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Wie ist das eigentlich jetzt mit Deiner Depression?

Achtung es folgt ein heikles Thema. Da ich ab und an danach gefragt worden bin. Es gibt auch nicht viel Mimimimi. Eine Triggerwarnung zu diesem Thema aber trotzdem.

Im Dezember 2018 habe ich Euch erzählt, dass seit einigen Monaten bei einer Therapeutin in Behandlung war bzw. es immer noch bin. Sie hegte einen Verdacht und schickte mich zu einem Psychiater. Dort füllte ich einen langen Fragebogen aus, machte mich mental nackig. Mit dem Resultat der Diagnose PTBS und chronisch-rezidivierender Depression.  Die PTBS war nicht neu, das wurde mir bereits mit 16 oder 17 gesagt. Der Grund liegt in meiner Kindheit/frühen Jugend begraben, macht mir allerdings im Moment keine Probleme. Alles gut.

Diese Depressionsnummer kann ich bis dato nicht richtig annehmen auch wenn ich froh war, dass mein „komisch fühlen“ ein Namen bekommen hat. Ende 2018 bekam ich Medikamente, die mich unterstützen sollten. Abgesehen von der (teilweise erwünschten) Gewichtszunahme war der Erfolg eher semi. Ich weiß aber auch ehrlich gesagt überhaupt nicht was genau ich von Medikamenten erwarten kann. Sollte.Könnte.Darf. Je nach dem.

Mit der Psychiaterin war ich nicht sonderlich glücklich, aber auch da wusste ich nicht was da großartig zu erwarten ist. Meine Therapeutin hingegen mag ich. Die Stunden bei ihr sind wie eine Art geschützter Raum. Ein Ort für mich. Im Oktober 2019 meinte meine Therapeutin dass sie es gern hätte, wenn ich mir eine Zweitmeinung bei einem Anderem Arzt holen würde. Vermutlich würden andere Medikamente besser sein. Ein anderer Arzt würde besser sein. Sie könnte mir einen empfehlen. Ich verweigerte mich zunächst, weil ich die Indikation nicht gesehen hab.

Natürlich merkte ich, dass etwas mit mir nicht in Ordnung ist, aber da ist schon so lange etwas „anders“ an mir, dass ich gar nicht wusste, wie es anders gehen sollte. Außerdem war ich gefrustet da ich durch das erste Medikament gefühlt ewig viel zugenommen habe, Migräneattacken bekam und andere kleine Wehwehchen hatte.

Diese Diagnose einer Depression nahm ich weiterhin nicht an. So ne psychische Diagnose ist nichts, was ich akzeptieren wollte. Sätze wie „Dann reiß dich doch einfach zusammen, gib Dir Mühe“ oder „das Leben geht weiter“ waren meine ständigen Begleiter. Ich sagte mir das selbst auch gern. Es änderte aber nichts. Ich fühlte mich oft gefangen in mir selbst. Ich strengte mich an, jeden Tag tat ich das. Und das war wahnsinnig anstrengend. Morgens Aufstehen, unser Zuhause sauber zuhalten, eine Mutter zu sein, kochen, waschen, Termine wahrnehmen. Dinge, die für Andere völlig selbstverständlich sind, stellten mich manchmal vor große Herausforderungen. Aufgrund der Entwicklung meiner Kinder, das Feedback der Lehrer, Trauerbegleiter und Pädagogen aber wusste ich, dass das mit dem „Mutter sein“ immerhin noch gut funktionierte. Ich strengte mich an. Jeden Tag. Und dennoch gelang kaum mehr als dieses Muttiding

Sätze wie „Andere Frauen schaffen das auch“, frustrieren mich. Ich trage das Wort Depression nicht mit mir rum weil mein Mann gestorben ist. In den letzten Jahren, auch vor Kunibert wollte ich immer alles richtig machen. Ich taktete meinen Tag auf alle 5 Minuten durch. Spontane Abweichungen lösten Stress in mir aus. Aber ich war mir immer sicher alles im Griff zu haben.

Nun soll es so sein, dass meine Depression pathologisch ist. Keine Trauerreaktion, sondern eine Art Stoffwechselproblem im Hirn. Ich habe diese Diagnose nicht bekommen weil Simon gestorben ist. Vielmehr ist es eine Überlastungsreaktion. Manchmal fühle ich mich so, als könnte ich gar nix mehr. Manchmal weiß ich nicht wo ich anfange oder aufhöre. Eine verzogene optische Vorstellung von mir selbst. Durch die Gewichtszunahme ist die nicht unbedingt besser geworden. Ich fühle mich wie ein Nilpferd. Naja, ab und zu zumindest.

Inzwischen war ich bei dem anderem Arzt. Dieser nahm sich ewig Zeit, erklärte mir alles genau. Er erzählte was Depressionen sind, dass es okay sei und ich mich an fiesen Tagen eben nicht einfach so zusammenreißen kann. Ein kaputtes Knie heilt auch nicht von allein, auch wenn man sich noch so sehr anstrengt. Nur dass diese Art der Krankheiten anerkannter sind. Weniger Peinlich. Weniger mit Vorurteilen überseht.

Das Resultat— neue Medikamente, die Alten werden ausgeschlichen. Ein Beratungsgespräch bezüglich  anderer  Unterstützungsangebote gab es on top.

Mir geht es nicht schlecht, ganz und gar nicht. Ich bin nicht ständig traurig. Ich weiß wieviel Glück wir in verschiedenen Situationen und Belangen hatten. Ich weiß, dass es uns besser geht als vielen Anderen. Das aber ändert nichts an meinem Hirn. Im Winterschlaf. Mit dem Stoffwechselproblem.

Aber….ich glaube, dass ich aufwachen werde.

Depressionen sind nicht nur schwarz oder weiß. Es gibt so unfassbar viele Facetten. Vielen merkt man es gar nicht an. Anderen dafür um so mehr. Ich bin irgendwo in der Mitte. Glaub ich. Depressionen sind kacke, vor Allem weil es so wahnsinnig schwer fällt diese Diagnose zu akzeptieren. Keiner hat es sich ausgesucht. Und manchmal wünschte ich mir, dass so mancher Mensch das auch verstehen würde.

Mit Depressionen verhält es sich wie bei vielen anderen Erkrankungen. Manchmal braucht es etwas Zeit um den richtigen Weg zur Heilung zu finden. Und auch eine andere Sache haben psychische und physische Erkrankungen gemeinsam; der Mensch dahinter bleibt der Gleiche. Tatsächlich. Ganz im Ernst. Nur hat dieser Mensch manchmal eine Art Kostüm an, so dass er auf den ersten Blick anders wirken könnte.

Vielleicht sollte ich diesem ganzen Ding auch einen Namen geben. Vorschläge?

Noch weiß ich nicht was ich von den neuen Zauberpillen halten soll. Ich befürchte eine weitere Gewichtszunahme. Ich habe Angst vor anderen Nebenwirkungen. Das Zeug ist dann doch nicht so super harmlos. Einhornglitzer wäre mir lieber. Oder Schokolade. Am besten Beides. Ihr wisst schon.

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