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Liebe Krankenschwester…

Dich durfte ich in den letzten Wochen kennenlernen. Dich und Deine Kollegen. Es gab einige nette Menschen unter euch und es gab Dich. Dich, die Du öfter Mal für das Zimmer des Helden eingeteilt warst.

Ich verstehe, dass Du vermutlich überlastet gewesen bist. Ich habe gesehen, dass ihr immer unterbesetzt gewesen seid, viel zu viele Patienten auf viel zu wenig Pflegepersonal. Und trotzdem…

Du arbeitest auf einer onkologischen Station, dürftest daher auch eigentlich eine Zusatzausbildung haben. Du solltest Dir bewusst sein, dass Du von vielen Hilflosen Menschen umgeben bist. Einige Patienten brauchen etwas mehr Hilfe als andere.

Unser Held brauchte bei allem Hilfe, Medikamente nehmen, essen, der Körperpflege, Klostuhlgänge etc. Dazu kam, dass er mental schnell abgebaut hat und hin und wieder eine Eigengefährdung vorlag. Manchmal wusste er nicht was um ihn herum geschieht, wer er ist oder was überhaupt los ist.

Liebe Krankenschwester, ich verstehe dass unser Held nicht immer kooperativbereit mit Dir gewesen ist und er daher ein nicht so ganz einfacher Patient gewesen ist. Aber…Er konnte nichts dafür. Dass was Du gesehen hast, war nicht Simon, das war Kunibert. Die Krabbe wütete im Heldenkörper, sie ließ ihn absolut hilflos werden. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Du das auch gewusst hast. Warum aber warst Du dann so häufig alles andere als menschenwürdig?

Ich habe täglich, wenn ich beim Helden gewesen bin ein Teil Deiner Aufgaben mitübernommen, das ist okay, ich war ja da. Was aber nicht geht, gar nicht geht, ist die Tatsache, Dinge zu behaupten die nicht stimmen. Du sagtest, dass unser Held bereits Hilfe bei der Körperpflege erhalten hat. Wie kann es sein, dass er die gleichen Klamotten vom Vortag anhatte und meine Nase auch etwas anderes vermuten ließ. Warum war an seinen Händen jeden Tag etwas mehr deutlich, dass er Nasenbluten gehabt haben muss? Das was ich gesehen habe war definitiv älter. Unser Held konnte nicht einfach so aufs Klo gehen, das wusstest Du. Er war auf Deine Hilfe angewiesen und darauf dass Du schnell genug das wichtige Zubehör dazu holst. Auch wenn das kurz vor deinem Schichtende gewesen ist, du kannst Dir bestimmt besseres vorstellen. Aber es ist Dein Job, ihm dabei zu helfen. Du aber warst genervt und hast Dir zu lang Zeit gelassen. Das ist alles andere als menschenwürdig. Ich machte dann deinen Job, weil es mein Mann ist, weil ich ihn liebe und weiß, dass trotz so entsetzlich viel Kunibert in diesem Körper auch irgendwo noch Simon versteckt ist.

Liebe Krankenschwester, mal ganz unter uns…Bist Du sicher, dass das der beste Job für Dich ist? Ich musste an 5 Tagen infolge darauf hinweisen, dass unser Held seine Medikamente zugeteilt bekommen soll, da er es nicht mehr schafft orientiert genug zu sein, um diese selbstständig zum richtigen Zeitpunkt zu nehmen. Ich habe teilweise morgens um 6 Uhr auf der Station angerufen, um zu verhindern dass er alle Medis des Tages auf den Tisch gestellt bekommt. Und trotzdem passierte es häufig, das ist fahrlässig meine Liebe.

Simon ist ein erwachsener Mann, der aber in den letzten Wochen kaum noch er selbst gewesen ist. Er brauchte Dich. Irgendwann rief er mich nachts an, wollte die Polizei rufen und schrie dass das alles eine Freakshow ist. Ich beruhigte ihn, wie die Nacht davor und davor und die davor auch. Aber weißt Du was, er hatte so recht damit.

Ich konnte auch andere Krankenschwestern auf Deiner Station kennenlernen, die so ganz anders gewesen sind als Du. Ich lernte auch Schwestern auf der Intensivstation kennen, die von Menschen umgeben sind die ebenfalls extrem hilflos gewesen sind. Aber diese waren so menschlich, respektvoll und würdig.

Was ist mit Dir passiert, dass Du es nicht mehr bist?

Ich habe mal ein Sprichwort gelesen, von Gandhi…

„Je hilfloser ein Lebewesen ist, desto größer ist sein Anrecht auf menschlichen Schutz vor menschlicher Grausamkeit“

Liebe Krankenschwester, ich mag Dich nicht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Du jedes Mal die Hände gekreuzt hast, wenn Du mich gesehen hast. Und ganz ehrlich, das interessiert mich nicht im geringsten. Besonders Menschen, die mich nicht besonders gut leiden können, weil ich möglicher Weise „komisch“ oder „seltsam“ bin, wissen dass ich sehr gut im rummotzen und sich beschweren bin. Die, die mich besser kennen und mich möglicher Weise gar mögen, wissen auch, dass mein „Gemotze“ für gewöhnlich nicht grundlos ist.

Ich verrate Dir mal was. Eine offizielle Beschwerde liegt bereits vor und natürlich weiß ich, dass das nichts ändern wird. Ich hoffe einfach darauf, dass Du nur ein paar schlechte Wochen hattest.

Mein Mann, mein Sieger, unser Held war schwer krank und vermutlich hast Du keine Ahnung was es heißt um sein Leben zu kämpfen. Denn das tat Simon, seid 6 Jahren. Auch wenn er in den letzten Wochen recht verwirrt gewesen ist, hat besonders er es verdient mit Respekt behandelt zu werden und nicht wie ein Arbeitsgegenstand, der schon fast lästig zu sein scheint. Ich möchte Dich nochmal daran erinnern, dass er nichts, rein gar nichts an seinem zustand selbst zu verantworten hatte. Ich habe nahezu jede Nacht, teilweise alle 30-60 Minuten mit ihm telefoniert. weil er Angst hatte, Wahnvorstellungen oder Halluzinationen. Tagsüber war es kaum besser, dass hast Du gesehen. Ich hab gesehen, wie Du in meiner Gegenwart mit ihm umgegangen bist. Wie muss es nur gewesen sein, wenn ich nicht da war?

Jeden Tag hatte ich ein schlechtes Gewissen ihn dort, bei Dir zurückzulassen. Ich beruhigte ihn oft, wenn er Angst oder seltsame Vorstellungen hatte. Aber oft dachte ich mir, dass vermutlich jedes Hirn abschalten würde, um diesen menschenunwürdigen Umgang ertragen zu können. Er hatte so, so recht mit der Freakshow, vermutlich hatte er öfter Recht als Du denkst.

Kein Patient verdient es so behandelt zu werden. Auch dann nicht, wenn Du überlastet bist. Das geht einfach nicht. Du hast einen meiner wertvollsten Menschen betreut und ich habe, besonders zum Schluss immer versucht länger beim Helden zu bleiben, weil ich ihn nicht zurücklassen wollte. Simon war nicht transportfähig, sonst hätte ich sämtliche finanziellen Mittel aufgetrieben, um ihn verlegen zu lassen.

Liebe Krankenschwester, behandel Deine Patienten so, wie Du selbst gern behandelt werden willst, denn ich glaube dass alles im Leben einmal zurückkommen wird.

Mein Sieger war hilflos, er brauchte jede Hilfe, die er hätte bekommen können. Du kannst mich nicht leiden; das passt, ich Dich nämlich auch nicht. Aber wie Du mit unserem Helden umgegangen bist, geht einfach nicht.

Ich würde mich jedes Mal aufs neue beschweren. Nicht weil ich eine hysterische Angehörige bin, oder weil ich ihn gepflegt habe als ich da gewesen bin, sondern weil ich erwarte, dass eine Krankenschwester mit onkologischer Zusatzqualifikation auch ein Funken Empathie mitbringt. Weil Jemand wie Du wissen sollte, dass da ein Totkranker Mensch vor Dir liegt, dessen Kopf vom Krebs zerfressen ist. Ich erwarte, dass Jemanden wie Dir bewusst ist, dass der Mensch vor Dir die absolute A-Karte gezogen und sich den körperlichen Zustand und die mentalen Aussetzer ganz bestimmt nicht ausgesucht hat. Du sollst Abstand halten, damit Du selbst nicht kaputt gehst, das ist ganz klar. Deine Kollegen können das auch und sind trotzdem respektvoll und menschenwürdig. Du aber warst das nicht.

Liebe Krankenschwester, ich bin mir dessen bewusst, dass ich zu der Sorte Angehörige gehöre, die immens anstrengend sind. Entschuldige bitte, das liegt in meinem Naturell. Natürlich weiß ich nicht, warum Du so bist, wie Du bist. Aber vielleicht denkst Du einfach mal drüber nach. ich bin mir fast sicher, dass das bei Dir ankommt, denn so wie ich es mitbekommen habe, funktioniert der Buschfunk bei Euch ganz ausgezeichnet, zumindest wenn es sich um Patienten handelt.

Ich fand es auch manchmal schwierig mit dem Heldenhirn, ich fand es auch schwierig, dass unser Held viel Pflege und Unterstützung brauchte. Aber ganz ehrlich…was sollte er denn machen? Simon hat nicht nach Dir geklingelt um Dich zu ärgern, sondern weil er ein Bedürfnis hatte. Trotz Kunibert, trotz der Begleiterscheinungen…Simon ist einer der wärmsten, liebsten und cleversten Menschen, die ich jemals kennenlernen durfte. Hättest Du nur etwas besser hingesehen, hättest Du überhaupt hingesehen, dann wäre Dir das auch aufgefallen. Diese Chance hast Du nicht genutzt und ich muss Dir leider sagen, dass Du einen großartigen Menschen verpasst hast, der trotz Kunibert noch dagewesen ist. Und das ist sehr Bemitleidenswert.

Liebe eine Krankenschwester, bitte such Dir einen anderen Job.

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