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Was ich mir nach dem Tod meines Mannes gewünscht hätte

Auch wenn es noch nicht all zu lange her ist, haben sich meine Bedürfnisse und auch Wünsche an die Außenwelt verändert. Meine Sicht auf die Dinge, ein gewisses Urvertrauen und einige Charakterzüge sowieso.

Ich bin ein anderer Mensch geworden: unsicher, ängstlich und manchmal auch arg traurig. Dinge, die ich vorher liebte, kann ich nicht mehr ertragen, weil ich sie zum Teil mit unserem Helden kopple. Gleichzeitig aber merke ich, dass ein Verlust dieser Art überlebbar ist. Mein Herz ist in tausend Scherben gesprungen und wächst nun langsam, Schritt für Schritt wieder zusammen. Dadurch ist es vernarbt, aber auch größer geworden. Ich bin demütiger geworden, freue mich über die kleinen Dinge, die viel zu häufig als selbstverständlich angesehen werden. Meine Prioritäten haben sich verschoben und tief in mir fühle ich eine Dankbarkeit; dankbar für die Zeit, die wir mit Simon erleben durften. Dankbar, dass er es mir erlaubt hat, bis zum Schluss bei ihm sein zu können. Dankbar auch dafür, dass ich selbst körperlich gesund bin, dass unsere Kinder gesund sind.

Und dennoch wünsche ich mir manchmal Menschen an meiner Seite, die einfach nur da sind. Ohne zu reden, ohne mir Tipps geben zu wollen und ohne das Gefühl zu verbreiten, dass die Welt von mir und meiner Trauer überfordert ist.

Besonders in den ersten Wochen nach Simons Tod war das so. Die ersten 1-2 Wochen war relativ häufig jemand hier und half mir bei der Bearbeitung diverser Aktenberge. Oder es war jemand da, um einfach nur da zu sein. Nach ca 14 Tagen legte sich dies und unser Umfeld ging verständlicher Weise wieder in den Alltag über. Ich aber konnte das nicht.

Die kleinsten Dinge überforderten mich. Kochen zum Beispiel. Ich stand jeden Tag mit einem Brett vor dem Kopf in der Küche und überlegte, was ich unseren Kindern kochen könnte. Das Halten des Kochlöffels fiel mir schwer, mir war zuvor noch nie aufgefallen, wie schwer der eigentlich ist. Ich hätte mir Gesellschaft gewünscht, die mir beim Halten des Löffels hilft.

Ich hätte mir oft Gesellschaft gewünscht, ohne dass ich danach fragen musste. Denn das konnte ich nicht, weil ich niemanden überfordern wollte. Aber schön wäre es trotzdem gewesen. Ohne Zwang, ohne festen Gesprächsplan. Einfach nur jemanden, der auch nach dem Tod von unserem Helden noch Interesse an uns hat.

Ich hätte mir ein größeres Auffangnetz für unsere Kinder gewünscht. Ein Netzt, welches aus Freunden besteht. Ein Netz, dass nicht nur die armen Halbwaisen sieht, sondern die Kinder, die es immer noch sind. Unsere Minihelden sollten als Kinder wahrgenommen werden, die zwar eine harte Zeit durchmachen, aber dennoch Kinder sind, die sich über Besuch und/oder Ausflüge freuen. Ich hätte mir den Mut von unserem Umfeld gewünscht, ihnen entgegen zu treten und sie ganz normal zu behandeln.

Ich hätte mir gewünscht, dass sich unser Umfeld auch an meinem Geburtstag, der 18 Tage nach Simons Tod war, zu mir getraut hätte, anstatt mir eine SMS zu schreiben. Nur um zu zeigen, dass sie uns noch sehen und nicht nur den Verlust, den wir erlebt hatten.

Es gab und gibt Menschen um uns, die sind zauberhafte Wesen und waren einfach da. Allerdings sind es sehr, sehr wenige. Das ist frustrierend und fördert Misstrauen.

Als Simon in der Klinik lag, bekam ich täglich Fragen wie es ihm geht. Ich telefonierte mit allen möglichen Menschen und beantwortete Fragen. Simon selbst fühlte sich in den letzten Wochen, in denen er zu Hause sein durfte, ebenfalls isoliert. Nachdem er verstorben war, meldete sich relativ schnell kaum jemand mehr. Warum ist das so? Ich hätte mir gewünscht, dass sich auch dann hin und wieder nach dem Befinden der Kinder erkundigt worden wäre. Ich hätte mir gewünscht, dass jemand spontan vorbei kommt, nur um einfach da zu sein, ohne dass ich hätte darum bitten müssen. Denn wie gesagt, das konnte ich nicht.

Mein Körper schaltete in den Überleben-Modus. Mein Körper war damit beschäftigt, das Atmen nicht zu vergessen und einen Grund zu finden, am Morgen aufzustehen. Mein Hirn fand zwei Gründe, einer ist 118 cm groß, der andere Grund hat 142 cm. Zu mehr war ich am Anfang nicht in der Lage. Es gibt hin und wieder Tage, da ist das heute noch so. Zum Glück weniger ausgeprägt.

Inzwischen sind mehr als 6 Monate vergangen. Das mit dem Kochen klappt wieder, einige andere Dinge auch. Ich bin dankbar für die wenigen Menschen, die uns im echten Leben geblieben sind. Noch immer wünsche ich mir hin und wieder, dass einfach irgendwer vorbeikommt. Einfach nur so, weil er uns sehen mag. Es ist schwierig und vermutlich nicht einfach. Ich wünsche mir, als Ines gesehen zu werden, nicht nur als die, die jetzt eine Witwe ist.

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