Und auch manche Realschüler mutierten später zu super Studenten. Aber auch ein Studium ist eben nicht immer das Non plus ultra.Auch nicht was die spätere finanzielle Sicherheit anbelangt. Das ist auch meine sichere Erkenntnis. Es ist völlig richtig, deiner Tochter erstmal die Zeit an der Schule zu geben, die auch zu ihrer Persönlichkeit passt. Je gefestigter ihre Persönlichkeit, desto besser steigt sie später ins Leben ein. Ich wünsche ihr den allerbesten Erfolg!!!

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