Kann man Zweisamkeit verlernen?

Ich lebe seit knapp 2,5 Jahren alleine mit zwei Kindern. Bevor ich mit Simon zusammengezogen war, lebte ich 4 Jahre allein mit einem Kind. Vor Simon lebte ich mit keinem Mann zusammen. Erst, als älterer Teenager bis zur Volljährigkeit in einem Wohnprojekt. Dann in einer eigenen Wohnung, danach in einer Studenten WG und kurz vor der Geburt der Einhornbändigerin bin ich wieder in eine eigene Wohnung gezogen. Dann kam Simon.

Ich kenne das zusammenwohnen mit einem Mann. Ich kenne das Zusammenwohnen mit vielen anderen Menschen. Und natürlich kenne ich auch das Wohnen allein bzw. Allein mit Kind/Kindern.

Jetzt sind es 2,5 Jahre. Aber ich wohne nicht nur allein mit Kindern. Ich schlafe allein. Ich organisiere allein. Ich putze allein. Aber dafür muss ich mich auch nach Niemandem richten. Unser Haus, unsere Regeln. Nur wir Drei hier. Abläufe sind klar, Zeitfenster knapp. Wir rocken das gut, so denke ich. Durch Covid19 sind auch soziale Kontakte weniger geworden. Das ist okay und mir fällt all das leichter als im Frühjahr diesen Jahres. Denn egal was da draußen passiert, ich weiß dass in unserem Haus doch alles beim Alten ist. Planbar, chaotisch aber doch irgendwie organisiert. Weil wir uns zu Dritt gut eingespielt haben.

Ich beobachte Ähnliches bei anderen Menschen , die allein mit oder ohne Kinder leben. Auch wenn der Mensch in den meisten Fällen ein soziales Wesen ist, so ist er auch ein Gewohnheitstier. Und irgendwann gewöhnt „man“ sich daran. Weil diese Gewohnheit auch etwas Sicherheit ausstrahlt. Immerhin wissen wir woran wir da sind und erwarten nur selten außerplanmäßige Geschichten oder Schwierigkeiten.

Was passiert aber wenn in diese Blase Jemand von Außen eintreten will. Jemand, den man eventuell sogar sehr liebgewonnen haben könnte? Kann man das verlernen? Dieses Absprechen, Dinge aufeinander einzutakten, Kompromisse? Denn auch das nehme ich sowohl an mir selbst als auch an Anderen Alleinstehenden Menschen wahr. Etwas seltsam ist das doch schon. Aber irgendwie auch nicht.

„Never Change a running System“ ist ein Spruch, den ich nicht sonderlich mag. Weil er meiner Meinung nach etwas mit Stagnation gemein hat. Aber in dem oben beschriebenem Fall wird dieses Running System ordentlich durcheinander geworfen. Die eigene Blase muss etwas vergrößert werden und es bedarf einiger Veränderungen, wenn da plötzlich noch wer Anderes ist. Zwei oder noch mehr Leben kommen plötzlich zusammen. Leben, die nur kurze Zeit zuvor hauptsächlich ihr Eigenes Ding gemacht haben.

Ich habe die Erfahrung gemacht und hörte ähnliche Dinge auch von Anderen, dass sich viele Menschen, die Situation nicht mehr allein zu sein unwarscheinlich romantisch vorstellen. Das ist es sicher auch. Sehr. Aber auch schwierig, besonders am Anfang. Zumindest kann es das sein, weil „wir“ es so unfassbar kompliziert machen. Weil „wir“ gar nicht mehr zu wissen scheinen, wie das eigentlich funktioniert, dieses Nicht-Alleinsein. Dieses Nicht nur mein eigenes Ding. Oder es kommt schlagartig die Erkenntnis, dass nicht alles so einfach ist, wie in diversen Disneyfilmen gezeigt.

Es gibt Erwartungshaltungen. Gedanken daran, wie es früher so war, da war das doch auch alles viel leichter. Ich zumindest tendiere dazu , zu vergessen, dass ich älter geworden bin. Dass ich Erfahrungen gesammelt habe. Dass ich mich demzufolge verändert habe. Veränderungen an mir selbst nehme ich oft erst dann wahr, wenn es kompliziert wird. Natürlich ist es anders als früher. Natürlich ist es schwieriger jetzt die Leben mehrerer Menschen zusammenzuwürfeln, als es früher der Fall gewesen war. Weil ich oder auch Du in manchen Dingen anders denkst. Weil mir manche Dinge wichtiger und dafür andere Dinge unwichtiger geworden sind. Weil ich weniger „freie Zeit“ habe. Weil ich in den letzten 10 Jahren, tatsächlich auch 10 Jahre älter geworden bin. natürlich ist es anders. Es wäre doch seltsam wenn nicht.

Der Kopf weiß das ganz genau. Und doch blendet er diese Gedanken nur zu gern aus und lässt die Frage zurück warum zur Hölle dieses „Nicht mehr allein sein“ manchmal so unfassbar kompliziert geworden ist. Warum ich Dinge tue, die ich früher nicht tat. Warum ich jetzt manche Dinge nicht mache, die ich früher aber tat. Und auch hier weiß ich, dass es nicht nur mir so geht. Statt es einfach zuzulassen um zu gucken was passiert, zu kommunizieren welche Ängste da im Raum schweben, gibt es Menschen, die ihr Hirn mit Gedanken zermürben. Weil es eben nicht mehr so einfach ist wie früher. (Mich eingeschlossen, keine Frage)

Ich glaube dennoch nicht, dass man „Zweisamkeit“ oder Geselligkeit verlernen kann. Viel mehr ist es ein Prozess der Erkenntnis, dass sich auch diese Dinge, manche Eigenschaften, Vorstellungen und Ähnliches mit der Zeit wandeln können. weil wir an jedem Tag in unserem Leben neue Eindrücke gewonnen hatten. Weil uns genau diese Eindrücke prägen, ob wir nun wollen oder nicht.

Ich glaube, dass Niemand gern allein (mit oder ohne Kinder) ist. Nur manchmal fehlt es auch an Mut, Jemand Anderen in dieses Running System zu lassen. Weil es verletzbar machen könnte. Oder weil es manchmal auch schwierig sein kann. Aber das, was dazu gewonnen werden kann, ist doch eigentlich viel, viel größer als es die Angst sein sollte, oder? Auch wenn es schwieriger zu sein scheint, aus seiner eigenen Sicherheitsblase auszubrechen und zuzulassen.

Man verlernt es vermutlich nicht. Aber die Angst wird vielleicht größer. Oder der Respekt vor dem Ungewissen. Oder aber auch …ach was weiß ich. Ich bin ganz Anders als vor 10 oder 15 oder 20 Jahren. Du wirst Dich vermutlich in dieser Zeit ebenso verändert haben. Warum also erwarten wir aber, dass sich manche Dinge so anfühlen wie früher? Warum erwarten wir von uns, dass wir genauso einfach handeln können wie früher?

Es ist nun die Frage, wie Du damit umgehst. Akzeptieren, dass dass sich manche Dinge anders anfühlen, dass es komplizierter scheint weil Du Dich eben auch verändert hast. Du nimmst es an, erkennst es als Entwicklung und versuchst Dir weniger Gedanken über alles Mögliche zu machen. Vielleicht besinnst Du Dich einfach darauf, dass Dir Dein Gegenüber zumindest ein wenig wichtig ist und die anderen Gedanken möglicherweise einfach ein Ergebnis Deiner vorangegangenen Erfahrungen sind. Oder Du flüchtest, weil Du Dir sagst, dass sowieso alles nicht passt. Weil das „Gute“ in die hinterste Ecke deiner Erinnerung rutscht und das vermeintlich „Schlechte“ gewonnen hat und sich weitermachen nicht lohnt. Dafür nimmst Du lieber den Verlust eines Menschen in Kauf als darauf zu vertrauen, dass sich neue, unbekannte Dinge auch erst einpegeln müssen und/oder über Deine Gefühlswelt zu sprechen. Das ging ja früher schließlich auch alles einfacher.

Manche von Euch belächeln diesen Post bestimmt. Ich verstehe das. Und ich freue mich für Euch, dass ihr das tun könnt. Andere nicken vielleicht. Und Wieder Andere fragen sich grade; Was will Die eigentlich schon wieder? Sorry.

Glaubt mir, ich hätte vor einiger Zeit auch nicht gedacht mal solche Worte zu schreiben. Echt nicht. Wer hätte gedacht dass so einfach zu scheinende Dinge, so schwierig werden können.

Stay Tuned.

(Danke Pixabay als Fotoquelle)

4 Gedanken zu „Kann man Zweisamkeit verlernen?

  1. Ich finde mich gerade so gut in deinen Worten wieder. Und so oft unverstanden. Danke, dass Du aussprichst, was ich oft denke!

  2. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und jedem Neuem muss man die Chance und die Zeit geben sich in das eigene Leben zu integrieren. Ich habe die Erfahrung gemacht, das man nach einer sehr langen Beziehung nicht mehr weiß wie Beziehungen anfangen. Da ist Unsicherheit, man muss den anderen erst kennen lernen. Es ist aufregend und doch anstrengend. Und dann (gerade wenn man wenig Zeit hat und Kinder mit im Spiel sind) man muss den Alltag anders strukturieren damit man überhaupt Zeit für jemand anderen hat. Es rumpelt mal hier, es rumpelt mal da. Die Struktur wird durcheinander geworfen und muss sich neu sortieren. Man braucht Geduld, Flexibilität und vor allem das Wissen oder das Einsehen, das es nicht wie im Bilderbuch läuft. Vor allem, wenn alle ihre Vorgeschichte mitbringen. Und es kann ganz wunderbar werden und irgendwann weiß man nicht mehr, wie es vorher war, weil die neue Situation dann alltäglich ist und es einfach (meistens zumindest) läuft. Da bin ich mittlerweile angekommen.

  3. Ich finde es sehr schön und nicht selbstverständlich dass du mal Zweisamkeit erleben durftest. Und daher denke ich auch dass du grundsätzlich die Fähigkeit dazu hast. Außerdem glaube ich dass du eine aussergewöhnliche hohe Flexibilität hast dich neuen Situationen anzupassen, ich kenne niemand der Erfahrung mit so vielen unterschiedlichen Wohnsituationen und Konstellationen hat.
    Ich glaube du schaffst das und wünsche dir viel Glück

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