Wenn vermissen und vermissen zwei unterschiedliche Dinge sind

Ich erschrecke mich manchmal wenn ich auf den Kalender sehe. 2,5 Jahre ohne unseren Helden. Vor 2,5 Jahren blieb die Welt für uns stehen. Vor 2,5 Jahren endete das Kapitel Krabbe Kunibert. Zumindest in der Realität. Vor 2,5 Jahre verlor ich meinen Mann und unsere Kinder ihren Vater. Ich war plötzlich vor eine Wand gerast, fühlte plötzlich die angestaute Erschöpfung und hatte keine Ahnung wie es jetzt überhaupt weitergehen sollte.

Wenn ich so zurückblicke frage ich mich manchmal, wie wir diese Zeit überhaupt überleben konnten. Ich hatte damals Angst um meine Kinder, dass ich sie und ihre Gefühle nicht abfangen könnte. Ich hatte Angst um unser Zuhause. Ich hatte Angst vor der Einsamkeit und spürte eine unfassbare Leere in mir.

Gefühlt sind die letzten Jahre nur so an uns vorbeigezogen. Obwohl es zwischendurch immer wieder Tage gab, die sich wie zäher Kaugummi nur so dahin gezogen haben. Ich vermisste. Jeden Tag.

Heute? Heute weiß ich, dass meine Kinder all dieses Chaos um uns herum gut verarbeiten konnten. Die Zeit vor seinem Tod und die Zeit danach. Sie sprechen nach wie vor offen über ihren Papa. Natürlich gibt es auch heute noch Tage, die punktuell schwierig sind. Tage an denen der Papa sehr vermisst wird. Aber die Triggerpunkte sind weniger geworden.

Und ich? Ich vermisse auch. Simon. Aber ich merke immer mehr, dass ich nicht nur ihn vermisse. Ich fühle mich nicht verheiratet. Ich bin alleinerziehend, eine Single Mutter und mir fehlt der männliche Gegenpart. Ich vermisse dieses verliebt sein Gefühl, diese rosa Brille und die starke Schulter, von der Viele so schwärmen. Dass ich bereits Dates in der Vergangenheit hatte, ist auch hier kein Geheimnis. In der ersten Zeit waren diese eher um für mich zu gucken, wie es sich anfühlt, ob ich bereit dafür bin und ob das überhaupt funktionieren kann. Am Anfang funktionierte das nicht. Mein Kopf war nicht frei und ich verglich mein Date mit meinem Mann. Ich vermisste. Damals aber nicht das Verliebtsein, sondern meinen Mann. Ich zog die Notbremse und traf mich nicht weiter. Weil es sich nicht gut angefühlt hatte und für alle Beteiligten nicht fair gewesen war.

Dann traf ich irgendwann auf Mister Bunter Arm. Ihr erinnert Euch? Das aber klappte ebenfalls nicht, weil wir völlig unterschiedliche Vorstellungen vom Leben und von einer Kommunikation hatten. Das verliebt sein stellte sich auch nicht ein. Aber…diese Zeit fühlte sich zumindest am Anfang gut an und ich bemerkte dass es geht. Das Treffen mit Anderen. Dates.

Die Kinder bekamen von all dem nichts mit. Ich verabredete mich, wenn ich kinderfreie Abende hatte. Oder Mal zu einer kurzen Gassi-Hunde-Tour, bei der die Kinder nicht dabei waren. Mr. bunter Arm lernten sie kennen. Als Freund von früher. Das war okay so denke ich.

Jetzt ist das Jahr 2021. Wir leben in einer Pandemie, Reduzierung der Kontakte. Ich vermisse. An manchen Tagen ganz klar meinen Mann, weil er einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben gewesen ist. Auch wenn ich ihm das nicht immer gesagt habe. An anderen Tagen vermisse ich Jemanden, den ich gar nicht kenne. Jemanden, der da ist. Der mich wie ein Teenager fühlen lässt und sich von meiner Vergangenheit nicht bedroht fühlt. Jemanden, der akzeptiert, dass in unserem Zuhause auch Bilder an der Wand hängen, auf denen meine Kinder und ihr Vater darauf zu sehen sind. Und dann auch versteht, dass diese Wand noch genug Platz hat für weitere Bilder. Auch mit einem anderem Gesicht darauf.

Ich merke immer mehr, das es okay für mich ist. Dass es in Ordnung ist, sich nicht gegen Treffen mit anderen männlichen Wesen zu sperren. Dennoch würde ich es auch in Zukunft so machen, diese Dinge weiterhin an den Kindern vorbei zu schmuggeln. Denn meine Hoffnung irgendwann wieder so richtig verliebt zu sein ist mein Ding, nicht das meiner Kinder.

Ich wünsche es mir und bin gleichzeitig unendlich vorsichtig. Weil ich so gar keine Lust habe mich gleich wieder in die nächsten „Nesseln“ zu setzen. Diese ganze Singlegeschichte war mit Anfang 20 wesentlich einfacher. Ich bin da zu lange raus. Und das was ich gleichzeitig von einem möglichen Gegenüber erwarte sind ganz andere Dinge als die vor meinem Mann.

Es ist schwierig und an dieser Stelle kenne ich Niemanden, mit dem ich darüber wirklich reden kann. Jemand, der in einer ähnlichen Situation war oder ist. Ich bekomme oft Nachrichten, oft von Frauen, die grade ihren Mann verloren haben oder es aufgrund einer Erkrankung vermutlich bald tun werden. Sie sagen manchmal, dass dieser Blog ihnen dabei hilft nach vorn zu sehen. Sie fragen mich manche Dinge, wie ich in bestimmten Situationen gehandelt habe.

Ich bräuchte sowas jetzt auch grade. Ich vermisse. Und manchmal weiß ich nicht genau was. Und an anderen Tagen weiß ich es ziemlich deutlich. Manchmal ist es ein seltsames Gefühl; dieser Wunsch nach Jemanden an meiner Seite. Manchmal gibt es da ein schlechtes Gewissen. Und an anderen Tagen seltsamerweise nicht. Weil ich bereit für Jemand Neues bin denke ich. Es ist kompliziert.

Ich glaube, dass es mir ganz gut geht. Wir haben uns gut eingegroovt und sind durch dieses besondere, letzte Jahr nochmal anders zusammengewachsen. Manchmal bin ich überfordert; Homeschooling, zwei Kinder, mit völlig unterschiedlichen Anforderungen, mein Job, Nebenbei Ehrenamtssachen, bzw. Dinge, bei denen ich um Hilfe gebeten werde, zwei Hunde, das zu Hause das wenigstens einigermaßen sauber bleiben soll, Meine Interessen, Haushaltskram, Bürozeug. Niemanden, dem ich das wenigstens Mal kurz abgeben oder mit dem ich mich abwechseln kann.

Aber eigentlich klappt es ganz gut. Trotz mancher Überforderung, die vermutlich jeder von Euch kennt.

Aber dieses Vermissen ist da. Mal mehr, mal weniger. An manchen Tagen gar nicht. Aber irgendwie doch da. Ich wünsche mir keinen Ersatz für Simon, das wäre utopisch und vermutlich auch ein Zeichen dafür, dass es noch nicht der richtige Zeitpunkt ist. Ich wünsche mir eine Ergänzung, Jemand, der nicht Simon sein soll. Aber trotzdem akzeptiert, dass unser Held trotzdem eine Rolle in unserem Leben spielt, wenn auch ganz anderes als früher. Ich glaube es bedarf sehr viel Empathie und Mut es mit uns aufnehmen zu wollen. Das Gleiche aber brauchen wir für ein eventuell, irgendwann neues Gegenüber auch. Das wird nicht einfach.

Ich vermisse Simon. weil er einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben gewesen ist. Ich denke gern an ihn zurück. Manchmal macht es mich traurig. Manchmal lächle ist. Und manchmal fange ich an zu lachen. Weil er ein Mensch war, der mich geprägt hat.

Und dann vermisse ich Jemanden, den ich nicht kenne. Jemanden, der vielleicht auch zu einem, für mich/uns sehr wichtigen Menschen wird. Jemanden, der mich auch traurig, glücklich, verliebend und auch mal wütend macht. Jemand, der mich diese Gefühle spüren lässt . Jemanden, bei dem auch ich diese Gefühle auslösen kann.

Es bleibt schwierig. Es ist kompliziert. Ich bleibe zuversichtlich.

5 Gedanken zu „Wenn vermissen und vermissen zwei unterschiedliche Dinge sind

  1. Huhu,
    ich habe gerade deinen Beitrag gelesen und mir geht es in vielen vielen Punkten sehr ähnlich. Mir fehlt gerade auch diese gewisse Schulter zum anlehnen, dieses knutschen wie Teenies mit Schmetterlingen im Bauch, diese necken weil man sich lieb hat.

    Ich versteh dich gerade so sehr…

    Liebe Grüße

    Dany

  2. Bleibe zuversichtlich 🙂
    Denn plötzlich, 2 1/2 Jahre nachdem mein Mann, der Papa meiner Kinder, gestorben ist, war da plötzlich jemand. Jemand, der mich verstehen konnte, für den der Papa im Himmel keine „Bedrohung“ oder ein „Störfaktor“ war. Jemand, der meine Kinder ins Herz schloss und innerhalb weniger Monate eine Vaterfigur für die beiden war. Und für mich die Liebe meines zweiten Lebens.

  3. Meine Kinder sind gerade erwachsen geworden, da fällt einem so ein Singleleben plötzlich noch mehr auf.
    Ich finde, Vermissen zeig einem, wie gern man etwas hatte.
    Das ist etwas schönes, wenn man für sich das Vermissen annehmen, akzeptieren kann.

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