12 ; Lieber Held…

Heute ist Montag der 14.Dezember 2020. Heute vor 12 Jahren standen wir auf dem Minibalkon deiner Zweizimmerwohnung. Die Einhornbändigerin im Babyformat war bei Papa 1. Ich war bei Dir. ohne Kind. Du kanntest meine Tochter bereits. Und obwohl Du keine Kinder wolltest, war sie oft in Deinem Arm. Vor Deinem ersten Date mit diesem wunderbaren Kind hast Du einen Spielzeugladen besucht und Dich fast eine Stunde beraten lassen. Du wolltest ihr etwas mitbringen, wusstest aber nicht was. Es wurde eine Stoffrassel in Form eines kleinen Bärens.

Als die Einhornbändigerin sprechen lernte, nannte sie Dich Momo. Einige Jahre später sagte dieses Kind plötzlich Papa zu Dir. Für alle war es okay, inklusive Papa 1. Mit drei Jahren wurde unser Mädchen getauft. Sie lief in die Kirche. An der rechten Hand ihren Papa 1, an der linken Hand hielt sie Deine. Noch etwas später war der kleine Batman da. Du hast immer davon gesprochen, dass Du zwei Kinder hast.

Aber heute vor 12 Jahren gab es in diesem Moment nur uns. Das Babyeinhorn war bei Papa 1 und an einen Batman dachten wir noch gar nicht. Wir standen da auf Deinem Balkon, mir war kalt. Ich wickelte mich in eine Decke. Wir standen da und ich wunderte mich warum es so still war. Sonst gab es immer irgendetwas worüber wir gesprochen hatten. Aber dort war es still.

Mit einem Mal hast Du angefangen „Du sag mal, wenn wir uns mit meinen Freunden treffen, wie soll ich dann vorstellen?“ Ich verstand diese Frage tatsächlich nicht und wunderte mich, was genau Du mir damit sagen wolltest. Wir trafen uns zu diesem Zeitpunkt bereits seit etwas mehr als zwei Monaten. Vor etwa drei Wochen hattest Du meine Tochter kennengelernt. Du warst grade noch 27 Jahre als, bald hattest Du Geburtstag. Ich war 24 und verstand immer noch nix.

„Na, wenn wir uns mit Denen treffen, kann ich Dich dann als meine Freundin vorstellen?“, hast Du weitergefragt. Ich hörte es klicken in meinem Kopf und sah in Dein doch sehr nervöses Gesicht. Ich glaube, Du warst Dir wirklich nicht sicher welche Reaktion da jetzt von mir kommen würde. Ich glaube, dass ich genickt habe, lächelte und wir uns dann umarmt haben. Heute vor 12 Jahren wurde aus einem „Wir -gucken -mal -was- passiert-Gedate eine Beziehung.

Das Beziehungsding hatten wir Beide nicht immer super gut drauf. In sämtliche Fettnäpfchen treten konnten wir. Missverständnisse ebenso. Im Laufe der 9,5 Jahre, die wir zusammen hatten gab es diverse Tiefs. Aber auch viele Höhen. Es gab immer Mal wieder Menschen, die nicht verstanden haben, warum wir an dieser Beziehung festhielten. Wir führten 9,5 Jahre eine Beziehung. Ein Jahr und zwei Wochen davon waren wir verheiratet. Ziemlich genau 6 Jahre begleitete uns Krabbe Kunibert.

Zwischenmenschlich war nicht Kunibert unser größtes Problem, sondern die Schwierigkeit uns immer wieder, jeden Morgen zu 100 Prozent auf einen anderen Menschen einzulassen. Auch wenn das bedeutete sich verletzbar zu machen. Das „Problem“ hatten wir Beide. Und es war nicht immer ganz einfach mit uns „Beziehungsgenies“. Aber es wurden 9,5 Jahre. Es wurde eine Familie mit zwei Kindern. Es wurde eine Hochzeit. Und aus uns wurden Menschen, die sich nicht in die Knie zwingen lassen wollten.

Liebster Simon, mein Held, ich glaube ja, dass wir dieses Beziehungsding doch trotz aller Steine, die wir da in Weg geworfen bekommen haben, ganz gut hinbekommen haben. Bald ist wieder WEihnachten. Das war immer Dein Ding. Dein Geburtstag wenige Tage später und Silvester. Dieses Jahr wird wieder alles anders sein. Zwei Weihnachten feierten wir bereits ohne Dich. An Deinem Geburtstag besuchten wir Dich mit Luftschlangen, Ballons und Kuchen im Zauberwald. Normalerweise versuchte ich auch immer am 14. 12 bei Dir im Wald zu sein.

Dieses Jahr… Ich schaffe es Heute nicht zu Dir. Der Weg mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln ist möglich aber schwierig. Besonders der kleine Batman hat Schwierigkeiten die Strecke vom Bahnhof zu Dir in den Wald zu laufen, Du kennst ja unser Kind. Dieses Weihnachten feiern nur der kleine Heldensohn und ich. nur wir zwei. Das große Kind feiert, wie jedes zweite Jahr mit dem Papa 1 und dessen Familie. Sie mag das sehr und ich freue mich für die Einhornbändigerin.

Aufgrund der Umstände kommen weder Deine Eltern oder meine Eltern uns besuchen. Alle gehören zur Hochrisikogruppe und ich kann mich kaum noch daran erinnern wann wir sie das letzte Mal gesehen haben. Ich kann dir aus den gleichen Gründen auch noch nicht versprechen, ob wir an Deinem Geburtstag bei Dir sein können. Es tut mir so, so Leid. Mein schlechtes Gewissen ist wirklich grenzenlos. So lang wie im Moment waren wir nie nicht im Zauberwald.

Es fühlt sich komisch an. Ein weiteres Weihnachten ohne Dich. Ein Weihnachten ohne Familie . Ein Weihnachten zu Zweit. Der Tag heute, und die Tatsache dass verständlicher Weise kein Mensch außer mir daran denkt.

Aber weißt Du was? Ich glaube fest daran, dass Du sowieso überall sein kannst. Nicht nur in Deinem Zauberwald. Auch hier bei uns. Wir werden Deinen Geburtstag trotzdem feiern. Luftschlangen fliegen hier auch. Marzipankuchen und diese Chips, die Du so mochtest. Wir werden im Garten picknicken. Und Dir einen Luftballon schicken. Irgendwann wird alles wieder besser werden. Wir werden Dich wieder besuchen können, wir werden unsere Familien wieder sehen können. Das kommt, ganz bestimmt.

Aber heute ist der 14.12.2020. Heute wären „Wir“ 12 Jahre alt geworden. In Echtzeit waren es 9,5. Ich dank Dir fest, dass Du uns nie aufgegeben hast. Ich dank Dir, dass ich Dich kennenlernen durfte. Ich danke Dir dafür, dass Dein Vertrauen, besonders in den letzten Jahren in mich fast grenzenlos schien. Ich dank Dir für jede einzelne Sekunde. Aber ich dank Dir auch dafür, dass Du stark genug gewesen bist uns loszulassen.

Wie war das? In guten wie in schlechten Zeiten, oder?

Ich denk an Dich mein Held.

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