Patchwork; Wie ist das eigentlich mit Papa 1

Es war 2007. Ich studierte. Politik und jüdische Wissenschaften. Ich lebte in einer WG, die oft 4 mal soviel Besuch wie Bewohner hatte. Es war kurz nach meinem 23. Geburtstag Ich war in einer Beziehung, wohnte aber nicht mit dieser zusammen. Ich hüpfte von Party zu Party und frage mich noch Heute, wie ich das geschafft hatte. Wenig Schlaf, viel studieren, Hebräisch war mein größter Feind.

Und zack…ich wurde schwanger.

Im Februar 2008 zog ich in eine eigene, kleine Wohnung. Eine Wohnung mit Kinderzimmer. Am 21.April 2008 machte mich die Einhornbändigerin zur Mama. Es war ein Adelstitel, den mir mein ungeplantes aber absolutes Wunschkind da verliehen hat. Mein Leben wandelte sich von jetzt auf Gleich und bis Heute bin ich sehr, sehr dankbar dafür. Emmas Start war etwas holperig. Sie startete mit Klamottengröße 42. Diese Minisachen sind jetzt selbst den Puppen vom kleinem Batman zu klein.

Allerdings war ich auch von Anfang an alleinerziehend. Meine Beziehung wurde zum Papa. Papa 1. Wir hatten mehr schlechte als gute Tage, unüberbrückbare Differenzen nennt man das glaube ich.

Und nun möchte ich kurz eine Lanze für alle Trennungsväter und auch Mütter brechen. Wir hatten am Anfang so unsere Probleme und ich bin regelmäßig ausgeflippt. Das lag nicht zwangsläufig an Papa eins, sondern auch daran dass ich selbst oft nicht wusste was jetzt das richtige war. Wir stritten in der Zeit nach der Beziehung noch öfter als in der Zeit zuvor. Wir verfluchten uns gegenseitig und haben uns nicht nur ein Mal gefragt, wie wir es geschafft hatten zuvor eine Beziehung zu führen.

Aber….

Wir konnten uns nicht leiden, das Elternding haben wir nach anfänglichen Schwierigkeiten aber ganz gut hinbekommen. Ich hatte nie vor Papa 1 sein Kind zu entziehen und Er wiederum entzog sich nicht der Verantwortung. weder finanziell oder auch sozial

Im Sommer, als Emma vier Monate alt gewesen ist und langsam wie ein knautschiges Baby aussah, besuchte die Bayernoma, also meine „Ex-Schwiegermutter“ Berlin. Wir sind zusammen durch den Park spaziert und ich hatte zuvor wahnsinnige Panik, weil ich nicht wusste wie sie sich nun mir gegenüber verhalten wird. Die Oma aber machte es mir leicht, wir umarmten uns wie immer, es war entspannt wie immer und sie sagte dass das Leben einfach manchmal so spielt. Und ja, mir ist vollkommen bewusst welches Glück ich da hatte.

Ich tat mich am Anfang schwer damit Emma über Nacht bei Papa eins zu lassen. Daher fand der erste „Umgang“ allein zwischen Papa und Emma in meiner Wohnung statt. Er besuchte Emma regelmäßig und ich habe mich in einem anderem Zimmer aufgehalten. Irgendwann verließ ich die Wohnung.

Die erste Übernachtung bei Papa 1 war schwierig, vermutlich für uns alle.

Ich lernte Simon kennen als Emma 6 Monate alt gewesen ist. Emma lernte Simon zwei weitere Monate später kennen. Papa 1 wusste recht schnell davon. Die Einhornbändigerin nannte Papa 1 von Anfang an Papa. Unseren Helden nannte sie „Momo“, weil sie Simon zunächst nicht aussprechen konnte.

Als unsere Tochter 3 Jahre alt gewesen ist, wurde sie getauft. Katholisch. In einer Dorfkirche. In Bayern. Es war der gleiche Geistliche Mensch, der auch Papa 1 getauft hatte. Familientradition und so. Sie ist mit beiden Männern in die Kirche eingelaufen. Papa 1 an der rechten Hand, Momo an der Linken. Ihr hättet die Gesichter der Gäste sehen sollen, herrlich. Ich bin übrigens konfessionslos.

Auch haben wir nach ihrem 3. Geburtstag damit angefangen jedes Jahr Weihnachten und Silvester zu tauschen. Ein Jahr ist sie weihnachten bei mir, das nächste bei Papa 1. Da hörte ich oft „Wie kannst Du das nur machen?“ Warum können WIR das nicht? Emma ist nicht nur meine Tochter, ich habe nicht mehr Rechte als Papa eins. wir hatten immer das Kind im Blick und probierten vor allem an der Umgangsregelung etwas rum, bis wir einen weg gefunden hatten der uns allen gut tut, vor Allem aber Emma.

Seit Emma 5 Jahre alt ist nannte sie „Momo“ immer häufiger Papa. Simon sagte „unsere Tochter“Papa 1 bemerkte das natürlich und ich bin mir sehr sicher, dass es nicht einfach gewesen ist. Emma wusste immer und zu jeder Zeit wer ihr „Bauchpapa“ ist. und dennoch sagte sie irgendwann, dass sie nun zwei Väter hätte.

Letztes Jahr im April feierte Emma ihre Erstkommunion, ebenfalls in Bayern.

Und ich würde behaupten dass Papa 1 und ich das Elternding von Jahr zu Jahr besser hinbekommen. Wir telefonieren häufig miteinander und sprechen alle Entscheidungen ab. Weil wir Eltern sind. Da macht man das so.

Wir tauschen manchmal die Umgangstage, wenn einer/eine von uns verhindert ist. das klappt in der Regel hervorragend. Streiten tun wir immer noch. Ganz selten, dafür aber heftig. Das endet auch schon Mal mit einem plötzlichem Auflegen des Telefonhörers. Ich gestehe….das mache nur ich. Wir verfluchen uns dann wieder. Papa 1 wird hektisch, ich hektischer. Laut können wir Beide gut. Dann reden wir meistens einige Tage nicht miteinander. Irgendwann aber ruft irgendwer, irgendwen doch an. Und alles ist erledigt.

Ich glaube auch, dass wir Beide hin und wieder die Augen vor dem verschließen was der/die Andere so macht. Und das ist okay. Die Uhren bei mir ticken etwas anders als bei Papa 1. Und das ist ebenfalls okay. Oft aber rufen wir uns gegenseitig an, wenn Emma einen pubertären Ausbruch hat und wir total unfair sind. Dann bestärken wir uns gegenseitig. Oder versuchen uns zu „übertrumpfen“ mit Gegenbeispielen.

Als unser Held verstorben ist, hatte ich Papa 1 gebeten während des Gespräches mit Emma dabei zu sein. Er tat es. Als unser Held beigesetzt worden ist kam Papa 1 und auch die Bayernoma ebenfalls. Sie hätten das nicht tun müssen. Sie taten es, weil es ihnen wichtig war.

Im letzten Sommer, kurz nach Simons Tod sind BEIDE Kinder und ich hin und wieder mit Papa 1 zum See gefahren.

Und Heute? Heute klappt das immer noch gut. Ohne Papa 1 gäbe es diesen Blog in dieser Form nicht. Er ist quasi mein Blog Administrator. Denn im Gegensatz zu mir weiß er was ein „Widget“ ist und das „Google Analytics“ unbedingt erforderlich sei. Er hat das Logo entworfen und bekommt regelmäßig von mir Notfall- Panik-dieser-verdammte-Blog-funktioniert-grade-nicht-Anrufe. Meistens fängt Papa eins aufgrund meiner Unkenntnis dann an zu lachen und versucht mir „idotensicher“ zu erklären was ich jetzt machen muss.

Ich bin dankbar für Papa 1. Auch wenn ich mich noch Heute frage, wie wir es geschafft hatten eine Beziehung zu führen. Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass auch er sich dies immer wieder fragt.

Aber dieses Elternding liegt uns. Wir sind mehr als Eltern, ich würde es fast Freunde nennen.

Und ja, ich weiß welches Glück ich da habe. Ich weiß dass das nicht selbstverständlich ist. Vor allem aber hat unsere Einhornbändigerin Glück. Denn im Grunde ist sie es, die am meisten von unserer „Elternbeziehung“ profitiert.

Ich bin dankbar und gleichzeitig finde ich, dass es eine Selbstverständlichkeit sein sollte dass getrennte Eltern dieses „Elternding“ auch auf die Kette bekommen. Ganz ehrlich! Auch dann wenn neue Partner im Spiel sind, denn auch das hat nichts mit den Kindern zu tun.

Ich kann keine Elternteile akzeptieren, die dem/der Anderen und deren Familie die Kinder entziehen, ohne dass es dafür triftige Gründe (Kindeswohl…) gibt. Ich kann auch keine Elternteile verstehen, die sich vor der Verantwortung drücken. Und am aller wenigsten kann ich es nachvollziehen wie man im schlimmsten Fall ein Kind nach einer Trennung instrumentalisieren kann. Ich versteh das nicht. was ist los mit Euch? Wenn eine Beziehung scheitert ist das ein Erwachsenen Problem. Das Kind gehört behütet, immer und zu jeder Zeit. unabhängig davon ob sich die Eltern verstehen oder nicht!

Die Einhornbändigerin liebt beide Papas. Sie liebt alle Omas und Opas. Simons Eltern genauso sehr, wie die Bayernoma oder Ostseeoma und Ostseeopa. Alle haben von ihr Spitznamen bekommen. Alle werden von ihr mit Oma und Opa angesprochen, ohne dass ich das von ihr erwartet habe. Das kam von ganz alleine. Weil Gene nicht alles sind. Sie nennt die Heldennichten ihre Cousinen und sagt, dass der Heldenbruder ihr Onkel ist. Zeitgleich weiß sie aber auch den „total coolen Muskelonkel“ in Bayern sehr zu schätzen. Der ist grade erst der Volljährigkeit entschlüpft und der Bruder von Papa 1. Emma himmelt ihn förmlich an. Sie liebt weil ihr Herz groß ist. Sie liebt, weil sie weiß, dass alle sie lieb haben. und ganz nebenbei findet sie es absolut großartig, dass es so viele Familienstränge gibt.

Versucht Eure Konflikte nicht auf dem Rücken der Kinder auszutragen. Es ist nicht leicht, dessen bin ich mir bewusst. wir hatten da am Anfang auch unsere Probleme. Allerdings sollte das als Erwachsener Mensch durch aus möglich sein.

6 Gedanken zu „Patchwork; Wie ist das eigentlich mit Papa 1

  1. Wahre Worte, liebe Ines … nur leider sieht die Realität sehr oft sehr anders aus. Ich sehe das in meinem beruflichen Alltag und sehe auch, dass es den Kindern überhaupt nicht gut tut, wenn diese Eltern- oder Erwachsenendinge auf deren Rücken ausgetragen werden. Darum finde ich das echt so super, dass Ihr das so hinbekommen habt. 🙌

    Liebe Grüße an Euch!

    Katja

  2. Großartig wie ihr das hinbekommt! Ich beneide Euch. Leider funktioniert es nicht immer so toll. Wir leben auch Patchwork. Der Vater von meinem großen Sohn hat sich leider von Anfang an sämtlicher Verantwortung entzogen, somit gibt es ihn in unserem Leben nicht. Die Mutter meiner Stieftochter hat immer mal wieder Probleme mit Eifersucht, da das Kind, auf eigenen Wunsch, im Wechselmodell lebt und wir ein super gutes Verhältnis zueinander haben.

    Liebe Grüße von der Ostsee zu Euch.

    Katja

  3. Bei uns war und ist es ähnlich. Anfangs und zwischendurch immer mal wieder schwierig, aber inzwischen herrscht ein beinahe freundschaftliches Verhältnis. Der Grosse (jetzt schon 14) lebt im Moment sogar mehr beim Papa. Mein Ex war auch an unserer Hochzeit und der Kleine durfte mit seinem grossen Bruder auch schon bei ihm übernachten, weil er sich das gewünscht hat.

  4. Das hast Du echt sehr schön geschrieben! Ich finde, ihr macht das klasse! Und die Fotos von Emma sind so super, tolles Mädchen. Auf dem vom Windobona sieht es aus, als würde sie wirklich fliegen! Die Helferin nimmt man gar nicht wahr.
    Ich wollte dich noch was anderes fragen, in einigen Kommentaren klang die Frage ja auch schon an: Wie läuft denn das jetzt finanziell mit deinem Buch? Wenn das schon in die 2. Auflage geht, ist das doch bestimmt erfolgeich, oder? Ich hab überhaupt keine Ahnung von so Verlagswesen und sowas, aber mich würde interessieren, wieviel Geld pro Buch an den Autor geht (falls man das überhaupt so rechnen kann) und ob ihr dadurch vielleicht sogar eine kleine finanzielle Entlastung gewinnt. Mir ist klar, dass du das Buch nicht zum Geldverdienen geschrieben hast, und so Geldfragen sind ja auch schnell mal grenzwertig. Aber du antwortest sonst auch immer so bereitwillig auf alle Fragen, da dachte ich, ich trau mich jetzt mal. O:-) Außerdem hättet ihr euch einen kleinen Geldregen sowas von verdient und ich würde es euch auf jeden Fall wünschen!! <3
    Liebe Grüße!

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