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Intensivzeit

Ihr Lieben, ich hatte bereits angedeutet, dass es seit Montag recht schwierig bei uns bzw. dem Helden ist. Ich hatte in den letzten Tagen wenig Zeit und Muse genauer darauf einzugehen. Zum Anderen wollte ich erst einmal wissen, was genau nun los ist und was das genau bedeutet.

Am Montagmorgen wurde ich langsam nervös. Normaleweise gibt unser Held bis 8 Uhr in der früh ein Lebenszeichen aus der Klinik von sich. Der Sonntag lief gut und ich konnte mir nicht erklären warum ich noch nichts gehört habe. Gegen 9 Uhr, kurz bevor ich mit dem kleinem Batman zu unserem Termin musste, habe ich versucht unsren Helden anzurufen. Das Telefon klingelte länger als gewöhnlich, er nahm ab und röchelte ins Telefon, dass er keine Luft bekommt, gerade versorgt wird und sich später nochmal meldet.

Gegen 10 Uhr, der Heldensohn und ich waren bereits unterwegs versuchte ich die Station zu erreichen. Das gestaltete sich aber recht schwierig. In mir wuchs die Panik, allerdings stand der kleine Batman, mit seinen großen Augen neben mir. Ich musste mich zusammenreißen.

Irgendwann waren der Heldensohn und ich wieder zu Hause, ich hatte immer noch keinen Erfolg auf der Station und Simon erreichte ich auch nicht mehr. Seit der Diagnose vor 6 Jahren war dies der schlimmste Tag. Ich hatte keine Ahnung was los ist, ob unser Held beamet werden muss oder ob ich ihn gestern gar das letzte Mal gesehen habe.

Irgendwann meldete sich tatsächlich eine Ärztin, das Gespräch war kurz und nur wenig beruhigend. Sie sagte etwas von schwerer Infektion der Lunge, Atemunterstützung. Geröngt wurde schon, Ct wird gerad gemacht. Eventuell Wasser unter der Lunge. Möglicherweise müsse Simon später noch auf die Intensivstation und benötigt mehr als eine Atemunterstützung. Aber ich soll mir keine Sorgen machen, sie meldet sich später nochmal.

Am liebsten hätte ich in diesem Moment unseren Sohn woanders untergebracht und wäre losgefahren. Allerdings war er bereits am Wochenende mehr woanders als zu Hause und ich habe mich daher dafür entschieden zu Hause zu bleiben. Der kleine Batman braucht mich schließlich auch. Die Einhornbändigerin ist zur Klassenfahrt gefahren.

Gegen 19.30 schrieb mir Simon via Handynachricht, dass er jetzt auf der Intensivstaion liegt, er gleich vier Beutel Thormbos bekommt und später noch unter der Lunge punktiert wird. Weiterhin hatte er etwas zur Beruhigung bekommen, so dass er wenigstens etwas weniger panisch gewesen ist. Sprechen war nicht möglich.

Gegen 21 Uhr rief mich ein Arzt an, ein sehr netter im übrigen. Dieser erzählte mir auch nochmal dass Simon nun auf der Intensivstation liegt, Sauerstoff benötigt und eine schwere Lungenentzündung hat. Ob es Bakterien, Pilze oder Viren sind, war noch unklar. Sobald sich die Situation verschlimmert, werden sie mich anrufen.

Ich habe nicht geschlafen, sondern mich mit einer Kanne Kaffee aufs Sofa gesetzt. Ich wollte mich nicht hinlegen, aus Angst einzuschlafen und dann das Telefon nicht zu hören. Ich sah mir diverse Staffelfolgen einiger Serien an.

Gegen Drei Uhr Morgens bekam ich die Info, dass ein Kontrollröntgen nach der Punktion gezeigt hat, dass unser Held einen Pneumotorax hat, also einen Lufteinschluß in der Brust, der dazu führen kann, dass die Lunge „einfällt“. Diese Luft wurde abgesogen und ein fast Daumendicker Schlauch, eine Drainage hineingelegt.

Gegen 5 Uhr bin ich duschen gegangen und hab danach die Frühstücksdose für die Heldensohnkita fertig gemacht. Um 6.30 habe ich unseren Sohn geweckt, ihn fertig gemacht und in die Kita gebracht. Von Simon hörte ich seit drei nichts mehr.

Danach hat mich P. in die Klinik gefahren, damit ich nicht völlig aufgelöst in der Bahn sitzen muss. Bevor ich die Klinik betreten habe, deckte ich mich am Kiosk mit Kaffee und Schoki ein. Ich war nicht müde, in mir herschte Krieg weil ich nicht die geringste Ahnung hatte, was ich da gleich sehen werde,

Dann stand ich da, vor der Intensivstation. Da dort nicht einfach hinein spaziert werden kann, klingelte ich an der Tür. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis sich diese Tür des Grauens öffnete. Vorher rollten drei vollintubierte Patienten in ihren Betten an mir vorbei. Vermutlich wurden sie vom Pflegepersonal zu Untersuchungen gebracht.  Dann stand ich da, auf der Intensivstation im Warteraum und wartete erneut bis mich Jemand zu Simon gebracht hat. Die wenigen Meter in das Zimmer waren die schwierigsten meines Lebens. Dann machte ich mir den bekannten Mundschutz um.

Und dann…dann sah ich unseren Helden. Er lag in seinem Bett, ein dicker Schlauch in der Brust, bedeckt nur von einem Op-Hemdchen. Umzingelt von zich Geräten, Elektroden und diesem Sauerstoffding im Gesicht. Es war „nur“ eine Nasenbrille, aber reden war nicht bzw. kaum möglich. Er war mehr abwesend, als das er da gewesen ist. Er brauchte Hilfe, wenn er sich anders hinlegen wollte, aufstehen durfte er sowieso nicht. Immer wenn er eingenickt ist, atmete er so schwer, dass hab ich noch nie gesehen. Sein ganzer Körper bebte und beim einatmen schien er sich fast zu krümmen. Ich hab das so noch nie gesehen. In diesen ganzen 6 Jahren hatte ich noch nie so viel Angst.

Irgendwann kam en Arzt, untersuchte ihn und beantwortete mir alle Fragen. Es sei unklar ob unser Held in der Lage sein wird diese Lungeninfektion zu bewältigen. Das Immunsystem ist gerade nicht vorhanden, Leukozyten von 0,5, das ist gar nichts! Der Heldenkörper hat keine Reserven und kann dem Infekt nichts entgegensetzen. Es war unklar ob eine Intubation doch noch nötig wird und es wurde von akuter Gefährdung gesprochen. Die Chemotherapie wird bis auf weiteres abgebrochen, da dies in der aktuellen Situation zu gefährlich sei. Ich setze mich, versuchte mich im Griff zu behalten und dem Helden ein mutmachendes Lächeln zuzuwerfen. Ich hatte ihm einmal gesagt, dass er kämpfen soll wenn er kann. Wenn er zu müde ist und es nicht mehr schafft, dann ist das mindestens genauso In Ordnung. Ich sagte ihm einmal, dass dann Niemand sauer auf ihn sein wird und ich unendlich dankbar dafür bin wielange er gekämpft hat. Aber wenn Du zu müde bist, dann lass los. 

Ich erinnerte mich an meine Worte zu ihm. Und ich empfand es wieder so und trotzdem…so kurz vor unserem Hochzeitstag, das kann nicht richtig sein. Wir sind doch noch nicht fertig. Ich behielt diese Gedanken für mich. Stattdessen fragte ich unseren Helden in einer wachen Minute was er glaubt, ob er denkt das schaffen zu können. Er nickte und sagte leise, dass er daran glaubt, diese Infektion zu besiegen.

Danach erzählte er noch etwas von einer Vollmacht. Ich hatte den Zusammenhang erst gar nicht verstanden, bis ich sie hab in der Akte liegen sehen. diese Erlaubt es mir sämtliche medizinische Entscheidungen zu treffen, Akten einzusehen und ähnliches.

Nach zwei Stunden bin ich mit einem sehr unguten Gefühl nach Hause gefahren. Zuvor aber war ich noch in der Klinikkapelle, habe eine Kerze angezündet und bestimmt 30 Minuten dort gesessen.

Der kleine Batman und ich verbrachten den Nachmittag bei einer Nachbarin, er spielte Fußball und ich versuchte nicht durchzudrehen. Aber unser Held meldete sich immer mal wieder durch ein kleines Zeichen auf meinem Telefon.

Am Abend, als der Heldensohn bereits geschlafen hatte wurde ich auf eine wirklich nette Art und Weise abgelenkt.

Ich habe mir dann weitere Staffelfolgen vorgenommen um die Nacht zu übertsehen. Irgendwann bin ich weggeknickt. Als ich wieder aufgewacht bin, habe ich gleich nach meinem Handy gegriffen, aber es war nix, gar nichts, auch nicht vom Helden. Gegen halb 5 am Morgen bin ich duschen gegangen um wieder wach zu werden. Um 6.30 weckte ich den Heldensohn und versuchte seine Morgenmuffeligkeit mit Pfannkuchen und der Lieblingsmusik zu vertreiben. Später sind wir zur Kita gefahren, haben gesungen und uns vorgenommen am Wochenende eine Runde mit der S-Bahn (Ringbahn) zu fahren. Einfach nur so, weil er es gern hat.

Nach dem Abgeben des kleinen Batman bin ich wieder in die Klinik gefahren. Diesmal stand ich bestimmt 10 Minuten davor und musste mich überreden hinein zu gehen. Es fiel mir sehr schwer durch diese dicke, alte Glastür zu laufen. Plötzlich wurde ich angesprochen mit „Bist Du Ines?“. Das war im ersten Moment recht merkwürdig aber dann stellte sich schnell heraus wer das gewesen ist. die liebe S. stand vor mir. Vor einiger Zeit gab es in Berlin eine andere Typisierungsaktion zusammen mit der DKMS, diese hieß „Rettet Roman“, vor mir stand nun seine Freundin. Und sie wusste ganz genau warum ich da so seltsam rumstehe… Liebe S., ohne dass Du es vermutlich gewusst hast, was bin ich froh Dich getroffen zu haben. Du hast mir quasi den letzten Schubser gegeben, um diese Klinik zu betreten. Ich hoffe wir sehen uns wieder. Hab vielen Dank für das liebe Gespräch.

Diesmal musste ich vor der Tür der Intensivstation auch nicht solang warten, vom Wartezimmer hat mich dann ein Arzt abgeholt, der kurz zuvor bei Simon gewesen ist. Als ich unseren Helden gesehen habe, fiel mir der erste Stein vom Herzen, er hatte etwas mehr Farbe im Gesicht und der Monitor über ihm zeigte bessere Sauerstoffwerte als am Tag zuvor. Der Arzt nahm sich viel Zeit und redete sehr ruhig und mitfühlend. Er sprach von der schweren Grunderkrankung des Helden, davon dass diese nicht heilbar ist. Er sagte auch, dass der Grad zwischen „die Chemo hilft“ und „die chemo richtet Schaden an“ in unserem Fall sehr schmal geworden ist. So schockierend diese Aussage auch gewesen sein mag, dessen bin ich mir bewusst. Ich fragte die Blutwerte ab Immerhin…Leukos bei 0.9. Ob und wie Simon die Infektion bekämpfen kann, dazu wollte er nichts sagen, aaaaber…. Die Sauerstoffwerte sind stabil, die Drainage sitzt noch, unser Held konnte sich allein aufsetzen und alle anderen Organwerte sind in Ordnung. Das sind Dinge die für unseren Helden sprechen. Sollte der Zustand so bleiben, darf unser Held morgen wieder auf die Onkologische Station, wenn auch in ein Isozimmer und mit Nasenbrille. Ich fragte dann nochmal nach, ob dies hieße, dass zumindest im Moment keine akute Lebensgefahr mehr besteht. Der Arzt bejahte. Mehr interessierte mich erstmal nicht. Unser Held will nicht aufgeben, er hält fest.

Ob und wie Kunibert weiter bekämpft wird, wird entschieden wenn die Lungeninfektion überstanden ist. Ich versuche unserem Helden bewusst zu machen, dass wir Schritt für Schritt denken müssen. erst die Lunge dann Kunibert. Zur Unterstützung des immunsystems, um es wieder „in Gang“ zu bekommen, bekommt unser Held nun doch wieder Neupogenspritzen, dass ist das Mittel, welches die Zellteilung und damit die Vermehrung der Leukos vorrantreiben soll. Gestern hieß es noch, dass dies nicht gemacht wird. Aber bereits heute kann es dem Heldenkörper „zugemutet“ werden. Weiterhin bekommt unser Held Immunglobuline, die ebenfalls das Immunsystem unterstützen sollen um aus dieser Kriese wieder hinaus zu kommen.

Unser Held wirkte etwas fitter und besser drauf als am Vortag, auch wenn er wieder viel geschlafen hat und immer noch nicht aufstehen darf. Wenn Simon etwas weniger blass ist, sieht die Nasenbrille für den Sauerstoff gleich gar nicht mehr so gruselig aus. Unser Held benötigte etwas aus seinem Koffer, der aber noch auf der Onkologie gestanden hat. Ich bin zur Station gegangen um es zu holen. Eine Krankenschwester wartete sehr geduldig bis ich alles wichtige Gefunden hatte. Vielen dank an dieser Stelle!  Nebenbei erzählte sie mir, dass ihre Freundin da mal was bei Facebook geliked hat und dieser Mann, einem neu aufgenommenen Patienten sehr ähnlich sieht…richtig, das ist unser Held Simon. Mein Held. Zufälle gibt es tatsächlich.

Heute, auf dem Weg in die Klinik erreichte mich die Nachricht, dass unser Held tatsächlich von der Intensivstation darf. Die Drainage im Brustraum sitzt noch immer, die Sauerstoffbrille und die Isolation braucht er auch noch, aber er ist stabil; keine akute Gefahr mehr. Laufen darf er noch nicht, aber sitzen klappe schon ganz prima. Die wirklich nette Krankenschwester vom Vortag, begrüßte mich und zeigte mir sofort das Heldenzimmer. Gleichzeitig brachte sie mir die beste Nachricht der Woche; Leukos: 2500!!! Hallo Immunsystem, schön dass du langsam zurückkommst. Simon ist noch sehr müde, hat weiter abgenommen und kann nicht recht stehen. letzteres soll mit einem Physiotherapeuten geübt werden. Die Chemotherapie, von der ich ausgehe dass sie geholfen hat, musste abgebrochen werden. Der Heldenkörper hat mit der Lungeninfektion schon mehr zu tun, als er eigentlich verarbeiten kann. Aber unser Held zeigt es, allen Erwartungen zu trotz, allen Skeptikern. Er rockt das Ding. Noch ist unklar, ob er die Infektion komplett bekämpfen kann und in welchem zustand der Held danach sein wird. Davon ist abhängig ob die Chemotherapie fortgesetzt werden kann oder nicht.

Die letzten Tage hatte ich soviel Panik we noch nie zuvor. Ganz schnell wurde uns bewusst in welche Richtung wir gehen. Und dennoch hoffen wir, dass es unserem Helden noch einmal gelingen wird sich zu erholen, denn fertig sind wir noch nicht. Wir wissen nun mehr als zuvor wie schnell das alles gehen kann, wir wissen dass wir uns irgendwann verabschieden müssen. Aber noch sind wir nicht bereit. Ich weiß nicht ob man dafür überhaupt bereit sein kann, aber wir hoffen auf eine, wenigstens kurze Zeit, zusammen, einigermaßen fit. wir hoffen auf gemeinsame Eisess-Ausflüge, auf kleine Ausflüge, einfach auf Dinge die uns kurz den rest vergessen lassen. die letzten Monate waren schwer, zerrten an uns Allen und an den Nerven. Wir wollen anders aufhören, nicht so.Wie ich bereits erzählt habe, sagte ich meinem Helden, dass er kämpfen soll wenn er kann, aber auch einschlafen soll, wenn er es nicht mehr kann. Aber unser Held will, er will leben, unseren ersten Hochzeitstag am sonntag feiern, da wir nicht wissen ob es einen zweiten geben wird. Er will lachen, das leben spüren und Kunibert zeigen, dass es noch so viel mehr gibt.

Da die Chemo aktuell abgebrochen wurde, wird das Myelom; Kunibert aktuell nicht behandelt, da die Lunge Vorrang hat.  Daher bitte ihr Lieben, drückt die Daumen, zündet eine Kerze an oder schickt einen Ballon in die Luft. Hofft mit uns, dass Kunibert in dieser Zeit nicht ungebremst weiterwächst, sondern uns eine Chance gibt, die Behandlung; die chemo fortzusetzen. Wir sind im Moment noch zuversichtlich. Ich bin unendlich dankbar, dass es unserem Helden etwas besser geht, wir ihn nicht gehen lassen mussten. Das war bisher die größte Kriese in der Zeit seit es Kunibert überhaupt gibt. Unser Held ist ein Held, er Kämpft. hat seinen willen wiedergefunden und leistet gerade Dinge, die alles andere als zu erwarten waren.

Fuck Off Kunibert.

 

 

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