Website-Icon Weg ins Leben 2.0

Die Sache mit der Zweisamkeit

Als Partner eines Krebspatienten kommt man irgendwann in die Situation Krebsratgeber zu lesen. Es ist im Übrigen recht schwierig Bücher oder andere Medienquellen zu finden, die  an Angehörige adressiert sind. Aber irgendwelche Ratgeber werden gelesen, besonders wenn die Krabbe nicht das erste Mal eingezogen ist.

Tipps für Angehörige gibt es nicht viele. Meist wird gesagt, wie der Patient am Besten unterstützt werden kann, dass auf ihn Rücksicht genommen werden muss und dass so manche Äußerungen nicht ernstzunehmen sind. Viele Patienten sollen dazu neigen, sich in ihrem Verhalten zu ändern, „patzig“ zu werden. Außer die Idee, einige Worte nicht auf die „Goldwaage“ zu legen oder das Verhalten nicht auf sich zu beziehen, bibt es kaum Anregungen für Angehörige diese möglichen Situationen auszuhalten

Wir leben seit 4,5 Jahren mit Krabbe Kunibert, dem multiplen Myelom. Wir leben auch mit der Prognose unheilbar und versuchen unser Leben dementsprechend anzupassen. Wir versuchen die Normalität zu wahren und gehen den Weg, den uns der Behandlungsplan vorgibt.

Aber eines bleibt auf der Strecke, das Wir als Paar. Es gibt Paare die schweizt diese Art der Diagnose zusammen. Sie sind so eng miteinanderr, wie nie zuvor. 2012, zum Zeitpunkt der Erstdiagnose ging es uns anfänglich ähnlich. Aber schon damals belastete mich so manche Äußerung des Helden fast mehr als die Krabbe selbst.

Dieses Mal sind wir nicht eng miteinander. Es gibt viele Tage, wie der heutige. Es scheint unmöglich zu sein mit meinem Handeln oder Worten den Ansprüchen des Helden gerecht zu werden. Er neigt in diesen Momenten zu einem herrablassenden Tonfall, ohne es zu bemerken. Ich denke nicht, dass unser Held dies absichtlich tut. Aber Die Tipps aus den Ratgenern, „Nehmen sie Worte nicht zu ernst“, helfen mir nicht weiter. Ich fange an, einiges auf mich zu beziehen. Je häufiger dies geschieht, desto größer wird die Kluft zwischen Uns.

Mich macht das traurig und wütend zu gleich. Ich kann diese Worte, diese Stimmlage nicht mehr überhören. Ein Gespräch, ohne Streit scheint unmöglich. Mir macht die Gewissheit Angst, dass der Held irgendwann nicht mehr da sein wird. Es macht mich wütend, dass wir diese Zeit momentan nicht zusammen nutzen können.

Ich hoffe händeringend, dass wir den passenden Stammzellenspender finden. Ich habe aber auch manchmal Angst, diesem Leben, welches wir im Moment führen nicht gewachsen zu sein. Viele Pläne mussten wir aufgeben, Zukunftsvisionen abändern, unsere Familienplanung abschließen.

Ich vermisse die Schulter zum anlehnen. Es mag egoistisch klingen, aber ich brauche diese Schulter auch. Es gibt keinen Krebsratgeber, der mir sagt, wie ich diese Schulter wieder finden kann. Oder wie wir als Paar zusammen versuchen können, die Schulter zu suchen.

Ich beschwere mich und jammer auf hohem Niveau, dessen bin ich mir bewusst. Im Gegensatz zum Helden geht es mir gut. Ich muss mich keinen Zwei Stammzellentransplantationen unterziehen und mit den Nebenwirkungen zurecht kommen.

Aber Angst habe ich genauso, Angst vor dem Verlust des Helden, Angst vor dem morgigen Tag und Angst vor dem Zerbrechen des „Wir“. Angst vor meinem Zerbrechen.

So feige es auch klingen mag, heute wäre ich gerne gegangen, einfach alles hinter mir lassen. Manchmal bin ich zu „feige“ für dieses Leben.

Aber…Ich bleibe, denn ich liebe.

Wir sind nicht verheiratet, aber das Zusammenhalten in guten und in schlechten Zeiten git trotzdem.

Eigentlich wollten wir später einmal alt und runzlig zusammen auf der Terasse sitzen, Händchen haltend im Schaukelstuhl. Runzlig werden wir nicht zusammen sein, aber den Plan habe ich immer noch. Aufgeben zählt nicht

Wie geht ihr in Kriesensituationen einer Beziehung um? Was macht Kriesen für euch aushaltbarer? Wo sammelt ihr Kraft? Was macht es euch möglich, Kommentare weniger ernst zu nehmen?

Die mobile Version verlassen