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Die Heldenkinder ohne Held

Als ich am Freitagmorgen um kurz vor drei die Klinik verlassen habe war mein Kopf stumpf und ich wäre am liebsten in eine Höhle gekettert und dort nicht mehr rausgekommen.

Dann aber kam der Gedankenblitz, daran dass ich Morgen zwei Kindern etwas erzählen muss dass ich selbst noch nicht verstanden habe. Die Einhornbändigerin war bei Papa 1 und der kleine Batman konnte über Nacht bei seinem besten Freund schlafen. Die zwei wussten in dieser Nacht noch nichts davon, was ich ihnen bald erzählen muss. Sie schliefen vermutlich friedlich in ihren Betten und freuten sich auf den nächsten Tag.

Am Freitagnachmittag hat der Heldenbruder den kleinen Batman aus der Kita abgeholt. Lachend kam er ins Haus gesprungen, er erzählte von dem Mittagessen welches nicht geschmeckt hat, von Dingen die er in der Kita gebastelt hat.

Die Heldenschwägerin und der Heldenbruder waren während des Gespräches dabei, da ich mir nicht sicher gewesen bin, ob ich es allein aushalte.

Ich fragte den kleinen Batman ob er noch wüsste wo der große Opa sei und ob er noch weiß warum er dort ist. Der kleine Heldensohn erzählte vom Himmel, von Zuckerwattewolken und dass wir den Opa gegrüßt haben als wir letztes Jahr mit dem Flugzeug geflogen sind.

Ich erzählte dem Miniheld, dass die Ärzte im Krankenhaus unserem Papa nicht mehr helfen konnten, weil er so sehr krank gewesen ist. Ich erzählte ihm, dass der Papa nun beim Opa ist, weil er gestorben ist. Ich sagte ihm dass es Papa im Himmel besser geht, weil er dann nie wieder ins Krankenhaus muss aber ich mir sicher bin, dass er immer auf uns aufpasst.

Der kleine Batman weinte, er schrie. Er wusste nicht ob er auf meinen Arm möchte, ob er stehen will oder sich auf den Boden werfen. Unser Heldensohn schrie, wie ich es noch nie gehört habe. Er sagt wie ungerecht das ist, dass der Papa wieder runterkommen und leben soll. Er weinte und meinte immer wieder, dass wir nun keinen Papa mehr haben. Ich hielt ihn die meiste Zeit fest, versuchte seine Gefühle auszuhalten und sagte immer wieder dass ich Papa auch vermisse und wie gemein das alles ist.

nach ca. einer stunde beruhigte sich der tapfere Batman, ging in den Garten, kuckte nach oben und rief nach seinem Papa. Später haben wir uns auf die Straße gesetzt und die Wolken angesehen. Immer wenn diese etwas Platz gelassen haben und der blaue Himmel sichtbar gewesen ist, meinte der kleine Heldensohn, dass der Papa da nun durchschaut. Die Heldenschwägerin hatte die Idee Luftballons in den Himmel zu schicken, mit Briefen und Bildern dran. 

 

Der kleine Batman malte ein Bild und schickte zwei Ballons in den Himmel. Einmal Darth Vader, weil der Papa Star Wars so mag und einen, auf dem er noch etwas draufmalen konnte. dazu sagte unser Sohn mir, was ich auf den Ballonschreiben sollte. Die beiden Cousinen malten auch ein Bild und schickten s zu ihrem Onkel in den Himmel. Die Kinder sahen den Ballons noch lange nach, sie liefen ihnen hinterher. Der kleine Batman lachte und rief „Tschüß Papa, die sind für Dich“

Kurz danach wurde es sonniger, ich bin mir also sicher dass die Himmelspost angekommen ist.

Seit dem wechseln sich kindliche, natürliche Lebensfreude mit Traurigkeit ab. Gestern ist der tapfere Heldensohn mit den Klamotten vom Helden in die Kita gegangen und sagte, dass er nun Papa ist. Heute war er wieder der kleine Batman, der mit seinen Cousinen spielt und am liebsten den ganzen Tag mit seinem Cousin kuscheln würde. 

Die Einhornbändigerin war bei Papa eins da sie mit ihm in den Urlaub fahren wollte. Am Samstag aber kam sie noch einmal kurz nach Hause, zusammen mit Papa 1, der bei dem Gespräch dabei geblieben ist. Ich fragte sie, ob sie mir nicht erzählen kann wie sie sich den Himmel vorstellt. Die Einhornbändigerin ist der einzige Mensch in unserem Haus der an Gott glaubt. Das große Mädchen ist katholisch, getauft und feierte erst vor kurzem ihre Erstkommunion. Die Heldentochter erzählte von einem schönen Ort mit lieben wesen. 

Ich sagte ihr, dass der Papaheld schon so lange im Krankenhaus gewesen ist, dass es ihm trotzdem nicht besser ging. Ich erzählte ihr von seinen Schmerzen und davon dass es manchmal so ist, dass auch das beste Krankenhaus nicht helfen kann. Die Wangen der Heldentochter wurden plötzlich rot, sie spielte nervös mit den Fingern, so dass ich wusste dass dem tapferen Mädchen bewusst war, was ich ihr gleich sagen werde.

Ich sagte ihr, dass der Papa Krebs hat und dass es nicht möglich sein wird, diese Erkrankung zu besiegen. Das große Mädchen nickte, denn das wusste sie bereits. Ich fuhr fort und sagte, dass der Momo-Papa gestorben ist.

Unsere Tochter schwieg. Ihr erster Satz war „Wie geht’s meinem Bruder damit, der Arme. ich habe wenigstens noch Papa 1“ Dann sagte sie, dass sie möchte dass unser Held zurückkommt, dass sie ihn jetzt schon vermisst und nicht will dass er tot ist. Es ist „scheiße“ und unfair und doof. Ich stimmte ihr in allem zu. Ich saß mit Tränen in den Augen vor ihr, wir umarmten uns lange. Ich habe ihr erzählt, wie sehr ich unseren Helden vermisse und dass das okay ist. Ich sagte ihr auch, dass es für sie genauso traurig ist und sein darf wie für ihren Bruder.

Am Abend wollte die Einhornbändigerin etwas basteln, das klappte allerdings nicht so, wie sie es sich vorgestellt hat. Das große Mädchen wurde wütend, schrie und wütete plötzlich. Zuerst schrie sie das Bastelzeug an, wenig später dann dass sie Simon vermisst und gar nicht weiß, wieso das passieren musste. Sie vermisst ihn und ist unendlich traurig und verzweifelt. Die Einhornbändigerin wird eine Kerze basteln und diese für unseren Helden immer wieder anzünden.

Am Sonntag war sie dennoch mit ihrer Freundin und Papa 1 auf dem Helene Fischer Konzert. Danke an Robert, dass Du anstelle von mir gegangen bist, so konnte ich beim Batman bleiben. Sie rief mich an, während im Hintergrund alles jubelte, hörte ich auch unser Mädchen vor Freude kreischen und mitsingen. Auch ihre Stimmung wechselt oft zwischen Trauer, Verzweiflung aber auch Lebensfreude. Nun wünscht sie sich etwas vom Helden, was nur ihr gehört und immer bei ihr bleiben darf.

Ich bin wahnsinnig stolz auf unsere Kinder, sie erleben gerade Dinge, die kein Kind dieser Welt erleben sollte. Sie können trauern, dürfen traurig sein und vor Wut brüllen so laut sie können. Und trotzdem…immer wieder kommt ihre Fröhlichkeit zurück. Sie erinnern mich daran, dass es weiter gehen muss, auch wenn ich mich jeden Morgen frage wie das gehen soll. Ich würde mich immer noch am liebsten verkriechen, kann ich aber nicht. Und eigentlich ist das auch ganz gut so.  Die Heldenkinder sind unendlich traurig, sind aber dennoch der festen Überzeugung dass die Sonne Morgen wieder aufgeht.

Der kleine Batman freut sich jeden Tag darüber, wenn er am Himmel eine Lücke zwischen den Wolken sieht. Dann sagt er, dass Papa wieder zu uns sieht. Ich habe manchmal etwas Angst, dass vor allem der kleine Batman seinen Papa irgendwann vergessen wird bzw. das die Erinnerungen stark verblassen.

Eigentlich wollten der Held  und ich unbedingt noch neue Familienfotos machen. Die letzten Wochen und Monate aber ging das nicht mehr, da unser Held zum Teil kaum in der Lage gewesen ist das Haus zu verlassen und dann in der Klinik war. Besuch wollte er bereits zu Hause nur sehr ungern, da es ihm schnell zu viel geworden ist. Ich denke nun, dass ich trotzdem neue Bilder machen werde, irgendwann. Bilder, auf denen trotzdem wir vier zusammen zu sehen sind. Unser Held wird mit seinem schönsten Lächeln bei uns sein, die Kinder und/oder ich werden ein Foto von ihm halten, so dass auch er auf einem neuen Familienbild zu sehen ist. Unser Held bleibt.

#Luftballonsfürsimon

 

 

 

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