Trauerphasen; in welcher steckst Du? In welcher stecke ich? 1/4

Der Tod meines Mannes liegt inzwischen fast zwei Jahre zurück. Der zweite Todestag nähert sich. Ich erzählte Euch bereits dass man als Angehörige, als Zurückgebliebene hin und wieder gefühlt unter einer Art Dauerbeobachtung steht. Trauert man als Partner/in zu lange, könnte es langsam mal wieder gut sein. Das Leben ginge schließlich weiter. Kommt ein/e neue/r Partner/in ins Spiel ist es möglicherweise viel zu früh. Man hätte seine/n verstorbene/en Partner/in gar nicht richtig geliebt. Behält man die Klamotten, kann man nicht loslassen. Gibt man sie weg, ist man kaltherzig. Sind Kinder die trauernden Personen werden oft viele ihrer Verhaltensweisen auf den Tod des Elternteils zurückgeführt. Vollkommen irrelevant ob es auch andere Ursachen haben könnte.  Schulleistungen werden beäugt und ein Notenabfall bzw. nicht gute Leistungen werden erwartet. Aber auch das hat irgendwann ein Ende zu haben. Trauer wird von Nicht Betroffenen oft als eine zeitlich begrenzte Phase angesehen. Es gibt da ein Wort -Trauerjahr- Dann hat das alles aber bitte ein Ende zu nehmen. Immer nur jammern nervt und ist uncool. So zumindest sind manche meiner Erfahrungen.

Mal abgesehen von der Tatsache, dass Trauer ein ganz subjektives Ding ist, bei Jedem anders verläuft und Jeder das Recht haben sollte dies auch ausleben zu können, gibt es verschiedene Meinungen zu unterschiedlichen Trauerphasen. Es gibt ein Modell das 5 Trauerphasen beschreibt.

Ein Anderes, das der Psychologin Verena Kast. In ihrem Modell konnte ich mich gut wieder finden. Fast schon erschreckend. Darum erzähle ich Euch etwas zu ihrem Modell und ergänze es mit meinen eigen Erfahrungen. Frau Kast sag dass es 4 Trauerphasen gibt. 1. Nicht Wahrhaben wollen 2. Aufbrechende Emotionen 3. Suchen und Sich trennen 4. Neuer Selbst- und Weltbezug. Dabei beschreibt sie jede Phase und gibt Hinweise, wie das Umfeld helfen kann, wenn es das denn möchte.

Heute widme ich mich der ersten Phase ; Nicht Wahrhaben wollen. Laut Frau Knast dauert diese Phase mehrere Stunden bis hin zu einigen Wochen. Besonders bei plötzlich eintretenen, tödlichen Unfällen und Ähnliches geschieht Letzteres. Die Hinterbliebenen kann nicht FASSEN was da grade Geschehen ist. Es wird nicht für Real gehalten. Der Schock sitzt tief und kann sich in Aphatie, Kreislaufzusammenbrüchen,und Hitzewallungen äußern. Aber auch erstarren, motorische Unruhe und völliges „Ausflippen“ sind möglich.

Sollte es ein Umfeld geben, dass in dieser Situation helfen mag und sich trotz eigener Überforderung kümmern mag… Frisch Hinterbliebene sollten in den ersten Stunden oder gar Tagen am Besten nicht alleingelassen werden. Bleibt bei Ihnen, schweigt, schreit, heult zusammen. Sagt ihnen nicht, wie sie mit ihrer Trauer umzugehen haben. Helft Ihnen in alltäglichen Dinge; Kochen, einkaufen, ans Essen und Trinken erinnern. Möglicherweise brauchen sie Hilfe in all den Behördengängen, die jetzt sofort anstehen. Und glaubt, es sind entsetzliche viele Unterlagen, Behördengänge und Co die plötzlich aus dem Nichts erscheinen. Seid einfach da, hinterfragt das Verhalten der trauernden Person nicht. (an alle, die es mit mir ausgehalten haben und es teilweise immer noch tun. Danke. Danke für jeden einzelnen Moment, egal wie sich unsere Wege danach verändert haben. Ich war/ ich bin ein Ekelpaket. Ich weiß das)

Bei mir dauerte diese „Phase“ 5 Tage. Ich weiß noch ganz genau wie geschockt ich an Simons Krankenbett gesessen habe. Ich unterschrieb diesen Wisch dass er sterben darf. Ich rief einige Menschen an, damit sie sich verabschieden konnten. „Ich bringe grade Simon um, falls Du Dich noch verabschieden möchtest, komme so schnell es geht“ waren meine ersten Worte. Alle sprachen mit ihm, nur ich saß stumm und fassungslos daneben. In meinem Kopf kreisten völlig absurde Gedanken; dass ich vergessen hatte einzukaufen, dass die Hunde nochmal Gassigehen müssten. Ich fragte mich ob unsere Haustür verschlossen war und ob Leo bei seinem Freund bereits schlafen würde. Verdammt, ich muss all das hier irgendwie den Kindern erklären. Bis heute frage ich mich, ob er überhaupt gemerkt hat, dass auch ich da gewesen bin. Er starb. Ich war geschockt und konnte all das gar nicht fassen. Ich heulte nicht. Ich sprach kaum. Ich starrte nur. Erst zu Simon, später in die Luft. Um drei Uhr Nachts verließ ich die Klinik. Eine Freundin bot mir an in der Nacht bei mir zu bleiben. Ich lehnte ab. So verbrachte ich die Nacht im sitzen auf dem Sofa und wartete darauf, dass Simon mir wieder irgendeine wirre SMS aus der Klinik schrieb. Um 6 Uhr ging ich duschen. Es war ein Freitag. Am Vormittag kamen zwei gute Freunde und ein Freund des Helden vorbei. Ich heulte immer noch nicht. Ging nicht. Ich war wie versteinert und wartete immer noch auf eine SMS. Freitag telefonierte ich das erste mal mit der Bestatterin, die vorher von besagter Freundin informiert worden war. Am Montag stand der erste Termin an. Am Wochenende halfen mir zwei wundervolle Menschen dabei all den Papierkram vorzubereiten, Akten und Unterlagen rauszusuchen, die ich für den Termin mit der Bestatterin brauchen würde. Ohne diese Zwei wäre ich gänzlich gescheitert.

Am Mittwoch konnte Simon endlich von der Bestatterin aus der Klinik abgeholt werden. Ich gab der Frau mit schwarzen wagen zuvor seine Lieblingsklamotten mit, die sie ihm angezogen hatte. Am Mittwoch, gegen Mittwoch konnte ich ein letztes mal zu unserem Helden. Er lag da. Im Sarg. Mit seinem Lieblingscap auf. Das guckte regelrecht aus diesem Sarg hervor. Ich brauchte mehrfache Anläufe um diesen Verabschiedungsraum zu betreten. Die Bestatterin berührte Simons Schulter und sagte „Guck mal, Ines ist da. Das hatte ich Dir doch vorhin erzählt“ Neben mir stand eine die beste Freundin von Simon, die mich immer wieder daran erinnerte das Atmen nicht zu vergessen. Ich stand da und realisierte plötzlich. Ich verstand, dass da vor mir mein Mann gelegen hatte. Tod. Unwiederbringlich weg. Für immer. Er war tot. Ich war es nicht. Plötzlich wurde es real. Ich heulte, ich berührte sein Gesicht und seine Hand. Ich entschuldigte mich für einige Dinge und sagte ihm dass er sich keine Sorgen machen müsste. Ich legte ein paar kleine Abschiedsgeschenke in seinen Sarg.

Nach etwa 30 Minuten verließ ich diesen Raum. Das erste Mal in meinem Leben hyperventilierte ich so dass mir fast schwarz vor Augen geworden ist.

Rückblickend war es einer der schwersten Tage in meinem Leben. Gleichzeitig war es ein wunderschöner Moment. Weil ich verstanden hatte, dass das alles real war. Weil ich Simon lange nicht mehr so friedlich gesehen hatte. Ich brauchte diesen Tag um zu realisieren. Um überhaupt weitermachen zu können.

Diese Phase liegt hinter mir. Sie ist war die erste auf einem langen Weg. Beim nächsten Mal erzähle ich Euch von Phase 2; Aufbrechende Emotionen. Auch diese zweite Phase liegt bereits hinter mir, wo genau ich stecke, warum und überhaupt; auch das werde ich Euch erzählen.

2 Gedanken zu „Trauerphasen; in welcher steckst Du? In welcher stecke ich? 1/4

  1. Liebe Ines, un-fassbar, was du fühlen musstest. Du beschreibst die Intensität deiner Gefühle so, dass es einen mitreißt. Ich lese deinen Blog seit einer Zeit und ich empfinde ihn als so wertvoll. Deine Worte erinnern mich immer wieder daran stehen zu bleiben, hier, jetzt, mich umzusehen, wahrzunehmen. Vielen Dank dafür.

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